Großbritannien 2011 · 97 min. · FSK: ab 16 Regie: Ben Palmer Drehbuch: Damon Beesley, Iain Morris Kamera: Ben Wheeler Darsteller: Simon Bird, Joe Thomas, James Buckley, Blake Harrison u.a. |
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Wo Männer Männer und Schafe nervös sind |
Vier Freunde lassen es krachen. Die Schule ist vorbei, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Was gibt es also Besseres, als die im Schulalltag angehäuften Defizite durch eine Sauf-Kotz-Bums-Reise zu vergessen und die schöne Regel zu bestätigen, dass dort, wo am meisten über Sex geredet wird, er am wenigsten stattfindet. In Malia auf Kreta sind sie allerdings nicht die Einzigen, die das wollen, doch leider die Dümmsten – was die Mission ein wenig verkompliziert.
So in etwa, und im Fall einer Überschrift auch kürzer, lässt sich einer der großen Komödienerfolge der letzten Jahre in England umreißen. Sex on the Beach ist allerdings mehr als diese vier Sätze: Es ist auch der Abschlussfilm einer dreistaffeligen, englischen Sitcom, die zahlreiche Fernseh- und Darstellerpreise gewonnen hat und vor allem eins porträtiert: britische Vororttristesse kombiniert mit den extremen Geschwülsten pubertären Verhaltens und gewürzt mit englischem Stand-up-Comedy-Humor. Wer englische Freunde hat – egal welcher Altersklasse oder Gesellschaftsschicht – dürfte The Inbetweeners denn auch ein Begriff sein.
Um kompatibel für die Art von Humor zu sein, die in Serie und Film vorgeführt wird, sollte man allerdings zumindest für den guten, englischen Schafwitz zugänglich sein, etwa: Warum haben die Briten nach dem Falklandkrieg so viele Schafe von den Falklands mitgebracht? (Alles Kriegsbräute.) – Warum hat Gott die Frauen erfunden? (Weil Schafe nicht kochen können.)
Eine weitere, etwas leidige Einschränkung für den Genuss von Sex on the Beach ist die einer ausgereiften Handlung. Aber wer nur ein wenig Erfahrung mit dem stark repetitiven Charakter von Strandurlauben hat, wird damit umgehen können und sich kaum an den Handlungsschleifen stören. Sondern die serielle Aneinanderreihung von Witzen, verblödeten Kommentaren, sexuell verklemmten Phantasien und Slapstickmomenten, wie Simons wunderbares Kotzen auf dem Partyschiff, zumindest in Ansätzen genießen können. Sex on the Beach bewegt sich dabei auf ähnlichem Niveau wie American Pie, doch hat sich seit 1999 einiges getan. Masturbiert wird nicht mehr vor einem verschlüsselten TV-Pornosender, sondern vor einem Internet-Livestrip mit einer Scheibe Schinken in den Händen und einer Taucherausrüstung auf dem Kopf. Es gibt weitere, verblüffende Handlungsparallelen, die aber wohl darauf zurückzuführen sein dürften, dass die gesellschaftlichen Spielregeln bezüglich des Erwachsenwerdens nicht nur in England und Amerika deutlich weniger variieren als gemeinhin angenommen. Und gemeinhin so entleert sind, dass man sich fragt, ob es wirklich der Film ist, der so episodisch-leer daherkommt, sondern nicht vielmehr das im Film gespiegelte traurigblöde Leben gegenwärtiger Mittelklassejugend das Kernproblem sein könnte.
Aber nicht nur der etwas drastischere, britische Humor verschafft Sex on the Beach gegenüber American Pie einen erträglichen Pinkelabstand und macht ihn zu mehr als lediglich einem Hangover für Kids. Es ist vor allem die unfreiwillige Skizze vom Verlust selbstverständlicher Rituale, die eindringlich und sehenswert vor Augen führt, was es bedeutet, wenn Schulabschlüsse und Abschlussfeiern (und später Hochzeiten) ihre Glaubwürdigkeit verloren haben und als gesellschaftlich strukturierende Übergangsrituale aufgehört haben zu existieren. Ersatzrituale wie Bums-Kotz-Sauf-Reisen treten an ihre Stelle und entwickeln sich mitunter zu transnationalen Gegenkulturen[1], in denen Teilzeitnomadismus moralisch sanktioniert und die einst als „Sex on the beach“ begonnene Rite de Passage zur komplexen und gesellschaftlich sanktionierten Lebensform mutiert – wo Männer noch Männer und Schafe nervös sind.
[1] Anthony D‘Andrea: »Global Nomads, Techno and New Age as transnational countercultures in Ibiza and Goa«, London/New York, 2007.