USA/F/GB 2023 · 91 min. · FSK: ab 12 Regie: Nimród Antal Drehbuch: Ward Parry, Christopher Salmanpour Kamera: Flavio Labiano Darsteller: Liam Neeson, Jack Champion, Emily Kusche, Arian Moayed, Embeth Davidtz u.a. |
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Auto ohne Tür, Kinder ohne Vater | ||
(Foto: STUDIOCANAL) |
Schon das erste Remake von Dani de la Torres El desconocido (Der Fremde, 2015), die deutsche Produktion Steig. Nicht. Aus! von Christian Alvart aus dem Jahr 2018, hatte so wenig Alleinstellungsmerkmale wie das zwar spannende, aber nicht gerade fantasievolle und überraschungsarme Original. Immerhin rackerte sich Wotan Wilke Möhring in der Hauptrolle des Vaters, der im Auto auf dem Weg zu einer Berliner Schule und seinen beiden Kindern auf dem Rücksitz feststellen muss, dass er auf Bomben sitzt und erpresst wird, redlich ab. Auch die Nebenrollen mit Hannah Herzsprung, Christiane Paul und Emily Kusche überzeugten in dem konzentrierten Ausspielen klaustrophoben Familienhorrors, Lebenskrise und einem vorsichtig-kritischen Subtext auf die Berliner Immobilienszene.
Dass in der nun zweiten Verfilmung des spanischen Originals erneut Berlin Schauplatz ist, irritiert zwar ein wenig, aber immerhin haben wir es mit anderen Schauspielern zu tun. Allen voran Liam Neeson in der zentralen Rolle des erst leidenden und dann immer wütender werdenden Vaters Matt Turner. Zwar wäre Neeson mit inzwischen über 70 Jahren auch in großväterlichen Rollen denkbar, aber so wie Tom Cruise scheint auch Neeson sich vom Alter nicht reinreden lassen zu wollen. Versucht Cruise sein Alter allerdings mit einer eher locker-jugendlichen Art zu kaschieren, geht Neeson in seinen Rollen zunehmend den Weg konsequenter Verbissenheit. Vor allem die letzten Jahre sind es seit Taken (2008) zunehmend austauschbare, stereotype väterliche Rollen mit Rache- und Retterambitionen (Cold Pursuit, Honest Thief, The Marksman, The Ice Road, Blacklight), die den Charakterdarsteller Neeson aus Filmen wie Husband and Wives oder Schindlers Liste wie ein Gespenst aus einer anderen Zeit wirken lassen.
Aber vielleicht bekämpft Neeson mit diesen Filmen ja tatsächlich die eigenen Gespenster aus seiner von Gewalt geprägten Kindheit in Belfast, so wie er das im letzten Jahr in einem Interview mit AARP andeutete. Dementsprechend überzeugt er jedenfalls auch in der neuesten Variante eines seine Kinder vor äußerlicher Gewalt schützenden, bislang jedoch eher abwesenden Vaters, der so wie in den Vorgängerfilmen nicht nur die übliche Lebenskrise, sondern auch eine Überlebenskrise meistern muss.
Der ungarische Regisseur Nimród Antal, der erstmals 2003 mit dem komödiantischen U-Bahn-Thriller Kontroll auf sich aufmerksam machte und seitdem Filme ohne jeglichen Humor inszenierte (Predators, The Whiskey Bandit), bleibt auch in diesem Film seinem Ernst treu und lässt Neeson so gnadenlos durch Berlin jagen, wie sich das für einen schnörkellosen Thriller auch gehört. Dabei konzentriert er sich mit Flavio Labianos kontrollierender Kamera vor allem auf die konzentrierten Blicke zwischen Vater und Kindern, in denen sich in den besten Momenten die ganze Vergeblichkeit einer wirklichen Verbundenheit spiegelt, die sich in Beziehungen zwischen Kindern und Eltern über die Jahre ergeben kann. Aber auch das Potential, das in Krisenzeiten abgerufen werden kann.
So souverän und spannend die Jagd durch Berlin ist, die auch eine Jagd nach der verlorenen Vaterschaft ist, so vorhersehbar ist das dann auch alles: die eheliche Beziehung, die nebulösen beruflichen Verstrickungen und die Beziehungen zu den Kindern, die Rolle der Polizei und von alten Kollegen – nichts überrascht und überwältigt hier, ist aber immerhin so präzise und genau wie ein gutes Uhrwerk, dem dann auch vorbehalten ist, durch ein hervorragend getimtes Ende einen markante Schlusspunkt zu setzen und sich damit selbst zu zerstören.