Österreich 2007 · 121 min. · FSK: ab 12 Regie: Götz Spielmann Drehbuch: Götz Spielmann Kamera: Martin Gschlacht Darsteller: Johannes Krisch, Irina Potapenko, Ursula Strauss, Andreas Lust, Hannes Thanheiser u.a. |
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Kunstvoll authentisch: Irina Potapenko und Johannes Krisch |
Am Anfang beobachten wir Wasser – einen Teich, einen kleinen See möglicherweise. Bäume spiegeln sich darin, formen eine dunkle Silhouette und wenn durch den Wind das Wasser unruhig wird und die Silhouette erzittert, lässt einen dieses Bild die Orientierung verlieren. Hat sich die Kamera bewegt? Oder stehen wir noch am selben Standpunkt? Unberührtheit, fast Idylle, strahlt diese erste Einstellung aus. Die gefühlte Unberührtheit nimmt ein jähes Ende, als etwas ins Wasser fällt. Es wird auf den Boden sinken und dort vielleicht auch vieles andere versteckt halten. Revanche heißt der Film, der so eröffnet wird. Später werden wir dasselbe Geschehen noch einmal aus anderem Blickwinkel sehen. Wir werden wissen, was da jetzt auf dem Seeboden liegt. Vielleicht wird es uns Erleichterung verschaffen. Doch wird uns umso klarer bewusst werden, dass das Wasser den Schmerz vielleicht überdecken, ihn aber nicht auflösen kann.
Im Zentrum des Films steht Alex (Johannes Krisch). Er war einige Zeit im Gefängnis und arbeitet jetzt im Puff, wo seine Freundin Tamara (Irina Potapenko) als Prostituierte arbeitet. Ohne zuviel zu verraten: Tamara stirbt bald und zwar durch die Waffe des Polizisten Robert (Andreas Lust). Alex sinnt auf Rache.
Kälte durchzieht den Film. Kapitalistische Logik herrscht vor. Offensichtlich stellt Spielmann dies am Anfang im Puff zur Schau. Wer zahlt, schafft an! Warmherzigkeit und Mitgefühl werden nicht belohnt – zumindest nicht finanziell, und darum gehts ja schließlich. Eines Abends klärt sein Chef Alex auf. Und zwar darüber, was sein Problem ist. »Du willst ein harter Bursch sein, aber du bist zu weich. Alle merken das sofort.« Der Puffbesitzer (Hanno Pöschl) ist nicht so wie Alex, das ist uns von Anfang an klar.
Wenn sich dann die Handlung von Wien ins Waldviertel verlagert, so verspricht der Wechsel der Umgebung auch einen Wechsel des Tons. Das schöne Land mit weichen Farben, ein weites Gebiet. Es scheint Platz für alle zu sein, jeder kann sich sein Heim errichten. Wenig überraschend natürlich, dass das Land uns ins Gesicht lügt und hinter der schönen Maske dieselbe Logik verfolgt, wie man es von der lasterhaften Stadt immer schon wusste. Auch hier schafft an, wer zahlt. Und wer nicht zahlen kann, wird zahlen müssen. Das weiß auch Alex. Man besorgt sich Geld. Oder so wie Susanne (Ursula Strauss) – man besorgt sich einen Mann, wenn der eigene nicht mehr kann. Nicht nur Geld wird verhandelt, auch Liebe, Zuneigung und Respekt. Aber da sind wir bereits wieder in einem Graubereich, denn Revanche erzählt ebenso von menschlicher Wärme und der Möglichkeit zu unentgeltlichen Gefühlen.
Es gelingt Spielmann ausgezeichnet, das Lokalkolorit dieser Gegend einzufangen, ganz ohne weit auszuschweifen. Eine Handvoll Charaktere genügt ihm, um ein Panorama dieser Landgesellschaft zu erstellen. Allen Figuren haftet etwas zutiefst Österreichisches an. Das ist keineswegs ausgrenzend oder exklusiv gemeint. Mit Sicherheit gibt es ganz ähnliche (vielleicht sogar dieselben) Verhaltensweisen und Codes auch anderswo. Hier aber begegnet man jedoch einem ganz spezifisch Österreichischen, einer Mixtur aus Grobheit, unpersönlicher Nähe und alles überdeckendem Brauchtums-Katholizismus. Wenigen Filmemachern gelingt es, das Landleben ungekünstelt auf die Leinwand zu transportieren, und die Sprache authentisch klingen zu lassen.
Exemplarisch zeigt sich dies in der Beziehung von Vater und Sohn, von Alex mit seinem Vater (Hannes Thanheiser). Der Alte und der Junge sitzen am Tisch und obwohl Alex gezeichnet ist von der schweren Last, die er mit sich herumträgt, wird der Alte niemals danach fragen. Und der Junge wird es auch nicht von selbst an ihn herantragen. Beide sind gezeichnet von einer Sprachlosigkeit, die es verhindert, dass das Gespräch jemals die Sphäre des Offensichtlichen und Oberflächlichen verlässt. Interesse am anderen und Zuneigung, ja Liebe, wird sich nicht in der direkten Kommunikation zeigen, sondern muss anhand von Gesten und Taten erahnt werden. Wenn der alte Bauer seinem »verlorenen Sohn« ein Stück des hauseigenen Apfels anbietet, dann drückt das mindestens so viel aus, wie alles Gesagte.
Zum Schluss sei betont, dass Revanche auch unterhaltsam und spannend ist. Das mag banal klingend, muss aber vor allem deshalb hervorgehoben werden, weil der Film in Österreich insgesamt nur rund 15.000 Zuschauer erreichte, was mir, gelinde gesagt, unverständlich ist. Dieses Werk ist keineswegs puritanisches Kunstkino, eine Schublade in die der österreichische Film in seiner Heimat häufig verstaut wird, ohne ihm groß Beachtung zu schenken und auch wirtschaftliche Hoffnung in ihn zu investieren. Würden Verleih und Vertrieb bereit sein, ein Quäntchen mehr Risiko einzugehen, anstatt mit Meterware auf Nummer Sicher zu gehen, würde sich ein Film wie Revanche auch in finanzieller Hinsicht selbst tragen können. Keiner in der Industrie scheint an die Erfolgsmöglichkeit eines österreichischen Filmes zu glauben. Schade ist dies für all jene, die diesen Film verpasst, ja, wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen haben.
Revanche wurde für den Auslandsoscar nominiert und alle klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, selbst jene die es vielleicht am wenigsten verantworten, reden vom »Filmwunder«. Dabei sollten sie diesen Film sich mal lieber anschauen. Das hilft dann mehr, der Box Office von Revanche und dem Standing des österreichischen Films insgesamt, in Österreich und in der weiten Welt.