Deutschland 2003 · 90 min. Regie: Barbara Teufel Drehbuch: Barbara Teufel Kamera: Ralph Netzer Darsteller: Jana Straulino, Ulla Renneke, Katja Danowski |
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7 Ritterrinnen |
Wir schreiben das Jahr 1987. Ganz Deutschland erstarrt in der Kohl-Ära. Ganz Deutschland? Nein (- mal ganz davon abgesehen, dass die Ära Kohl sich erst in einigen Jahren auf ganz Deutschland ausweiten würde): Die Einwohner eines kleinen Dorfes, genannt Kreuzberg, auf einer großen Insel namens Berlin leisten tapfer Wiederstand gegen Kapital-, Imperial-, Mach- und sonstige -Ismen.
1987 ist das Jahr der ersten Straßenschlacht am 1. Mai in Kreuzberg, und es ist das Jahr, in dem Bonnie aus der schwäbischen Provinz sich auf den Weg macht in die große Stadt, um in einer WG mit sechs weiteren Frauen das zu leben, was sie daheim nicht konnte: die Weltverbesserung im Kollektiv. Das Private ist politisch, der Alltag besteht aus Aktionen, zunächst gegen den IWF-Gipfel, und die Orientierung zwischen den Interessen der Gruppe, denen der Szene und nicht zuletzt den eigenen fällt nicht immer leicht. Doch die Welt scheint veränderbar, die Mühe nicht umsonst. Gemeinsam finden sich Strategien gegen das allgegenwärtige Patriarchat wie gegen die Staatsmacht. Die Zeit des Aufbruchs scheint gekommen. Der Traum will gelebt werden.
Doch nach anfänglichen Erfolgen stellt sich heraus, dass das Leben in der WG im Ritterhof, nach dem sich die sieben Frauen »Ritterinnen« nennen, nicht nur dem Kampf gegen das System gewidmet sein kann – frau muss sich auch damit arrangieren, und sei es nur, um Geld für Essen zu verdienen. Was als gemeinschaftliche Putzkolonne beginnt, führt zu immer individuelleren Wegen der Selbstverwirklichung in Ausbildung und Beruf, wobei das Gruppeninteresse nicht immer gewahrt wird. Als die Maueröffnung den Weg zu billigen Einraumwohnungen im Osten frei macht, wird durch den Auszug nur noch realisiert, was in den Köpfen der Mitbewohnerinnen an Abgrenzung schon längst begonnen hatte, sei es im Namen der Esoterik oder der Kunst.
Barbara Teufel zeigt in diesem autobiographischen Film, gewoben aus Spielszenen, Interviews und Archivmaterial, ein lebendiges Bild der wilden Jahre in der autonomen Szene. Ihr deutlich subjektiver Blick, die Einigkeit der damaligen Akteure in der nostalgischen Sicht auf die gemeinsame Zeit trüben nicht den farbigen Eindruck über eine bestimmt nicht immer einige, aber lebendige Szene. Die kritische Distanz möge bitte, wer’s denn braucht, selbst mitbringen. Denn dieser dokumentarische Film ist weniger ein historischer korrekt notierter Aufriss der Ereignisse in den späten 80er Jahren als ein Album voller persönlicher Erinnerungsbilder, die ohne Zweifel einer gewissen Verklärtheit unterliegen.
Wenn es auch an reflexiven Auseinandersetzungen fehlen mag, findet sich zumindest einiges vom Lebensgefühl, vom Aufbruchs-Optimismus jener Jahre wieder, kontrastiert durch das Wiedersehen mit den Hauptfiguren im Interview, in dem die persönlichen Veränderungen ansatzweise sichtbar werden. Hier wäre zugegebenermaßen noch mehr Raum wünschenswert gewesen, um die weitere Entwicklung dieser Personen zu zeigen. Aber auch so gehört Die Ritterinnen zu den Filmen, die – gewollt oder ungewollt – in ihrem Blick auf Binnen-Exotik das Bild vom »Leben in Deutschland« vervollständigen und bereichern.