Hongkong 1999 · 93 min. Regie: Johnnie To Drehbuch: Yau Nai-Hoi Kamera: Cheng Siu-keung Darsteller: Andy Lau, Ching Wan Lau, Ruby Wong u.a. |
Schnelle Schnitte, artistische Kamerafahrten, modernistisch-frisches Design verbunden mit der fatalistisch-genussüchtigen Melancholie von Menschen, die mitten auf einem Vulkan mal tanzen, mal einfach nur in den Tag hinein warten – auf Nichts. Es ist diese Atmosphäre, fast möchte man sagen: dieser Denkstil, der die Filme aus Hongkong so faszinierend macht, der Film-Autoren wie Wong Kar-wei und John Woo ganz unabhängig von ihren Themen und Genres im letzten Jahrzehnt den Weg zu internationaler Wertschätzung ebnete.
Johnnie To ist für das Hongkong-Kino noch viel typischer als der Star Woo und der Outsider Wong Kar-wei. Im Gegensatz zu diesen ist To ein Repräsentant der lebendigen Filmindustrie seiner Heimat. Seine Filme – bis zu drei dreht er pro Jahr – sind in für unsere Verhältnisse unvorstellbar wenigen Tagen gedreht: wie die schnell hingeworfenen Skizzen eines Malers. An professioneller Disziplin fehlt es dabei so wenig wie an Experimentierfreude – im Gegenteil. Jeder Film ist anders, besitzt eine ganz eigene Stimmung, ist – auch schauspielerisch – bestimmt von einer wilden Lust am Ausprobieren und Spielen. Leichtigkeit herrscht vor: Die einzelne Szene ist nicht erfüllt von jahrelanger Gedankenarbeit oder dem Gewicht vieler Dollarmillionen – wie oft im westlichen Kino.
Alle diese Tugenden prägen auch Running Out of Time. Der Film konzentriert sich fast völlig auf seine zwei Hauptakteure: Lau Ching Wan und Andy Lau spielen den lebensklugen Cop und den guten Gangster, deren Schicksal untrennbar verwoben ist. Unter anderen Umständen könnten sie Freunde sein, aber der Zufall hat sie zu Jäger und Gejagtem gemacht, und am Ende des Films wird einer von ihnen tot sein. Diese klassische Konstellation bildet den Ausgangspunkt zu einer Geschichte, in der es darum geht, wie der Gangster versucht, das Blatt zu wenden. Todkrank hat er den Cop zum Gegenpart – Opfer und Partner zugleich – seines letzten Katz-und-Maus-Spiels auserkoren, mit dem er sich furios von der schnöden, korrupten Welt (des gegenwärtigen Hongkong) verabschiedet. Denn unter der Oberfläche geht es hier auch um eine Welt im Wandel, die ehemalige Kronkolonie, die zwischen alten und neuen Machthabern, zwischen Korruption des Establishments, aufstrebenden neuen Eliten und dem zweideutigen Erbe der Vergangenheit hin und hergerissen ist. Die tödliche Krankheit des Gangsters Wah ist hier zum einen resignierte Reaktion auf Verhältnisse, die nicht zu heilen sind, zum anderen auch die Darstellung dieser Verhältnisse selbst. 24 Stunden strahlt die Metropole im gleißenden Neonlicht, doch darunter herrscht Nacht, und dass die Zeit abläuft, die der Titel behauptet, ist auch als moralische Diagnose gemeint – ein Gesellschaftsportrait, das nicht nur für Hongkong zutreffen muss.
Zwei einsame gerechte Ritter, sie treffen sich und müssen sich wieder verlassen, so geht es hin und her, eine Liebesgeschichte eigentlich, zu der noch eine geheimnisvolle Frau stößt. Doch so schön diese Welt in all ihrer Bosheit auch sein mag, sie hat es, sagt der Film, trotzdem verdient, dass man sie verlässt: das alles könnte auch von Jean-Pierre Melville sein, oder von John Ford: Mythisch, ironisch, sentimental – insgesamt ganz wunderbar.