USA/I 2018 · 122 min. · FSK: ab 18 Regie: Stefano Sollima Drehbuch: Taylor Sheridan Kamera: Dariusz Wolski Darsteller: Josh Brolin, Benicio Del Toro, Isabela Moner, Matthew Modine, Catherine Keener u.a. |
||
Schule des Schweigens |
Dass Taylor Sheridans American Frontier Trilogy nun noch ein Spin-off erhält, ist natürlich schade. Denn Sicario, Hell or High Water und Wind River bilden ein derartig perfektes, präzises und gnadenlos gezeichnete Thriller-Triptychon über die auch nach 150 Jahren immer noch virulenten »Last Frontiers« der USA, mit all ihren Dämonen, ihrer Paranoia und ihren ethnischen und wirtschaftlichen Ausgrenzungen, dass es eines weiteren Kommentars eigentlich nicht mehr bedurfte.
Doch wahrscheinlich war es für Taylor Sheridan sinnvoller, ein Drehbuch für Sicario: Day of the Soldado zu schreiben als Banken auszurauben, um weitere und vielleicht »schwierigere« Projekte zu finanzieren.
Allerdings weckte im Fall Sicario 2 ja nicht nur eine Fortsetzung an sich schon die üblichen und allzuoft ja auch gut begründeten Ängste vor einem Franchise-Einerlei-Eintopf, auch einige andere wichtige Zutaten für eine würdige Fortsetzung waren schon im Vorfeld nicht mehr verfügbar. Regisseur Denis Villeneuve stieg aus, die weibliche – und moralische – Antipodin zu Benicio del Toro und Josh Brolin, Emily Blunt, wurde nicht mehr berücksichtigt und der Komponist Jóhann Jóhannsson, der für das dichte Score des ersten Teils verantwortlich war, starb Anfang Februar 2018 an einer Überdosis Kokain in Berlin.
Doch vergisst man einmal die Trilogie und übersieht ein paar haarsträubende Momente in Sheridans Drehbuch (das eines B-Movies würdige Abknallen des Kartell-Anwalts oder der Faktor Zeit vor, während und nach del Toros „Wiederauferstehung“), dann spricht plötzlich doch einiges für die Causa Sheridan, vor allem, weil Sheridan seinen moralisch-politischen Kurs noch einmal korrigiert hat. Gab es im ersten Teil über die Rolle, die Emily Blunt verkörperte, noch so etwas wie Hoffnung auf eine staatstragende, moralische Instanz, ist diese im zweiten Teil, mit Blick auf die gegenwärtigen politischen Verwerfungen in den USA, folgerichtig nicht mehr existent. Denn wer eine Mauer zwischen Mexiko und den USA bauen will, wer seine eigenen Geheimdienste diskreditiert und sich auch noch von nationalen Terrornetzwerken bedroht fühlt, dem ist auch zuzutrauen, dass er Kriege zwischen mexikanischen Kartellen anzettelt, so wie das ja im islamisch-arabischen Kulturraum bereits erfolgreich praktiziert wurde.
Gleichzeitig wird dadurch explizit deutlich, dass sich Moral und Mittel des amerikanischen Staates kaum mehr von den mafiösen Strukturen auf der mexikanischen Seite unterscheiden; ein Szenario, das immer wieder auch für die mafiösen Verflechtungen von Staat und Kirche in Italien gegolten hat. Auch deshalb mag es auf der Hand gelegen haben, für Sicario 2 mit Stefano Sollima einen Regisseur an Bord zu holen, der sich mit diesem Komplex bereits beschäftigt hat. Und ruft man sich Sollimas Suburra (2015) noch einmal in Erinnerung, überschneiden sich schnell Erinnerung und Gegenwart, ist auch in Sicario: Day of the Soldado Sollimas ein mit reaktionären Rambo-Ansichten leicht zu verwechselnder nihilistischer Realismus erkennbar, und eine für Villeneuve undenkbare opernhafte Opulenz, die jedoch immer wieder wohltuend durch einen skalpellartigen Zynismus gebrochen wird. Und ein Score der isländischen Komponistin und Cellistin Hildur Ingveldardóttir Guðnadóttir, das dem von Jóhann Jóhannssons – mit dem sie in der Vergangenheit immer wieder kollaboriert hat – in nichts nachsteht, sondern mit scheinbar simplen Streichermotiven die größtmögliche Wirkung erzielt.
In diese Disposition fügen sich Benicio del Toros und Josh Brolins rudimentäres Spiel bestens ein und del Toros schweigendem, fast stummfilmartig-expressivem Handeln zuzusehen, ist auch im zweiten Teil einer der Höhepunkte. Aber auch die von Sheridan neu hinzugefügten Nebendarsteller- und Schauplätze – Elijah Rodriguez als Miguel Hernandez und Isabela Moner als Isabela Reyes – sind klug gewählt, kann sich über sie Sollima neben den bis ins Extrem ausgereizten, kristallinen Actionsequenzen doch die Zeit nehmen, die komplexe Architektur der kriminellen Flüchtlingsindustrie in Mexiko zu skizzieren und gleichzeitig die gesellschaftlichen Schichten, aus denen sie sich rekrutiert, von der untersten bis zur obersten Ebene zu illuminieren. Und nicht nur das, sondern über diese beiden Charaktere dann auch so etwas wie eine Coming-of-Age-Geschichte erzählen, die zumindest im Keim noch so etwas wie Hoffnung formuliert.