USA 2001 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Frank Oz Drehbuch: Kario Salem, Lem Dobbs, Scott Marshall Smith Kamera: Rob Hahn Darsteller: Robert De Niro, Edward Norton, Marlon Brando, Angela Bassett u.a. |
Die mean streets von New York sind weit. Ein kleines Stück davon hat Nick Wells, hat Robert De Niro, sich gerettet: »NYC« heißt der Club, den er betreibt im braven, sauberen, kanadischen Montreal. Aber auch in diesem Club ist alles so edel und wohlgereift wie der Jazz, der dort gespielt wird. Die bekannte Leier: Nick will eigentlich seine Verbrecherkarriere beenden, sich ganz seiner Freundin Diane (verschenkt: Angela Bassett) widmen. Da bietet sich dem alten (Panzer-)Knacker noch eine letzte, ganz große Gelegenheit: Als einziger kann er ein geschmuggeltes Zepter aus dem Zollhaus von Montreal holen; als Lohn winkt ein für immer gesicherter Lebensabend. Wenn Nick bereit ist, zwei seiner Grundregeln zu verletzen: Arbeite immer allein; arbeite niemals dort, wo Du lebst. Die wichtigste aller Regeln aber ist: Lass Dir Zeit, gehe keine Risiken ein. Man darf nicht zu viel wollen auf einmal, erklärt Nick seinem jungen Partner Jack (Edward Norton). Es ist dieses Motto, das auch der Film stets beherzigt: The Score ist, höflich ausgedrückt, äußerst gediegenes Kino. Frank Oz, bei seinen ersten Tapsern außerhalb des Komödien-Genres, läßt niemals die Zügel schiessen. Und die Bilder glänzen wie unter einem Hauch von Politur.
The Score ist klassischer heist-movie, Safeknacker-Film in braver Rififi-Nachfolge. Ganz methodisch begleitet er die Vorbereitung und Durchführung des Coups – bei dem ehrliches Handwerk goldenen Boden hat: Die nötige elektronische Schützenhilfe liefert ein hysterisches Muttersöhnchen; wahre Männer wie Nick verlassen sich auf handgedrechselte Werkzeuge und Newtons Physik. (Mit der der Film auch etwas mogelt – was nicht deswegen enttäuscht, weil Film irgendwas mit Realität zu tun haben müsste, sondern weil zum heist-movie eben auch besonderes Raffinement gehören sollte im Austüfteln der Überwindungsstrategien für die Sicherheitsvorkehrungen.)
Für Nick scheint das Hantieren mit seinen Gerätschaften ohnehin erotischer zu sein als seine Freundin. Die bleibt Staffage – alles Wichtige verhandeln hier drei Männer unter sich. Und strafen dabei die Grundthese des Films Lügen: Marlon Brando (als Nicks Hehler) gibt sich mal weniger als Selbstkarikatur denn üblich, doch sein rebellischer Funke weicht dabei vollends einer großen Müdigkeit. De Niro – oft ohnehin von Tarnkluft verhüllt – wird nichts Neues abverlangt, und so kann er durch seinen Part Schlafwandeln, ohne dass es sonderlich unangenehm auffällt. (Man könnte dem Film Selbstreflexivität unterstellen, dass er De Niro als Profi darstellt, der möglichst ohne Risiko sein Altenteil sichern will.) So bleibt es Edward Norton überlassen, wenigstens etwas jugendliche Frische und Ungeduld in den Film zu bringen. Weil was für Safeknacker gelten mag, für die Kunst noch lange nicht gilt: Wer da nicht viel will und nicht viel wagt, bringt es nicht weit.
Zuletzt schien es, als wären die klassischen Gangster ausgestorben. Hinter den Schurken, die gleich die ganze Welt beherrschen wollten, den im Dutzend auftretenden perversen Serienkillern, hinter korrupten Polizisten, aber auch den Mafiosi mit Psycho-Problemen und den liebenswert humorvollen Killern der letzten Jahre, die eigentlich vom Häuschen im Grünen träumen oder zumindest mit flott-coolen Sprüchen immer für ein paar Lacher gut sind, verschwanden die Verbrecher alten Schlages fast völlig aus dem Kino der Gegenwart. Kaum noch einer, der einfach nur Kohle machen will, der vom großen Coup träumt, ohne ein Komödientrottel oder ein Psychopath zu sein. Nur satirisch und doppelt durch die Reflexionsschraube gedreht, durfte man ihn noch manchmal erleben, zuletzt in Where the Money Is (Ein heißer Coup), in dem Paul Newman weise und gewitzt den alten Typus und damit zugleich sich selbst zitiert.
Aber einst gab es sie zuhauf, die charmanten Räuber und sympathischen Gangster, die professionell und lässig zugleich waren. Gewalt hatten sie kaum nötig und auf Frauen wirkten sie verführerisch – beides aus dem gleichen Grund: weil sie eine rebellische Überlegenheit über die bürgerliche Gesellschaft verkörperten, die sie beraubten. Zu ihren Taten gehörte fast immer eine Lust am Wettkampf mit dem System, etwas Spielerisches, ein aristokratischer Sportgeist, der
unbedingt auch von einem Ehrenkodex begleitet war, und vom Bewusstsein der eigenen Grenzen.
Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass diese Vorstellung nur ein Kino- und Romanmythos ist, der genau in Roman und Kino in den letzten zwei Jahrzehnten gründlich dekonstruiert wurde, und darum mit jener Gesellschaft verschwinden musste, der er entstammt.
Wenn dies zuträfe, wäre The Score von Frank Oz vor allem ein nostalgischer Film. Denn unverhohlen feiert er die alten Mythen, bedient die Erinnerungen des Publikums an eine Zeit, als es noch »gute Gangster« gab. Und als Professionalität noch geschätzt wurde. Gleich zu Beginn wird einem die Hauptfigur Nick Wells als ein Safeknacker vorgestellt, der sein Handwerk versteht. Zunächst sieht man, wie er sich an einem Geldschrank zu schaffen macht. Als er gestört wird, dann sogar erwischt, lernt man in diesem Fachmann zugleich den Improvisationskünstler kennen, der er ist.
Konsequent und kühl erledigt er seinen Job, klar und cool setzt die Musik von Howard Shore ein – elegante jazzige Töne, die den Helden auf seinem Heimweg von der Arbeit begleiten; Handwerkszeug und Beute werden verstaut, man befindet sich im kanadischen Montreal, nicht zufällig einem Ort wo Europa und Amerika sich treffen. Indem diese Exposition so deutlich auf die Starpower Robert de Niros setzt, seine Ausstrahlung durch die Inszenierung noch steigert, ist klar, dass man zumindest in eine Punkt vor Überraschungen gefeit ist: man kennt jetzt den Good Guy.
Auch wenn er sich im richtigen Leben als Nachtclubbesitzer tarnt, und davon träumt, seine kriminelle Laufbahn zu beenden, bleibt er doch ein Gangster alten Schlages. Einem, der ihm Probleme macht, schickt er schon mal einen seiner Leute mit dem Baseballschläger ins Haus – auch hier überwiegen traditionelle Methoden. Regisseur Oz inszeniert solche und andere Momente aber erstaunlich schonend. Brutalität wird nur angedeutet, und insgesamt ist The Score recht gewaltfrei. Auch der Humor bleibt gedämpft, dient kaum dazu, vom Ernst des Geschehens abzulenken. Weil Oz beides für seine Geschichte gar nicht nötig hat.
Fast der gesamte Film dreht sich eigentlich nur um eines: Ein altes französisches Königsszepter soll aus einem hochgesicherten Gebäude gestohlen werden. Dazu muss Wells sich mit dem jungen, etwas zwielichtigen Jackie Teller zusammentun, und dabei seine zwei ehernen Regeln verletzten: immer allein zu arbeiten, und nie in der Stadt, in der er lebt. Vor allem das Machtspiel zwischen dem Älteren und dem Jungen, der Kampf Tellers um Anerkennung und Gleichberechtigung, der
Versuch Wells', sich als der Erfahrenere zu behaupten, und als derjenige, der dem Anderen letztlich immer noch einen Schritt voraus ist, prägen den Film. Der alte Vater-Sohn-Konflikt, hier einmal im Gangstermilieu. Robert de Niro und Edward Norton bietet dieser Plot viel Gelegenheit, ihre Kunst zu zeigen. Und während de Niro dabei vor allem (auf hohem Niveau) Bekanntes abliefert, überrascht Norton ein weiteres Mal mit brillanten Momenten, mit sekundenschnellen Stimmungswechseln,
nicht nur dort, wo er sich in der Rolle des Gangsters als Spastiker verstellt, sondern auch als nervöser, latent hysterischer New-Economy-Krimineller, der seine Taten am liebsten vom Laptop aus erledigt.
Hinter diesen beiden bleiben die eher kurzen Auftritte von Marlon Brando (als alter Auftraggeber von Wells) und Angela Bassett (als seine Geliebte) auffallend blaß. Vor allem der Part von Filmlegende wirkt kaum mehr als ein Cameo, eine augenzwinkernde Erinnerung: »Ich bin noch
da«, die beim Zuschauer primär Wehmut hinterlässt.
Und auch die Story selbst verspricht mehr, als sie hält: Indem The Score die Schwere und Mühe der Gangsterarbeit betont, und damit gegenüber vielen anderen Filmen vom Schlage Mission: Impossible I & II (in dem das Eindringen in Hochsicherheitsräume immer in Sekundenschnelle vollzogen war) realistisch bleibt, dauert alles auch etwas lang. Wie sein Held hat der Film die Ruhe weg, bleibt immer cool und groovy, auch wenn die Beschleunigung am Ende im Kontrast zur vorherigen Langsamkeit um so stärker wirkt. Trotzdem fehlt die Spannung, denn allzu vorhersehbar sind die Überraschungen und Täuschungsmanöver am Ende, die Erinnerung, das Verbrechen keine Freundschaft verträgt.
So konzentriert sich das Vergnügen auf das Lob der kleinen Dinge, dass dieser Film enthält, seine genauen Beobachtungen, die auch die Mechanik des Gangsterhandwerks mit einschließt. Man freut sich an einer Atmosphäre aus einem Guß, deren Bruchlosigkeit durch Shores Musik und Rob Hahns flüssig-sanfte Kamera noch verstärkt wird. Und man genießt das Easy Going de Niros/Wells, in dem der Film den letztlichen Sieg des Mechanikers über den Computerfreak feiert, der Old Economy über die New Economy. Darin mag man sogar etwas ganz Zeitgemäßes entdecken. Ansonsten ist The Score tatsächlich schöne Nostalgie.