USA/GB 1998 · 122 min. · FSK: ab 6 Regie: John Madden Drehbuch: Mark Norman, Tom Stoppard Kamera: Richard Greatrex Darsteller: Joseph Fiennes, Gwyneth Paltrow, Ben Affleck, Colin Firth u.a. |
||
Gwyneth Paltrow als Muse |
Sprich Prosa! brüllt der Theaterleiter hinauf aufs hohe Roß, wo sein vergeistigt reimender Autor hockt und dringend wieder auf den Boden geholt werden muß. Das nächste Stück muß ein Hit werden, doch es ist noch keine einzige Zeile geschrieben. Aber das Genie läßt sich Zeit, schließlich ist er nicht irgendwer, sondern der junge William Shakespeare und steht im Begriffe Romeo und Julia zu verfassen. Bis er damit fertig ist, muß er sich zunächst selbst verlieben, unter Balkonen schmachten
und süße Koseworte mit seiner Julia tauschen.
Der Trick funktioniert bestens. Anstatt Romeo und Julia zu verfilmen, stellen die Macher von Shakespeare in Love einfach die Behauptung auf, Shakespeare wäre zu der Zeit, als er das Stück schrieb, so rasend wie unglücklich verliebt gewesen, und hätte die geplante Komödie (Arbeitstitel: Romeo and Ethel) wegen seiner eigenen misslichen Erlebnisse flugs in ein Trauerspiel umgearbeitet. Während die
Proben zur Uraufführung schon laufen, liefert der Dichter täglich neue Szenen ab, je nach Verlauf seiner Affäre mit der adligen Viola de Lesseps, einer fiktiven Gestalt, die im Film allerdings hauptsächlich von historisch dokumentierten Personen umgeben ist.
Es ist wenig bekannt vom Leben Shakespeares, es gibt sogar noch genügend Zweifel an seiner tatsächlichen Autorenschaft der vielen Stücke. Die größte Wissenslücke klafft zwischen den Jahren 1585 und 1592. Überliefert ist zwar, daß der Poet verheiratet war, aber ihm eine außereheliche Liebschaft in dieser Zeit anzudichten, wie es die Drehbuchautoren Marc Norman und Tom Stoppard getan haben, ist nicht abwegig. Stoppard haben wir das Buch zu Brazil zu verdanken, mit Shakespeare hat er seit Rosenkranz & Güldenstern ebenfalls Erfahrungen; und der Regisseur John Madden hat sich erst kürzlich mit Mrs. Brown als Spezialist für das englische Könighaus etabliert. Bei
ihnen wird die Shakespeare-Werkstatt, dieses wichtigste Kapitel der englischen Theatergeschichte, zur Muppets-Show, mit Geoffrey Rush als panischem Kermit, dem der Geldeintreiber im Nacken sitzt und der irgendwie den Laden am Laufen und den Dichter am Schreiben halten muß. Jedoch dem jungen William, gespielt von Joseph Fiennes, fehlt die rechte Inspiration. Anstatt genial zu sein, übt er nur seinen eigenen Namensschriftzug, und schwallt ausflüchtende Phrasen, wenn er auf sein neues
Werk angesprochen wird.
So ist Shakespeare in Love zunächst eine geschmeidige Kostüm-Satire auf den Theaterbetrieb, angefüllt mit Flunkereien, Schwindel und Eitelkeiten. Und William ist schon gar nicht frei von den Schwächen seiner Zunft. Wenn sein erfolgreicher Kollege Marlowe gepriesen wird, zuckt er regelmäßig zusammen. Drumrum ist das ganze stinkende, derbe London im Theatefieber, vom Bettelknaben bis zur Königin (Judi Dench in ihrer modrigsten
Rolle); selbst ein Ruderknecht outet sich als heimlicher Schriftsteller, und der unbarmherzige Geldverleiher entdeckt, wie der Mafioso bei Woody Allen, seinen Kunstsinn. Doch in Anbetracht von Williams Dichtkunst verstummen bald all die Eitlen und stellen ihr eigenes Ego in den Hintergrund.
Der Spott auf die Theater-Gesellschaft läßt sich leicht auf das Filmgeschäft übertragen, die unverfroren stereotype Liebesgeschichte ist ebenso zeitlos. Nicht Kleckern, klotzen. Klischees werden nicht zart anzitiert, sondern fleißig aufgestapelt. Zur romantischen Wirkung des Filmes gereichen zwei Hauptdarsteller, die zu schön sind um wahr zu sein. Fiennes hat den Lidschatten pfundweise im Gesicht und die sonst zur Sprödheit neigende Gwyneth Paltrow darf als Viola nach ihrer
Entjungferung dem Morgengruß der Zofe, Es ist ein neuer Tag ein triumphales Es ist eine neue Welt eingegenschleudern. Hemmungslos wurde zuvor die Chance genutzt, Bettszenen mit Shakespeare-Zeilen zu unterlegen. Julias Was für Befriedigung begehrst du noch? gerät da in einen konkreteren Kontext. Danach wird gefochten, geweint, verabschiedet und auf der Bühne sogar verschiedentlich gestorben.
Denn bei der Erstaufführung von Romeo und Julia müssen natürlich William und Viola
die Hauptrollen kurzfristig übernehmen. Die Premiere verläuft genauso improvisert, wie bei den Muppets. Und alle Monster haben geweint.