D/F/Serbien-Montenegro 1998 · 130 min. · FSK: ab 6 Regie: Emir Kusturica Drehbuch: Gordan Mihic Kamera: Thierry Arbogast Darsteller: Bajram Severdzan, Srdan Todorovic, Branka Katic u.a. |
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Zigeunerhochzeit |
Emir Kusturica hatte schon immer ein Faible für Außenseiter der Gesellschaft. Ob das in Arizona Dream Johnny Depp und Vincent Gallo waren, Untergrundkämpfer in einem Kellerversteck in Underground oder seine favorisierte Gruppierung, die Zigeuner, die ihn seit Beginn seiner Karriere nicht mehr loslassen. Das sympathische an Kusturicas Filmen ist dabei, daß er jene Sonderlinge nie als etwas absonderliches zeigt, bei ihm sind sie symphatische Helden, die die Filme tragen. Auch in seinem neuesten Werk Schwarze Katze, weißer Kater stehen die Zigeuner im Mittelpunkt. Geplant war der Film ursprünglich als Dokumentation über Musiker, die auf Zigeunerhochzeiten spielen. Bald merkte Kusturica, der nach den heftigen Diskussionen um sein letztes Werk Underground, beschlossen hatte keine Filme mehr zu drehen, jedoch, daß ihn der Stoff so sehr reizte, daß er einen abendfüllenden Spielfilm entwickelte, der sich um eine Hochzeit und die dazugehörigen Musiker dreht:
Der Kleinganove Matko hat sich von dem großspurigen Ganster Dadan, mal wieder übers Ohr hauen lassen. Da er seine Schulden nicht bezahlen kann, willigt er auf Dadans Vorschlag ein, dessen kleinwüchsige Tochter mit seinem Sohn Zare zu verheiraten. Von diesem Vorschlag sind jedoch weder Großvater Pitic, noch die Brautleute selbst begeistert, da ihnen beiden jeweils andere Partner vorschweben. Die Hochzeit findet jedoch statt, kompliziert wird die Sache erst als der Pate der Dorfgemeinschaft mit seinen ebenfalls heiratsfähigen Enkeln auftaucht. Dazu gibt es Probleme mit der Zigeunertradition, da niemals Hochzeit und Todesfall (und auch hiervon gibt es plötzlich einige) gleichzeitig gefeiert werden dürfen. Am Ende wendet sich alles zum Guten, die Bösen werden bestraft und ein glückliches junges Paar verläßt die Dorfgemeinschaft in eine unbekannte Zukunft.
Die Gemeinschaft des Dorfes steht in Schwarze Katze, weißer Kater im Mittelpunkt. Einflüsse von Außen sind unübersehbar, besonders die Gangster schmücken sich mit westlichen Symbolen, es gibt hier jedoch eine klare Rangfolge in der Gangsterhierarchie und die Tradition wird hochgehalten. So findet das ganze Dorf bei der Hochzeit zueinander und die traditionellen Regeln sind noch allen Bewohnern bekannt. Mit der Wahl dieser abgeschlossenen Gemeinschaft als Hintergrund seines Films, hat Emir Kusturica es auch geschickt geschafft sich auf ein Terrain zu begeben bei dem er sich jeder politischen Stellungnahme enthalten kann. Keine Anzeichen vom jugoslawischen Bürgerkrieg und keine Anspielungen auf sonstige politische Themen sind dem Film anzumerken. Damit umgeht Kusturica von vornherein jene Kritik, die ihm nach Underground so vehement zugesetzt hatte.
Verweise finden sich stattdessen auf westliche, oder genauer amerikanische, Manierismen, die besonders den Gangstern anhaften. Mehrfach zitiert Kusturica das Ende von Casablanca, das der Pate des Dorfes immer wieder aufnimmt. Auch die Kleidung, die Autos, Waffen und die dazugehörigen Drogen der Gangster zeigen eine deutliche Anleihe an amerikanische Filmhelden. Mag sein, das dies der Realität inzwischen entspricht, im Gegensatz zu der Dorfgemeinschaft wirken diese Attribute aufgesetzt und völlig fehl am Platz. Emir Kusturica scheint wahrhaft ein Anhänger des Traditionellen zu sein, dem diese Neuerungen deutlich mißfallen. Jene Tradition wird besonders durch die Musiker dargestellt, die den ganzen Film über auftauchen und die Handlung mit traditionellen, rhythmischen Liedern vorantreiben. Daraus entwickeln sich (fast schon klassische) Musiknummern, die Kusturica in überbordenden Bildern zeigt. So läßt er sich viel Zeit für den Auszug aus dem Krankenhaus, in dem der Großvater von seinem Neffen und eben jener Band abgeholt wird und in einer Prozession in das Dorf zurück kommt. Zu diesen klassischen Musikeinsätzen gesellen sich in Schwarze Katze, weißer Kater aber auch moderne Musiknummern in Videoclipästhetik. So kommt der Ganove Dadan zweimal zu Auftritten mit seiner Erkennungsmelodie Pitbull-Terrier, die in die Handlung eingebettet sind, und in denen er die Liedstimme singt, während seine Gespielinnen den Refrain übernehmen. Am weitesten Entfernt sich der Film von der traditionellen Zigeunermusik bei einer weiteren Szene mit Dadan, in der ein englischsprachiges Lied der Boygroup No Mercy eingespielt wird.
Neben diesen Musiknummern gibt es auch sonst viele kleine pitoreske Einstellungen zu bewundern. Kusturica kann sich auch hier nicht dem Rausch der Bilder entziehen und bringt viele Nebenhandlungen oder völlig alleinstehende Episoden mit in den Film. Am auffälligsten ist hierbei eine immer wiederkehrende Episode, in der ein Schwein im Verlauf des kompletten Films ein ausrangiertes Auto auseinandernimmt. Trotz dieser Bildüberflutung schafft Kusturica es jedoch eine Handlung erkennen zu lassen und am Ende alle Fäden ineinander laufen zu lassen.