USA 1997 · 100 min. · FSK: ab 16 Regie: Nick Cassavetes Drehbuch: John Cassavetes Kamera: Thierry Arbogast Darsteller: Sean Penn, Robin Wright Penn, John Travolta, Gena Rowlands u.a. |
Maureen und Eddie sind verheiratet und lieben einander verzweifelt. Er treibt irgendwo in der Nähe des Wahnsinns, und seit seine Frau schwanger ist, verschwindet er manchmal für einige Tage. Als er diesmal zurückkommt, ist die linke Gesichtshälfte Maureens blutig und verquollen. Die Male stammen von der Hand eines obskuren Gangnachbarn, mit dem sie aus Verzweiflung eine alkoholische und schließlich eskalierte Nacht verbracht hat. Aus Angst, Eddie könnte den Mann umbringen, spricht sie von einem Sturz als Ursache für die Verletzung, doch Eddie glaubt ihr nicht lange. Am nächsten Morgen gleitet er gänzlich in den Irrsinn ab, und um das Schlimmste zu verhindern, läßt Maureen ihn in eine Anstalt einliefern.
Zehn Jahre später ist sie mit Joey verheiratet und führt mit ihm und zwei Töchtern ein wohlsituiertes Bürgerleben. Dort hinein bricht nun Eddie, der aus der Anstalt entlassen wurde und es stellt sich heraus, daß die grenzenlose Zuneigung zwischen ihm und Maureen noch vorhanden ist.
Mit dem Drehbuch seines Vaters John Cassavetes hat der Regisseur Nick Cassavetes eine Geschichte gefunden, die sich kaum um Konventionen und Wahrscheinlichkeiten kümmert und deshalb nicht
betroffen macht, sondern Spaß. She’s So Lovely erzählt vom prekären Thema Liebe, und zwar der zweier Männer zu ein und derselben Frau, in genau dem richtigen Tonfall irgendwo zwischen Augenzwinkern und echter Emotion.
Glaubwürdig und fesselnd wird der Film vor allem durch die Charaktere: die Haupthandlungsträger weden so vielseitig beleuchtet, daß weder schwarze Peter, noch Engel entstehen: man muß Partei für alle Drei ergreifen und steckt ehe man sichs versieht mitten im Gefühlsdilemma.
Nach seinen eigenen Worten hat der Regisseur seinen Darstellern viel Spielraum gelassen. Weil er eine erstklassige Besetzung ausgewählt hat, sind die Figuren dadurch interessant geworden. In Cannes hat man zu Recht Sean Penn (Dead Man Walking) für seine Verkörperung des Eddie Quinn zum besten Darsteller gekürt,. Die zweite Auszeichnung, die dem Film dort verliehen wurde, ist der große Preis der technischen Kommission, der die Arbeit des Kammeramanns Thierry Arbogast sowohl for She’s So Lovely als auch für Das fünfte Element von Luc Besson würdigt. Wie man es vom Kino aus Hollywood gewöhnt ist, zeichnet sich die Bildführung durch technische Perfektion und Souveränität aus. Dabei läßt es Arbogast aber nicht bewenden, er intensiviert hier ein bißchen, hat da eine Idee und verblüfft den Zuschauer so mit einer ganz eigenen Mixtur.
Verwundert wird man vom zweiten Teil des Films. Während die erste Hälfte vornehmlich zum Mitleiden animiert, wartet die zweite mit immer unwahrscheinlicheren Ereignissen auf. Leider reichen diese Ansätze aber nicht zum wirklichen Irrwitz, wodurch der Film gegen Ende einiges an Spannung und Faszination einbüßt. Auch die schauspielerische Leistung von Robin Wright Penn als Maureen fällt gegenüber dem Anfang etwas ab. Dies sind aber nur kleine Wehmutstropfen in einem ansonsten empfehlenswerten Gebräu.
Wir alle kennen sie, die Vorstellung von der einen großen Liebe, von wahrer Liebe. Das war als wir noch glaubten, etwas gegen die Umweltverschmutzung tun zu können oder mit spätestens 25 berühmt zu sein. Das war bevor uns die Erfahrung lehrte, daß die Liebe nicht umso echter ist, je mehr sie weh tut. Das war bevor wir Fromm gelesen und gelernt hatten, daß richtige Liebe nicht zu verwechseln ist mit dem voreiligen, gierigen Gefühl des Verliebtseins und daß sie nicht einfach vom Himmel fällt. Wir hatten so hart gearbeitet für diese Einsichten, und so viel hatten wir dafür aufgegeben. Und dann kommt einfach dieser Film und führt mit einer Selbstverständlichkeit eine sagenhaft unvernünftige Liebe als so wahr und schön vor, daß sein Titel wie eine augenzwinkernd-harmlose Entschuldigung dafür erscheint: She´s so lovely.
Das ist sie in der Tat, die impulsive, etwas chaotische Maureen (Robin Wright Penn), die ab und zu über ihre eigenen hohen Absätze stolpert und dabei doch so wahnsinnig liebenswert und schön ist, daß man ihr wegen nichts böse sein kann. Weder dafür, daß sie raucht und trinkt, obwohl sie schwanger ist, noch für die Naivität »just for a drink« mit zu ihrem Nachbarn Kiefer in die Wohnung zu gehen. Später sitzt sie mit geschwollenem Gesicht bei der Polizei. Doch nicht um den Nachbarn anzuzeigen, sondern lediglich, um jemanden zu Hilfe rufen können, falls ihr Mann auf ihn losgehen sollte. Für ein gängiges emanzipiertes Gerechtigkeitsempfinden eine höchst seltsame Mischung aus Dummheit und bewußtem Handeln. Aber auch ihr Mann Eddie (Sean Penn), der schließlich nach dem üblichen mehrtägigen Verschwinden wieder auftaucht, entpuppt sich nicht als der selbstsüchtige und brutale Schlägertyp, den man erwartet hätte.
Reality is a hallucination caused by the lack of love
Schritt für Schritt setzt der Film die konventionellen Maßstäbe für gesellschaftliche DOs & DON'Ts außer Kraft. Eddie und Maureen leben in ihrer ganz eigenen Welt, mit einem fast kindlichen Verständnis von Gut und Falsch, das alle üblichen Vernunftsregeln als resignierte Ausreden entlarvt. Richtig ist, was sich richtig anfühlt: If it makes you happy, it can’t be that wrong. Seine gelegentlichen Anfälle wahnwitzigen Philosophierens, ihre Unsicherheit und Zerstreutheit – wenn sie zusammen sind, wird alles gut. Schwierig wird es nur, wenn ihre Welt auf die harte Realität prallt. Nach der bitteren Erfahrung mit Kiefer folgt gleich die nächste, denn der zweckmäßige Behördenapparat sieht nur zwei undifferenzierte Schubladen vor: normal oder nicht. Als Eddie durchdreht, landet er in einer Anstalt.
Zehn Jahre später wird Eddie entlassen. Maureen ist inzwischen mit Geschäftsmann Joey (John Travolta) verheiratet und lebt in einem gutbürgerlichen Familienidyll samt Kindersegen, Hund und Häuschen. Die Entscheidung, die sie nun fällen muß, treibt sie zur Verzweiflung. Leider gelingt Robin Wright Penn keine überzeugende Darstellung dieser Zerissenheit, so daß ihr Handeln lediglich etwas inkonsequent erscheint und eben jener Konflikt als zentraler Knotenpunkt der Gesamtaussage untergeht.
True Love
Während die amour fou zwischen Eddie und Maureen am Anfang des Films noch wie eine wunderbar leidenschaftliche aber nicht sonderlich reife Beziehungsstufe erscheint – ein Bündnis zum Schutz gegen die Außenwelt – so überzeugt sie am Schluß durch eine Stärke und Ausdauer, wie sie heutzutage selten geworden ist. »Ich wollte eine ganz reine, umfassende Form der Liebe zeigen«, so Nick Cassavetes über seinen Film, welcher, wie er selber weiß, ohne die hinreißende Darstellung seiner Schauspieler nicht funktioniert hätte (Goldene Palme für Sean Penn). Mit der Umsetzung des Drehbuchs seines verstorbenen Vaters John ist Nick Cassavetes eine vielschichtige Hommage an das Leben und die Liebe in all ihren sonderbaren Erscheinungsformen gelungen. Durch das Auslassen von Alltags- und Bettszenen wird die romantische Liebe zwischen Eddie und Maureen trotz des banalen Umfeldes gar auf eine märchenhaft-magische Ebene erhöht. Doch Nick Cassavetes gelingt es, selbst den dramatischen Schluß auf so humorvolle und unpathetische Weise darzustellen, daß man gemeinsam mit Maureen wie beim Erwachen aus einem unwirklichen Traum erst einmal ungläublig blinzeln und tief durchatmen muß, um das Erlebte zu begreifen. Und wenn die beiden im Gegensatz zu Sailor und Lula keine Deus-ex-machina-Fee brauchen, die noch huschhusch das Unmögliche möglich macht, so besteht Hoffnung, daß eine solche Liebe vielleicht nicht nur in Märchen vorkommt.