Frankreich/B 2022 · 103 min. · FSK: ab 6 Regie: Franck Dubosc Drehbuch: Franck Dubosc Kamera: Ludovic Colbeau-Justin, Dominique Fausset Darsteller: Franck Dubosc, Louna Espinosa, Jean-Pierre Darroussin, Marie-Philomène Nga, Karina Marimon u.a. |
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Fremder unter Fremden | ||
(Foto: NEUE VISIONEN) |
Schon mit seinem Regiedebüt fiel der vielbeschäftigte Schauspieler Frank Dubosc 2018 auf. Seine Roromcom war eben nicht nur eine Romcom, sondern eine romantische Rollstuhl-Komödie, der es zwar immer wieder an dem nötigen Biss fehlte, die aber dennoch dann und wann politische Korrektheit links liegen ließ und Spaß machte.
In dieser Feelgood-Grauzone bewegt sich auch Duboscs Rumba-Therapie, in der Dubosc erneut hinter und vor der Kamera aktiv ist. Er spielt den Schulbusfahrer Tony, der mit seinem Leben nicht sonderlich zufrieden ist und als Einzelgänger in Cowboystiefeln erst dann sein Leben neu ordnen möchte, als er einen Herzinfarkt erleidet. Das ist nicht sonderlich überraschend und ziemlich vorhersehbar, ist diese Geschichte doch schon ungezählte Male erzählt worden. Aber wie so oft kommt es natürlich auf das Wie und nicht das Was an.
Dubosc nimmt sich im Kern den Tanzfilm zu Hilfe, der ja bei charakterlicher Weiterentwicklung und Neubesinnung schon immer Großartiges geleistet hat – erst vor kurzem war wieder Soderberghs Magic Mike an der Reihe und dann gibt es natürlich die vielen großen Klassiker, in der Tanz die beste aller Therapien ist, von Dirty Dancing bis zu Flashdance, Billy Elliot und Baz Luhrmanns Strictly Ballroom und natürlich den tollen Pennies from Heaven mit Christopher Walken.
In Duboscs Komödie ist es Tonys Tochter Maria (Louna Espinosa), die Tony zum Tanz und einen neuen Menschen führt. Denn im Angesicht des Todes will er wenigstens den Menschen kennenlernen, der irgendwie das einzige in seinem Leben ist, das funktioniert hat, den er aber durch seine radikale Trennung von der Mutter nie kennengelernt hat. Maria lebt als Tanzlehrerin in Paris und dort schreibt er sich dann auch inkognito für ihre Stunden ein. Das ist natürlich nicht so einfach, wie es sich anhört, da er die ersten Tanzschritte glaubt nur über seine Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga) meistern zu können, die für ihn als Kongolesin den Rhythmus im Blut hat.
Diese Rollenkonstellation gibt dem Film die Möglichkeit sein Spektrum angenehm zu erweitern, geht es nicht nur um eine Vater-Tochter-Zusammenführung im gnadenlosen Spiegel fast unvereinbarer französischer Gesellschaftsschichten, sondern auch um altgediente Rassismen und den weiten Weg, den die französische Gesellschaft schon gegangen ist und auch darum, wie man Vorurteile und überkommene Stereotypen lebenspraktisch abbauen kann. Das ist ganz im Einklang mit den zahlreichen französischen Komödien der letzten Zeit, die versuchen, die gesellschaftliche Binnenkrise mit sozialmärchenhaften Geschichten zu therapieren und die gesellschaftlichen Randzonen in der sozialen Mitte zu integrieren, sei es Claude Zidi Jr.s Tenor, in Sylvie Ohayons Haute Couture oder Louis-Julien Petits Küchenbrigade.
Doch in Duboscs Rumba-Therapie wird man gleich noch eines weiteren belehrt: Dass es dann doch nicht immer peinlich sein muss, wenn der französische Großschriftsteller Michel Houellebecq vor der Kamera auftaucht. Hatte er im letzten halben Jahr durch seinen Ausflug ins vermeintliche Pornofilm-Metier eher negative Kritiken gesammelt, ist seine Rolle als Herzspezialist in der Rumba-Therapie ein großer, selbstironischer Spaß.
Und dann gelingt es Dubosc nach ein wenig zu viel vorhersehbarem Vater-Tochter-Hin-und-Her mit den Szenen auf dem Blackpool Dance Festival doch noch für ein wenig mehr Beklemmung und Tiefe zu sorgen, indem er andeutet, dass selbst die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit nicht immer ausreichend ist, um einen neuen Menschen zu schaffen. Um den es dann ja eigentlich auch nicht geht, sondern vielmehr darum, sich überhaupt auf den Weg gemacht zu haben.