USA 2000 · 116 min. · FSK: ab 16 Regie: Wes Craven Drehbuch: Kevin Williamson, Ehren Kruger Kamera: Peter Deming Darsteller: David Arquette, Neve Campbell, Courteney Cox, Patrick Dempsey u.a. |
Für die Erkenntnis, dass der Horror der eigenen Vorstellungswelt der schlimmste ist, hätte es Wes Cravens Scream nicht bedurft. Der Reiz seiner, nun mit Scream 3 vollendeten Trilogie besteht denn auch weniger im klassischen Muster vom Jäger und Gejagten, vom Serienkiller, der, einem nur ihm selbst erschlossenen Muster folgend, sein Spiel mit den Opfern treibt und von der verfolgten, zunehmend traumatisierten Unschuldmit Sidney Prescott (Neve Campbell) einmal mehr jung, weiblich, ledig...
Trotz aller, besonders mit raffinierten Toneffekten gesteigerten Thrillerspannung ist das wichtigere und spezifische Element von Screamdie immer weiter gedrehte Spirale der Selbstreferenz. »Was ist Dein Lieblingshorrorfilm?« so beginnt der auch im folgenden permanent fragende Killer zum Auftakt des ersten Teils sein blutiges Werk. Wer »wrong answer« zu hören bekam, war des Todes. Schon in den Anfangs-Minuten zeigte sich, was Scream von all den anderen, selbst den intelligenteren Slasher-Movies unterscheiden sollte: Das permanente Selbstthematisieren, Kommentieren und Infrage-Stellen der Leinwandereignisse. Wie im Film-Seminar eines US-College geht es mit bekennender Künstlichkeit immer wieder um den Nutzen und Nachteil von Fortsetzungen und Plot-Ideen, um die inneren Gesetze des Genres »Du kannst nicht der Mörder sein. Du bist viel zu verdächtig«. Die Wiseguys aus dem fiktiven Örtchen Woodsboro sind durch die Horrorgewitter aus der Videothek derart gestählt und gegen alle Empfindung gewappnet, dass ihren kühlen Klügelleien allein durch das Messer des mit der – Edvard Munchs Schrei nachempfundenen – Maske getarnten Killers ein Ende zu machen ist. Den Zuschauern blieb nichts anderes übrig, als zu akzeptieren. Gefangen im Irrgarten Sehens sind sie die eigentlich passiven Opfer dieser Filme.
In Scream 2, der tatsächlich vor allem im College spielte, schien sich das Muster totzulaufen. Zwar nahmen auch hier »Sequels zerstörten das Horrorgenre« – die Kommentare der jungen Filmkenner alle potentielle Kritik vorweg. Doch schon in der Figur der zynischen Fernsehjournalistin Gale Weathers (Courtney Cox Arquette) und ihrer vor nichts Halt machenden medialen Verwertung der Woodsboro-Morde bespiegelte man nur noch selbst. Noch mehr geschah das durch »Stab«, den Film im Film, der dort die erste Mordserie fürs Kino adaptiert und dadurch dieses umgekehrt zum Schauplatz und Motivator einer zweiten Folge von Bluttaten macht. Den Horror selbst brachte all das zum Verschwinden was blieb, war viel rote Flüssigkeit und eine verächtliche Kritik, die den unmotivierten Metzelleien plumpe Effekte und Zynismus vorwarf.
»Hollywood is about death« – auch im dritten Teil stehen wieder Film im Film und die ehernen Regeln von Medium und Business im Zentrum: »Stab 3« wird gerade gedreht, ein Mörder treibt am Set sein Unwesen, doch in Wahrheit sucht er die eine, die dem Maskierten von Anfang an als einzige Contra gegeben hatte: Sidney Prescott, die sich in der Einsamkeit des Landlebens von ihren Erlebnissen zu erholen sucht.
Auch über dassozusagen philosophische – Fundament des
dritten Teils ist man schnell informiert: »Im Spiel mit den Genregesetzen gelten keine Genregesetze mehr« nicht postpostmoderne Beliebigkeit ist das, sondern die Verwandlung des Regisseurs in den guten alten Laplaceschen Dämon, der von einem Punkt ganz außerhalb der Welt und ihrer Naturgesetze diese mal eben aus den Angeln heben darf.
Was dabei herauskommt, ist vielleicht nicht neu, aber einfallsreich – erst recht wenn man selbst keiner von den potentiellen Mordopfern des Sequels ist, die seit den Bodysnatchern der 50er keinen Splatter und B-Movie ausgelassen haben. Dramaturgisches Potential hat zum Beispiel die Idee, all die »realen« Überlebenden der ersten beiden Teile mit ihren filmischen »Stab«-Doppelgängern zu konfrontieren. Die Zeichen machen sich selbstständig, Schizophrenie wird Fleisch – Ich ist ein anderer und kann mich nicht leiden. Erst am Ende spricht der Regisseur durch schlichtes body count sein eindeutiges Urteil über diese Art von Persönlichkeitsspaltung.
Auch sonst versucht Craven, die Anlagen der ersten Teile noch zu steigern. Es hagelt nur so an Einfällen. Wenn man gemerkt hat, dass sie nicht präzis genug sind, kommt schon der nächste, und deshalb macht es auch nicht viel aus. Und genug davon funktioniert: Regisseur, Gott und Killer verschmelzen und ändern permanent das Drehbuch. Und man begegnet Carrie Fisher als alternder Schauspielerin, die es einst fast geschafft hätte, die Princess Leia in Star Wars zu spielen »Und ratet mal, wer hat die Rolle bekommen hat? Eine, die mit George Lucas ins Bett stieg«.
Scherze allerorten. Die einzige Figur bei alldem zwischendurch ernst genommen und mit psychologischer Aufmerksamkeit gezeichnet wird, ist Sidney Prescott. Melancholisch und traumatisiert erscheint sie als veritable Nachfolgerin einer Laurie Strode
(Jamie Lee Curtis) aus den Halloween-Folgen. Erst am Ende siegt bei ihr der Kitsch.
Ein echter Horrorfilm ist der dritte Scream-Teil noch weniger als seine Vorgänger. So schreckenserregend ist Rationalität nun einmal auch dann nicht, wenn sie kalt ist. Auch elegant muss man ihn nicht finden, wirkungsvoll bleibt er um so mehr. Unter der Oberfläche des Slasher-Horrors findet man anregende, manchmal intelligente, unterhaltsame Reflexionen über das Filmgenre und als solche ist Scream 3 vor allem eine Komödie mit final cut für den Regisseur.
»Laß´ uns ein Spiel spielen!« So fängt im Kino manches an und in den meisten Fällen kann man sich sicher sein, dass aus dem Spiel bald blutiger Ernst werden wird. Ob nun Rutger Hauer in Blade Runner, Jennifer Jason Leigh in eXistenZ oder jetzt der Killer aus Scream 3. Es beginnt harmlos und endet tödlich. Und es geht in allen drei Filmen letztlich um die Frage, was die Wahrheit und was die Täuschung ist, was in einem postmodernen Zeitalter noch als Wirklichkeit bezeichnet werden kann.
Im Gegensatz zu David Cronenberg und Ridley Scott zieht sich Craven mit seiner Einschätzung der Dinge nicht in eine wie auch immer geartete Zukunft zurück. Seine Überlegungen finden nicht im Genre Science-Fiction statt, sondern er zeichnet seine düstere und bedrohliche Sicht auf die Welt im Präsens des Horror-Films. Im Zeitalter von Image-Beratern und Life-style-Kolumnen haben die Blendmechanismen der Hochkultur eine dramatische Ausweitung erfahren. »Das Andere muß nicht mehr aufgrund technischer Verbesserungen erst erfunden werden (Replikanten, organische Videospiele), sondern ist bereits überall um uns herum.« Der Blick richtet sich auf das Medium Film selbst, heute, seine Welten und die des Fernsehens, die Kulissenlandschaften in Kalifornien und den Menschenschlag, der sich innerhalb dieser Halbwahrheiten bewegt. Die Maske des Killers ist Superzeichen, genau wie das Make-up, und wenn man nur lange genug kratzt, wird sich auch irgendwann die Wahrheit finden.
Scream 3 greift die narrativen Strukturen aus den ersten beiden Teilen wieder auf, variiert. Was passiert mit uns im Spiegel, in der medialen Vermittlung, was passiert an der Stelle, an der wir uns zu weit von irgendeiner Form der Wahrheit entfernt haben, wenn wir nicht mehr unterscheiden können zwischen Realität und Illusion? Inwieweit gibt es eine Interaktion zwischen dem Zuschauer und den Bildwelten und welche Gesten werden erzeugt, wenn alles schief geht?
Craven schafft ein verwirrendes Chaos zwischen multiplen Ebenen der Wirklichkeit (der des aktuellen Filmes, die Genrebezüge, das Fernsehen...) und die Spiralen der konstruierten Wahrheiten drehen sich so hoch wie nie. Den Film mit einer Fahrt über die Buchstaben »H-O-L-L-Y-W-O-O-D« irgendwo in den Hügeln oberhalb von Los Angeles beginnen zu lassen, ist an dieser Stelle nur stringent. Hier scheinen die ästhetisierten Wahrnehmungskonstruktionen längst realer als die Realität selbst zu sein, die Grenze zwischen dem Ich und der Person die Ich im Spiegel sehe, ist gestreckt bis zur Unkenntlichkeit. Anästhesie.
Unter diesem Aspekt steht Scream 3 Blade Runner wirklich in nichts nach. Spiele spielen wollen die Killer, wie Roy Batty, der seine infantilen aber mörderischen Wünsche mit dem hoffnungslos überforderten Jäger Deckard alias Harrison Ford teilt. Wenn sich die Protagonisten gegen Ende von Cravens Films im Keller des Filmproduzenten John »Ich-verweise-auf-das-Verlorene-Paradies« Milton wiederfinden und ein Mausoleum vergangener Horror-Fantasien betreten, vollgestopft mit mumifizierten Requisiten, Zombies, Leichen usw. dann schwingt die Atmosphäre des Hauses von J.F. Sebastian mit und der Augenblick, als der maskierte Replikant Trish sich einfach unter die mechanischen Freunde des Hausbesitzers mischt und die künstliche Lebensform von den starren, halbautomatischen Puppen nicht mehr zu unterscheiden ist. Roboter ist Replikant ist Mensch. Die Verbindungsschwestern in Scream 2, die Sidney zu einer der ihren machen wollen, waren eigentlich kaum mehr als Humanoide zu identifizieren. Ebenso Courtney Cox, bei deren Entwicklung durch die Trilogie hindurch (fast) alles sichtbar wird. Im zweiten Teil als Reportermaschine inszeniert, die Augen so blau, dass sofort die Frage aufkam, von welchem Planeten sie eigentlich stamme, hat man im dritten Teil das Make-up, die Verkleidungen, die Betonfrisur deutlich zurückgenommen. Ihr erster Auftritt verwirrt, denn sie hat sich komplett gewandelt. „Amish“, irgendwie, natürlich. Aus den Hochebenen der „Kultur“ steigt sie hinab in die landschaftliche Idylle.
In Ridley Scotts Werk bestimmt die Sympathie den Blick auf „das Andere“, die Replikanten. Er stellt sie in einen Film, in dem der Unterschied zwischen Mensch und Simulation des Menschen nicht mehr erkennbar ist, wo die Ebenen möglicher Realitäten verschwimmen, ineinandergreifen. Wes Craven legt nun besonderen Wert darauf, uns diese kleine aber alles entscheidende Differenz zwischen Wahrheit und medialen Vermittlungen immer wieder fühlbar zu machen. Wie Blade Runner entwickelt Scream 3 seine begehbaren Erinnerungsräume, in denen sich die Vergangenheit aktualisiert und in die Gegenwart verschiebt. Deckart sitzt vor seinem Monitor und dringt durch Auschnittsvergrößerungen immer weiter in das Dokument einer Erinnerung, ein Photo, ein. Sidney findet sich auf dem Set in Hollywood wieder, wo sie erneut mit den Indizien, den Topographien ihrer Kindheit konfrontiert wird, weil analog die Dreharbeiten zu einem Film laufen, der ihre Geschichte erzählt. Aber gerade hier zeigt sich die Gefahr einer möglichen Verkennung. Deckart entdeckt auf seinem Gang durch das Photo die Spur zur Wahrheit, die Realität der Reproduktion setzt sich in der Realität der Diegetik einfach fort. Sidney hingegen, die derselben Annahme verfällt, kostet dieser Irrtum fast das Leben. Als sie in einem der nachgebauten Häuser durch eine Tür geht und den nächsten Raum dahinter vermutet, ist da nur der Abgrund. Es ist halt doch nur eine Kulisse, es ist nicht das echte Haus, es ist Abbild, die Simulation dessen, was uns so vertraut erscheinen mag. Da ist ein Unterschied.
Das Grauen erzeugt sich in den technischen Relais, die das Gefühl der Unmittelbarkeit vorgeben und doch nur das abgefallene Derivat der face-to-face Kommunikation sein können. Die Szene am Telefon, bis ins Unendliche wiederholt, wenn der Killer sich erst allmählich zu erkennen gibt, weist auf diese Differenz. Gespräch ist auch Bild, Gesicht, und nicht nur Worte. Dem Kameramann aus Scream 1 kostet der Zeitverlust, der Gang der Informationen durch die Kabel, das Leben. Er verfällt der Idee livehaftig im Wohnzimmer zu sein, am Ort des Geschehens, des Killers, der genau diese Zeit der Übermittlung braucht, um sich seinem Opfer zu nähern und zu töten. Bleib dir bewußt, dass es vermittelt ist...
Die postmoderne Persönlichkeit, die Ekletik der Identitätstiftungen gewinnt eine traumatische Bedeutung. Sei es nun Gale, deren Gesicht mit einem angesetzten nackten Körper im Internet veröffentlicht worden ist oder die paranoide Grundhaltung der Figuren, die in einem Zeitalter der absoluten Beliebigkeiten (kein Mörder braucht ein Motiv usw.) alles und jeden in die Rolle des Mörders hineinphantasieren. Die dunkle Seite des »anything goes« in der die fehlgeschlagenen Experimente zum Grundton werden. Am Ende der Geschichtsschreibung wird die Identitätsuche eine Sache variabler, zufälliger Begegnungen zwischen dem Ich und dem Filmbild. Blondinen als Opfer bevorzugt.
Die Killer entlarven sich als die vergessenen Kinder der Medienwelten, der schönen neuen Welt. Sie drehen sich im Kreis, verlassen das Leben und drängen in die imaginierten Rollen, die Glamour und ein Stück vom großen Ruhm versprechen (Charles Manson Superstar, Massenmord und Pop-Ikone) und versuchen doch auch immer die Bilder aus dem Kino in ihr Milieu zu tragen. Victims in demand for public show. Der Film und seine Gespenster, die es tagtäglich produziert, die Täter, die Opfer sind in den medialen Bezugssystemen, die keinen Ausweg mehr finden aus den Spiralen der Künstlichkeiten. Jede Geste, die auf eine andere verweisen muß, der Prozentsatz an Verfremdung und Entfremdung, der sich mit jedem Wort vervielfacht. Sie begeben sich auf eine unsichere Reise und landen regelmäßig auf dem Holzweg.
Craven selbst verfällt der Täuschung ein Stück weit, seine Gegenwelt, seinen Anteil an Authentizität zieht er aus der ersten Konstruktionsebene, dem ersten Teil der Trilogie und der Ebene des aktuellen Filmes, den er uns jetzt präsentiert. Am Ende ist man versucht, die ursprünglichen Figuren und Charaktere als absolute Momente der Authentizität hinzunehmen. Sidney, Gale und Dewey werden durch eine Film-im-Film-Konstruktion verdoppelt, auf die Konstruktion des Schauspielers, der fiktiven Figur noch einmal die Konstruktion des fiktiven Charakters, der einen fiktiven Charakter spielt. Die Repräsentationen werden repräsentiert. Und hat der Killer mal wieder einen der Schauspieler zerstückelt, dann fällt ein leichter Schein der Wahrhaftigkeit auf die entsprechende Figur, die plötzlich wieder einmalig ist. Der Satz »Das ist nicht Film, das ist das Leben« wird wiederholt als würde die Schallplatte hängen und doch sind ist alles nur Bestandteil einer Fiktion. Sidney erscheint unsterblich, gerade weil sie sich zu keiner Zeit auf die Scheinwahrheiten, die Blendwerke, die Spiegelungen der dritten und vierten Ordnungen (Genre, Fernsehen) eingelassen hat und Zentrum der ersten Konstruktion ist. In Scream 2 gibt es eine Szene mit ihr am Telefon, wo ihr Gesicht zunächst von links zu sehen ist und nach einem Zwischenschnitt von rechts. Sie reflektiert sich, spiegelt sich innerhalb des Zelluloidstreifens, während die Opfer immer mit einem Spiegel assoziiert werden und damit schon wieder Gefangener einer Täuschung sind. Das Spiegelbild das bin nicht ich.
Ob Scream 3 nun als Einzelwerk ein guter Film ist, läßt sich kaum entscheiden. Kevin Williamson, der für die Drehbücher der beiden ersten Scream-Folgen verantwortlich war, wandert mittlerweile auf Regiepfaden und stand beim Abschluß der Trilogie nicht mehr zur Verfügung. Der Horror wird dadurch zum Teil subtiler, die Angriffe der Bilder wenden sich zumindest in einigen Szenen gegen die Psyche, wobei allerdings auch Freunde der einfachen, physischen Schocker auf ihre Kosten kommen werden.
Craven ist in den guten Momenten eine spannende Trilogie geglückt. Leider macht er zu viele Zugeständnisse an eine mainstreamtaugliche Dramaturgie. Die Killer in Teil 2 und 3 werden plötzlich entlarvt, ohne wirklich ein integrativer Bestandteil der Narration gewesen zu sein. Die Möglichkeiten mit den angelegten Strukturen und Figuren weiter zu spielen, sie ad absurdum zu führen, werden einfach nicht genutzt, weil am Ende Sidney als strahlende Heldin die Ordnung wiederherstellen muß, weil Neve Campell als Star einfach zu groß geworden ist, als dass man sie sterben lassen könnte. Craven bleibt unentschieden, trotz der impliziten Kritik, ein bißchen mehr Klarheit und die vielen Opfer hätten sich gelohnt.