Chile 2003 · 65 min. · FSK: ab 6 Regie: Matías Bize Drehbuch: Julio Rojas, Paula del Fierro Kamera: Gabriel Diaz Darsteller: Blanca Lewin, Victor Montero, Antonia Zegers, Diego Muñoz u.a. |
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Nackte Tatsachen am Hochzeitstag |
Ein Film, eine Einstellung, kein Schnitt, alles also in Echtzeit. Das ist schon formal überaus aufregend, und schließt vor allem an die letzten Filme von Mike Figgis (Leaving Las Vegas) an, der mit Time Code etwas Ähnliches unternahm.
Sabado, das Debüt des Chilenen Matías Bize, kommt auf den ersten Blick daher wie ein privates Hochzeitsvideo, das sich aus Versehen auf die Kino-Leinwand verirrt hat. Man erlebt eine Hochzeitsfeier nonstop. Aber was für eine Hochzeitsfeier!
Nach fröhlich konventionellem Beginn eskalieren die gutbürgerlichen Verhältnisse, und man erinnert sich an Thomas Vinterbergs gefeierten Festen, wo auch ein heiteres Familientreffen aus dem Ruder läuft, verborgene Konflikte und Lebenslügen aufbrechen. Immer schaut die Kamera hin, noch die peinlichsten Augenblicke werden gnadenlos enthüllt. Auch atmosphärisch erinnert Sabado an Vinterbergs Hochdruckkino. Schnell, an der Grenze zur Hysterie lässt der Regisseur seine Figuren aufeinanderprallen, bringt er Konflikte zum Überkochen. Denn die Braut Blanca entdeckt, dass ihr frischgetrauter Gatte Victor kürzlich erst die Nachbarin Antonia geschwängert hat. Sie beschließt, sich zu rächen und demontiert die verlogenen Verhältnisse.
Das mag auch auf speziellen Latino-Machismo gemünzt sein, hat aber auch für ein deutsches Publikum viel Sprengstoff und eine Menge Unterhaltung zu bieten. Denn natürlich geht es in um grundsätzlichere Fragen der Geschlechtermacht, aber vor allem wie in einem Drama von Ibsen oder Strindberg oder einem Bergman-Film um Lüge und Wahrheit im Leben. Zugleich bietet Sabado eine kluge und formal interessante, dabei ganz klassische (»Einheit von Zeit und Raum« forderte schon Aristoteles – Reflexion) über die Zeit. In ihrem Cinema-Verité-Anspruch erinnert sie ans Dogma-Kino, doch ist Sabado noch wilder: Melodram und schrille Satire, gespielt von sehr bekannten (und sehr guten) chilenischen Darstellern. Für seine Direktheit, seine Unkonventionalität und seinen Mut gewann der Film bereits mehrere Preise, unter anderem in Deutschland treffender Weise den »Rainer Werner Fassbinder-Preis« beim Filmfestival von Mannheim.
Sabado bietet gute Unterhaltung und ein paar, nicht nur ironisch gemeinte Einsichten, wie etwa Blancas resigniertes Resümee über »die Männer«: »Da gibt es die Netten, die immer abspülen und die deine Mutter wirklich mag, aber dich unsicher machen. Dann gibt es den Mr. Cool, die Machos, die Psychopathen, der Schrecken deiner Eltern, die dich bei jeder Gelegenheit betrügen, aber bei denen du dich geborgen fühlst.«