Deutschland/F 2018 · 93 min. · FSK: ab 16 Regie: Sven Taddicken Drehbuch: Sven Taddicken Kamera: Daniela Knapp Darsteller: Maximilian Brückner, Luise Heyer, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer, Aurel Manthei u.a. |
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Die vermeintliche Totschlagkraft des Alltäglichen |
Schon in Sven Taddickens letztem Film, der Adaption des gleichnamigen Romans Gleißendes Glück von A. L. Kennedy stand ein Paar im Zentrum des Geschehens, das um so etwas wie Beziehungsidentität und -glück ringt, aber letztendlich durch den Einbruch von interner Beziehungsgewalt vor dem Nichts steht.
Taddickens neuer Film Das schönste Paar variiert diese Versuchsanordnung auf fast allen Ebenen, ohne dabei die subtile Fokussierung auf den Komplex »Gewalt in Beziehungen« aufzugeben. In Das schönste Paar ist das Paar noch jung, beide sind Lehrer und haben auch sexuell Spass miteinander, es ist eine glückliche Beziehung, die – anders als in Gleißendes Glück – auch auf verbaler Ebene funktioniert. Die Gewalt bricht deshalb auch nicht von innen, sondern von außen in die Beziehung ein, gleich am Anfang des Films, als Liv (Luise Heyer) und Malte (Maximilian Brückner) gerade im Urlaub auf Mallorca sind. Eine Gruppe junger deutscher Männer dringt in die Ferienwohnung von Liv und Malte ein und Liv wird vor Maltes Augen von einem der Männer vergewaltigt.
Anders als in Michael Hanekes Funny Games, in der eine ähnliche Konstellation Auftakt zu einer Spirale sinnloser Gewalt ist, setzt Taddiken einen harten Schnitt, entfernt sich vom experimentellen Charakter Hanekes (und auch seines letzten Films) und zeigt Liv und Malte zwei Jahre später. Beide haben sich gegen den Gewalteinbruch in ihre Beziehung gewehrt: Malte hat Boxunterricht genommen, Liv beendet gerade einen therapeutischen Prozess. Die Wunden scheinen verheilt, die Beziehung ist wieder alltagstauglich. Als Malte jedoch eines Tages den Täter von damals auf offener Straße erkennt, bricht die Vergangenheit für beide erneut in ihr Leben und beansprucht mehr Raum, als die Beziehung im ersten Moment tragen kann.
Taddicken folgt in hartnäckigen, nüchternen Einstellungen diesem Ringen eines Paares, nicht nur um ihre Beziehung, sondern auch um ihre eigene Glaubwürdigkeit. Denn Liv muss schnell erkennen, dass sie mit ihrem therapeutischen Prozess, der versucht das Trauma durch Alltag zu ersetzen, an einem ähnlichen Punkt angelangt ist wie Janne in Eva Trobischs Alles ist gut. Auch Janne versuchte ja, über die vermeintliche Totschlagkraft des Alltäglichen ihr Vergewaltigungstrauma zu bewältigen und scheitert daran ebenso wie auch Liv daran zu scheitern droht.
Taddicken gibt seiner Liv jedoch mehr Zeit, um eine Lösung zu finden und stellt ihr vor allem noch einen Partner an die Seite, der ebenfalls erkennen muss, dass seine Krisenstrategien sich nicht so umsetzen lassen wie erwartet, der an der Umsetzung seiner Rächer-Fantasien um so mehr zu zweifeln beginnt, desto näher er dem Täter von damals und dessen Alltag kommt.
Taddicken überzeugt in seiner dichten Inszenierung vor allem deshalb, weil er sich jeder eindeutigen Lösung des Problems verweigert und sich stattdessen mit seinen überragend aufspielenden Protagonisten auf die beklemmende Suche nach einer Lösung begibt, die nie ganz stimmig sein wird, sein kann, die von Verfehlungen ebenso geprägt ist wie von Erfolgen.
Überzeugend ist Das schönste Paar aber auch durch seinen Rahmen, die Alltagserzählung, in die die Binnenerzählung, das persönliche Drama, eingebunden ist. Sowohl die Schulszenen als auch die beklemmenden Raumwechsel zwischen »Täter- und Opferwohnung« im Köln-Bonner-Raum markieren auf eindrucksvoll ernüchternde Weise nicht nur das psychologische Profil der Beteiligten, sondern deuten sogar noch etwas viel Spannenderes an – eine psychosoziale Komponente, die Taddickens klugen Film konsequent über die persönliche Tragödie hinaushebt zu einem Film, der auch eine wichtige, aufregende Geschichte über die weiterhin existierende Manifestierung sozialer Klassen in Deutschland erzählt.