USA/Südafrika 2012 · 115 min. · FSK: ab 16 Regie: Daniel Espinosa Drehbuch: David Guggenheim Kamera: Oliver Wood Darsteller: Denzel Washington, Ryan Reynolds, Vera Farmiga, Brendan Gleeson, Sam Shepard u.a. |
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Erlösung durch Ernüchterung |
Waterbording, Isolationshaft, Scheinhinrichtungen, Auftragsattentate – man weiß, was der amerikanische Geheimdienst im Namen von Demokratie, Menschenrechten und des »Krieg gegen den Terror« so alles tut. In Safe House kann man es auch sehen. Man kommt so um die dreißigste Minute dieses Films aus dem Staunen nicht heraus, was für ein abgründiges, düster-illusionsloses und leider allzu-wahres Bild der eigenen Seite selbst in einem Mainstream-Unterhaltungsfilm wie diesem inzwischen möglich geworden ist. Denn dies sagt natürlich alles über das Niveau an Desillusionierung, das ein Hollywoodstudio beim anvisierten Publikum voraussetzt. Man sieht da zum Beispiel, wie ein Mann, der sich immerhin selbst bei der US-Botschaft in Kapstadt gestellt hat, in ein Safe House, ein mit Hochsicherheitstechnologie abgeriegeltes Geheimgefängnis, gebracht und dort nach allen Regeln der Folterkunst »vernommen« wird. Keiner der Verhörenden, noch ihre per Satellit vom CIA-Hauptquartier Langley zugeschalteten Vorgesetzten bekommt vom Drehbuch einen humanen Dialogsatz gegönnt. Sondern es ist glasklar, dass hier Manager der Macht mit amoralischer Effizienz über Leichen gehen, auch die der eigenen Leute – was ganz wörtlich zu nehmen ist, denn bald entpuppt sich das Safe House als Falle und wird von einstweilen unidentifizierbaren Schurken blutig gestürmt.
Von nun an wird das Hollywooddebüt des schwedisch-chilenischen Jungregisseurs Daniel Espinosa zu einem konventionelleren Katz-und-Maus- Verfolgungs-Thriller, dessen wesentliche Plotpoints einigermaßen leicht zu erraten sind – allerdings kann man den Film bis zum Ende gut anschauen. Er handwerklich sehr gut gemacht und abwechslungsreich. Die Helden im Spiel sind der junge und etwas blauäugige CIA-Agent Matt Weston (Ryan Reynolds), der als Wächter des Safe House bislang ein eher ödes Dasein führte, und für den nun die Stunde der Bewährung geschlagen hat. Er konnte sich und den Gefangenen Tobin Frost (Denzel Washington), das zur peinlichen Befragung vorgesehene »Paket«, beim Überfall geschickt in Sicherheit bringen, muss nun aber vor der Mörderbande ebenso fliehen, wie vor einem offenbar existierenden Verräter im eigenen Lager. Und nicht zuletzt muss er dafür sorgen, dass ihm sein Gefangener nicht abhanden kommt. Frost ist für alle Seiten gefährlich, denn er ist ein Aussteiger, der heute auf eigene Rechnung arbeitet, und in der Vergangenheit mehrfach Staatsgeheimnisse an den Meistbietenden verkauft hat. Jetzt besitzt er eine nur ihm bekannte Liste mit den Namen geheimer Überläufer. Frost ist aber auch einer der besten Kenner des Geheimdiensthandwerks – so wird das lebensgefährliche erzwungene Miteinander für Weston auch zu einer Praxisschule im Schnelldurchlauf. »Ist das legal?« – die Frage stellt man besser nicht, und wenn einem der Vorgesetzte sagt, »Das war ausgezeichnete Arbeit, aber wir übernehmen das jetzt«, dann so Frost grinsend, »dann wissen Sie, dass Sie am Arsch sind.«
Washington spielt diesen Frost mit seinen Anekdoten aus dem Leben eines Staatsdieners sardonisch, grinsend, mit der Überlegenheit des desillusionierten Herrschaftswissens eines Mannes, der nicht mehr enttäuscht werden kann, weil er nichts mehr erwartet, aber immer noch einen Joker im Ärmel hat. Oder wenigstens eine Liste mit Verräternamen. Seine Begegnung mit Weston ist für diesen nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein moralischer Stresstest auf höchstem
Niveau.
Was den Machern klar ist, ist, dass der einzelne Bürger, der im klassischen Studiokino und selbst im »New Hollywoodfilm« immer noch allein gegen alle siegen konnte, vorausgesetzt er ist unbestechlich und das Herz sitzt am rechten Fleck, heute vom Staat und seinen Institutionen nur Schlechtes zu erwarten hat. Hoffen kann er einstweilen immerhin noch auf die Öffentlichkeit, deren virale Verbreitungsmechanismen zu schnell sind für alle Vertuschungsversuche. Vor der
Kulisse der chaotischen südafrikanischen Megacity erzählt Espinosa eine Geschichte der Erlösung durch Ernüchterung und empfiehlt sich damit, wie seine Hauptfigur für höhere Aufgaben.