USA 1998 · 121 min. · FSK: ab 16 Regie: John Frankenheimer Drehbuch: J.D. Zeik Kamera: Robert Fraisse Darsteller: Robert De Niro, Jean Reno, Jonathan Pryce, Natascha McElhone u.a. |
Ein Amerikaner in Paris: Sam (Robert DeNiro) ist Söldner, ist »Ronin« – die japanische Bezeichnung für einen herrenlosen Samurai, über den Schande gekommen ist und der nun durch die Lande ziehen muß, um sich als Auftragstäter zu verdingen.
Sam wird von einem unbekannten Auftraggeber angeheuert, um in einem sechsköpfigen, internationalen Team bei der Erbeutung eines geheimnisvollen Koffers mitzuwirken. Sam und seine Mitstreiter haben keine Vergangenheit, haben kein
Leben jenseits der Arbeit und keine Moral. Es ist eine sprachlose, melancholische Existenz, in der es Vertrauen nicht geben darf, in der das wichtigste Unauffälligkeit, Verbergen von Persönlichkeit ist. Es ist eine Existenz in der ewigen Fremde.
Ein Amerikaner in Paris: Eigentlich ist Ronin eine Art Musical ohne Gesang. Das Leben von Sam und seinen Kollegen ist Choreographie: Selbst das Betreten einer Bar wird zur ausgeklügelten Nummer – Waffen verbergen, Fluchtwege präparieren; der Raum wird stets durch den Blick gesehen, welche Aktionen er ermöglicht. Die Bewegungen von Sam sind ökonomisch, präzise. Der Umgang mit jedem noch so unscheinbaren Gegenstand verlangt Respekt, Konzentration,
wie ein prop, ein Utensil, in einem Tanz von Astaire – eine umgestürzte Kaffeetasse kann in der Welt von RONIN schon zum gefährlichen Verräter werden.
Es scheint fast, als würden diese Menschen ihre dreckige Arbeit nur machen, um sich einmal richtig bewegen zu können. Denn wenn sie ihre (präzis durchchoreographierten) Aktionen starten, dann werden sie plötzlich raumgreifend. Ihre Pläne haben eine Extravaganz, ein Zuviel an Bewegung, das keiner kühlen Logik folgt.
Wenn sie in ihre Autos steigen – die ihnen die Rüstung der modernen Samurai sind – dann gibt es nur noch Geschwindigkeit und öffnen von Raum. Über dutzende Kilometer gehen die Verfolgungsjagden; Explosionen scheinen ständig Löcher ins Terrain reißen zu wollen.
Doch irgendwo kommt immer die Grenze, die Wand, die Sackgasse. Der Tod hat diese Menschen im Visier wie der verborgene Scharfschütze die Schlittschuhprinzessin Kirilova (Katarina Witt) bei ihrem Tanz auf dem
Eis.
Ein Amerikaner in Paris: Nach etlichen Jahren der Brotjobs und Fernseharbeit darf der alte Kämpe John Frankenheimer endlich einmal im Kino wieder so, wie er will. Und mit Ronin ist ihm dabei einen der europäischsten Hollywood-Filme des letzten Jahrzehnts gelungen. Ronin ist vor allem Hommage an die Meta-Thriller von Jean-Pierre Melville aus den 70er Jahren (Michael Lonsdales Figur in dem Film heißt nicht umsonst Jean-Pierre): Genre als
Steinbruch für Strukturen, Konstellationen, Bilder; als knapper, dichter Code und als surreale Welt von elementarer Reinheit.
Dabei hat er an der Oberfläche die Lesbarkeit des Films als Thriller gewahrt; hat die bizarren Details und klaren Fingerzeige auf die tiefere Ebene subtiler gesät als beispielsweise in seinen Klassikern The Manchurian Candidate oder Seconds.
Vielleicht Zeichen eines gereiften Altersstils. Hoffen wir, daß
uns bald Gelegenheit gegeben wird, das anhand eines weiteren Films von ihm zu überprüfen.