USA/Irland 2001 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: John Boorman Drehbuch: Andrew Davies, John le Carré, John Boorman Kamera: Philippe Rousselot Darsteller: Pierce Brosnan, Geoffrey Rush, Jamie Lee Curtis, Leonor Varela u.a. |
»Casablanca ohne Helden« sei Panama, sagt Harry Pendel: Ein offenes, verworrenes Spielfeld für – meist ausländische – politische und finanzielle Interessen, für korrupte Geschäfte jeden Zuschnitts. Spionage ist auch nur ein Geschäft, und im Panama nach Noriega (von George Bush sr. einst mit ins Amt gehievt und wieder hinausgebombt) herrscht Konjunkturflaute an heißer Geheiminfo-Ware. Schlecht für Andy Osnard, einen strafversetzten britischen Agenten, eitel und skrupellos (Pierce Brosnan parodiert genüsslich sein 007-Image). Wäre da nicht Harry (Geoffrey Rush), der Ex-Sträfling, der sich zum ersten Herrenschneider am Platz hochgelogen hat. Die beiden geübten Aufschneider wissen, aus welchem Stoff die Träume ihrer Kunden sind. Und stricken so kurzerhand ein Lügengewebe um eine hochgeheime Revolutionsbewegung, um sich die Kassen zu füllen.
Mit der Romanvorlage hat John le Carré erstmals komödiantisches Terrain betreten, hat die seidenen Fäden zerpflückt, die das Spionagebusiness oft zusammenhalten. Was mit seinen Büchern bisher kaum gelang, ist diesmal geglückt: Das Ganze hat auch im Kino perfekte Passform. Regisseur John Boorman ist einer, der die Feinheiten seines Handwerks nach bester Tradition beherrscht, er liefert cineastische Maßarbeit. (Wenn Harry einmal in einem grandiosen Wutausbruch gegen Ware von der Stange zetert, so ist das wohl der eine Moment, in dem er – bei all seiner tragischen Lächerlichkeit – Autoren und Regisseur doch aus dem Herzen spricht.) Jede Szene, jede Einstellung sitzt da, bis in die kleinste Rolle ist alles wunderbar besetzt. Boorman kümmert sich weniger um den Reiz von flotter, glatter Oberfläche, sondern mehr um die Genauigkeit im Einzelnen, um das Unterfutter. Sein Humor ist beissend, aber nie grob oder plump – und besonders seine beiden Hauptdarsteller haben sichtlichen Spaß am geschliffenen verbalen Sparring in oft absurden Situationen mit deutlich homoerotischem Touch. Schwer zu sagen, was köstlicher ist: die Beiden auf dem vibrierenden Hotelbett oder in der Schwulenbar.
Mit Genuss piekst der Film seine giftigen Nadeln in die Aufgeblasenheit seiner anvisierten Ziele – je höher der Dienstgrad, je tumber gefangen im Glauben an die Bedeutung ihres bubenhaften Abenteuer-Spiels stellt The Tailor of Panama die Geheimdienstler und Militärs dar. (Einsame Spitze: Der amerikanische General, dem vor Patriotismus fast die Tränen kommen.) Wenn der Film am Anfang mit großer Autorität verlauten lässt, dass der Panama-Kanal die einzige feste Verbindung zwischen Nord- und Südamerika gekappt hat, so ist das ein ironisch verschlüsselter Hinweis darauf, dass Boorman seinen südamerikanischen Schauplatz quasi nur als Schnittmusterbogen benutzt für eine Satire, deren Attacke eindeutig der westlichen Welt gilt. Und bei aller politischen Relevanz des Ganzen: es geht noch um mehr, geht um Grundlegendes zu Lüge und Fiktion.
Die hohe Kunst dabei ist, dass die spürbare Freude am Derblecken nicht den echten Schmerz derer kaschiert, die bei dem luftigen Lügenspiel die wahren Verlierer sind. Die Rollen der Anführer der »Silent Opposition« werden von Andy und Harry den Letzten auf den Leib geschneidert, die noch daran erinnern, dass es in Panama doch einst so etwas wie Helden gab: Mickie Abraxas (Brendan Gleeson), ein mittlerweile versoffener, dreckiger, speckiger Ex-Revolutionär, der die alten Kampflieder nicht vergessen hat. Marta (Leonor Varela), jetzt Harrys Angestellte, der die Spuren der Gewaltherrschaft des gestürzten Regimes buchstäblich ins Gesicht geschrieben stehen. Als Osnard und Pedell so langsam die selbst gesponnenen Fäden aus den Händen gleiten; die Summen, um die es geht immer aberwitziger werden, die Konsequenzen immer bedrohlicher, sind sie – und nicht die eigentlich Verantwortlichen – es, die spüren müssen, dass die Folgen einer Fiktion wesentlich handfester, realer ausfallen können als ihre Grundlage.