Deutschland 2003 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: Max Färberböck Drehbuch: Max Färberböck, Sarah Khan Kamera: Carl-Friedrich Koschnick Darsteller: Justus von Dohnanyi, Nina Proll, Jörg Schüttauf, Moritz Rinke u.a. |
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11.09.2001, irgendwo in Deutschland |
Es beginnt mit den Geräuschen eines startenden Flugzeugs. »Ready for take off« ist zu hören, die Leinwand bleibt kurz schwarz, bald danach stürzt der Film ab. Ton- und Bild-Fragmente mitten aus dem Leben der Bundesrepublik, bzw. dem, was Regisseur Färberböck dafür hält: Ein Autor (Moritz Rinke) spielt einen Autor, der mit sich selber redet: Kunst oder Wirtschaft – das ist seine Frage; eine Pizzabäckerei wird von einem Pakistani betrieben, eine reiche Frau hat nichts zu tun und ist darob melancholisch, und will nicht erkennen, dass ihr Mann sich längst von ihr entfernt hat; ein Reihenhausbesitzer hat Probleme mit seinem Sohn, und dann geht auch noch das Auto kaputt, usw, usw. Ein deutsches Beziehungs- und Lebensfilmchen der banalsten Art, vielleicht gerade noch gut für die 20.15-Schiene im Privatfernsehen.
Doch dabei laufen die Fernseher, und man erlebt die Ereignisse des 11.9.2001 mit den Augen dieser Figuren. Zwei Stunden lang mischt Färberböck nun Fragmente der öffentlichen Berichterstattung der folgenden Tage und ein paar damals gerade gebräuchliche Floskeln mit Fragmenten aus dem Leben dieser meist reichen, überdrüssigen, langweiligen Menschen. Terror-Short-Cuts. Manche lassen sich durch die Attentate inspirieren, ihr Leben zu ändern, andere mögen plötzlich keine Ausländer mehr, wieder andere erst recht. Und ein Lehrer sagt beim Elternabend recht unmotiviert: »Ich bin Jude« und alle glotzen schweigsam.
Was September zu einem unfreiwilligen Horrorfilm macht, ist aber nicht diese Ansammlung inhaltlicher Banalitäten, und auch nicht der kaum erträgliche Betroffenheitsgestus der Dialoge – hier ein paar Stilproben: »Da sind Menschen gestorben und Du redest über Geld.«, »Wie kann das kommen, so plötzlich?«, »Wir müssen unsere Leben besser machen.«, »Jetzt wollen wir über unsere Ängste reden, wegen der politischen Situation.«, »Ich schreibe, ich bin Schriftsteller und muss schreiben. Da kann ich nicht telefonieren.«, »Ist Mohammed Atar jetzt bei Allah, oder nicht?«. Es ist auch noch nicht einmal das obszöne Ausbeuten der Katastrophe und der klammheimliche Rassismus im Umgang mit den ausländischen Filmfiguren. Sondern die künstlerische Armseligkeit, in der das alles geschieht: Kein Rhythmus, keine Komposition der Bilder, dafür ein paar mal Splitscreen, hektische Aneinanderreihungen und unendliche Überblendungen. Zu einem Einsatz eines SEK-Polizeitrupps sieht man beispielsweise traurige arabische Augen, hört eine Tony-Blair-Rede und darüber ist ein Popsong gelegt – neue Unübersichtlichkeit a la Färberböck, der eine seiner Figuren sagen lässt: »Eigentlich will ich ja die Welt verändern, aber ich kann noch nicht mal meine Fenster putzen.« Selbstaussage des Regisseurs, der hier seinen künstlerischen Offenbarungseid liefert?
Jedenfalls ein eitles Machwerk und ein miserabel gespieltes obendrein. Der Schriftsteller Moritz Rinke, der sich selbst spielt, und diesen Auftritt zu einem Beleidigungsrundumschlag gegen das Feuilleton nutzt, den er, so muss man fürchten, für die Verschmelzung von Selbstironie und Engagement hält, setzt alldem die Krone auf. Die peinliche Selbstdemontage des Kulturpromis ist der einzige Grund, den Film zu sehen: Darüber wird man noch in Jahren lachen. Aber auch nahezu alle anderen Darsteller lassen sich in ihrem Spiel vom Niveau der Drehbuch-Texte anstecken: »Diese ganzen Menschen, die können doch nicht umsonst gestorben sein. Das muss doch etwas bedeuten, für Dich, für mich.« Na dann...
PS: Verstehe wer will, warum dieser Film überhaupt einen einzigen Cent an Fördergeldern bekommen hat (im Übrigen, obwohl, wie unter der Hand zu hören war, schon Drehbuchgutachten von jeder Förderung abgeraten hatten) ein perfektes Beispiel für die Spezlwirtschaft im deutschen Gegenwartsfilm, wo Namedropping und Beziehungen immer über künstlerische Kriterien obsiegen.