Deutschland 2013 · 115 min. · FSK: ab 6 Regie: Kilian Riedhof Drehbuch: Marc Blöbaum, Kilian Riedhof Kamera: Judith Kaufmann Darsteller: Dieter Hallervorden, Tatja Seibt, Heike Makatsch, Frederick Lau, Katrin Saß u.a. |
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Licht, positiv, lebensbejahend |
Der Berlin Marathon, der langgezogene, aus menschlichen Körpern bestehende Wurm, windet sich durch die Hauptstadt. Er ist mal mehr, mal weniger geschwollen und besteht aus schwitzenden, sich oft sichtlich quälende Menschen, die ihren Körpern auf bewundernswert disziplinierte Art und Weise eine beachtliche Leistung abringen und das nicht um wie damals, im Alten Griechenland, nach dem Lauf erfolgreich, aber eben auch tot zu sein, sondern um, ganz im Gegenteil, zu beweisen, dass man sehr wohl am Leben ist, dass der eigene Körper und der eigene Wille funktionieren und einen die Füße tragen. Und wen sieht man da, in der kühlen Berliner Herbstluft unter den Läufern? Didi Hallervorden als Paul Averhoff. Dieser Paul Averhoff läuft eben gerade Sein letztes Rennen. Der doch sehr realistische Titel des Filmes – Averhoff/Hallervorden ist immerhin 77 –, klingt schon fast zu negativ für diesen Wohlfühl-Film, der eigentlich nur eines lehren will: Zu Ende ist es erst, wenn man nichts mehr will. Bessere Titel wären deshalb vielleicht: „Nach dem Rennen ist vor dem Rennen“ oder »Berlin-Marathon und wir sind noch lange nicht am Ziel!«
Didi Hallervorden ist ein bisschen mitgelaufen beim echten Berlin Marathon und hat damit ein Stück seiner fiktiven Rolle in die Realität gebracht. Hallervorden spielt eben jenen Profi-Sportler in Rente, Averhoff, der 1956 olympisches Gold geholt hat. Das ist nun auch schon ein bisschen her, da muss man sich erst einmal wieder hintrainieren. Averhoff hatte sich eigentlich auch schon in den wohlverdienten Ruhestand begeben, Apfelpflücken im Eigenheim, aber seiner Frau geht es nicht mehr so gut, etliche Pflegekräfte wurden mit Leidenschaft vergrault und die Tochter kann sich nicht um die beiden kümmern, also kommen die beiden in eine für Altenheime eher gehobene Institution, ein kühler aber eleganter Bau mit Parkblick. Hier gibt es gepflegte Bastelstunden die wie ein Kindergarten-verkehrt wirken, eher also ein stetiges aus dem Leben hinausbasteln als hineinbasteln sind und Singabende, die wie eine friedvolle Auflösung des eigenen Selbst scheinen, wie eine Beschäftigungstherapie von Menschen, die doch eigentlich bitte bald damit aufhören sollten sich überhaupt noch beschäftigen zu müssen. Averhoff aber, die Läuferlegende, die einst zielsicher die Richtung wusste, fühlt sich noch nicht bereit dazu, hebt die herbstliche Bastel-Kastanie, sieht sie sich an und meint trocken: Basteln? Aus dem Alter bin ich raus! Für den ehemaligen – ja warum denn auch „ehemaligen“ Sportler –, der einst das Leben als Wettkampf nahm und das Scheitern als eigene Schwäche, wird das so nichts. Also beginnt Averhoff wieder zu laufen. Unterstützt von seiner Frau Margot (Tatja Seibt) und skeptisch betrachtet von seiner Tochter Birgit (Heike Makatsch) fängt er an im Park seine Runden zu drehen und einfach dadurch dass da ein alter Mann bei Wind und Wetter stetig seinen Trainingsplan absolviert, wirbelt er auch die Abläufe im Heim durcheinander. Es gibt einen Aufstand der Insassen, gegen das Basteln und das Singen, lieber wollen sie sich im regnerischen Park beim Anfeuern verkühlen. Wenn man mitmacht, dann will man auch gewinnen!
Dieter Hallervorden spielt diesen Paul Averhoff so unaufgeregt, zurückhaltend und mit trockenem Humor ausgestattet, wie man es gar nicht unbedingt von ihm gewohnt ist. Sicher macht Hallervorden seit über fünfzig Jahren kluges, politisches Kabarett und er hat schon 1970 in Das Millionenspiel gezeigt, dass er schauspielern kann, aber man kennt ihn eben auch aus vielen Sketchen und den „Didi“-Filmen, in denen er fast zu einer Karikatur seiner selbst wird und klamaukig herumblödelt. Aber hier erlebt man einen so hintergründig humorvoll und angenehm stimmig agierenden Hallervorden wie man ihn eben noch nie gesehen hat.
Sein letztes Rennen ist ein sehr lichter, rundum positiver, lebensbejahender, realistischer, aber gleichzeitig auch sehr unrealistischer Film, eine Art Film, wie es sie in letzter Zeit oft im Kino gibt, Filme wie Portugal, mon amour oder Ziemlich beste Freunde. Diese Filme kennen natürlich die Realität und ihre Probleme aber sie kratzen diese eben nur oberflächlich an, seien es nun portugiesische Arbeitnehmer die in Paris eigentlich ausgenutzt werden, aber dann doch ihren Platz finden oder querschnittsgelähmte Menschen, denen so viel Geld bereitsteht, dass sie sich einiges an Pflege und Exzentrik leisten können. Auch Averhoff, seine Frau und all die anderen Alten in dem schicken Heim gehören sicher zu jenen wenigen Privilegierten, denen es ohnehin eher besser geht in diesem Land, in dem viele Rentner Flaschen sammeln müssen, um ihre dürftige Rente aufzubessern und schlechtbezahlte und überarbeitete Pflegekräfte enge Zeitpläne haben um ihren einsamen Alten möglichst schnell das Essen einzugeben.
In Sein letztes Rennen wird auf hohem Niveau gelitten. Als Averhoff im Fernsehen die Situation im Heim anprangert, berührt er damit die Spitze eines Eisberges, unter der sich ganz andere Probleme befinden als nur das Kastanienbasteln. Aber vielleicht ist es tatsächlich auch nicht dass, was dieser Film will: Es ist ein schöner Film, ein herzlicher, warmer Film, er ist damit wohl eher ein Plädoyer für mehr Zärtlichkeit und ein besseres Miteinander und dafür die Welt jeden Tag ein bisschen heil zu machen und ein Film der Mut macht, auch Mut dazu unkonventionell zu sein, weiterzumachen und nicht aufzugeben: Weitergehen, wer stehen bleibt hat schon verloren.