Sing – Die Show deines Lebens

Sing 2

USA/F/J 2021 · 110 min. · FSK: ab 0
Regie: Garth Jennings
Drehbuch:
Musik: Joby Talbot
Schnitt: Gregory Perler
Filmszene »Sing - Die Show deines Lebens«
Ein seltener Moment: Scarlett Johansson und Bono im Duett
(Foto: Universal Pictures)

Die Macht der Musik

Die Fortsetzung von Sing entpuppt sich als überraschend autochthone Zauberkiste und ist das vielleicht beste Musical der Saison

Zugegeben, ich bin mit wenig Lust, ja fast schon trotziger Wut in diesen Film gegangen. Und ohne meinen 11-jährigen Sohn, dessen Hunger nach animierten Filmen nicht nach­lassen will, hätte ich es wohl auch gar nicht gemacht. Nicht schon wieder eine dumm­dreiste, sich selbst refe­ren­zie­rende Fort­set­zung, so wie kürzlich das Ärgernis um Matrix Resur­rec­tions. Oder Spiel­bergs Relaunch der West Side Story, mit dem Sing 2 wohl am ehesten zu verglei­chen ist, und das nicht nur, weil es auch ein Musical ist

Denn auch Sing – Die Show deines Lebens ist zumindest drama­tur­gisch von der mit anthro­po­mor­phen Tieren bevöl­kerten Welt des ersten Teils (Sing, 2016), in der der Koala Buster Moon um das Überleben seines Theaters kämpfen musste, nicht zu unter­scheiden. Auch in Sing 2 stellt Regisseur und Dreh­buch­autor Garth Jennings Buster Moon ins Zentrum. Und auch in diesem Teil müssen Buster und seine Truppe um ihr Überleben kämpfen, doch geht es dieses Mal nicht um das Überleben ihres Theaters, sondern um den Aufstieg auf die ganz großen Bühnen des Landes, in diesem Fall auf jene des ganz großen Musical-Moguls Jimmy Crystal, der in der an Las Vegas ange­lehnten Event-Stadt Redshore City residiert. Ähnlich wie im ersten Teil verhed­dert sich Buster auch im zweiten Teil immer wieder, hier besonders mit dem Verspre­chen, den seit fünfzehn Jahren zurück­ge­zo­genen Sänger-Superstar Clay Calloway für seine Show zu reak­ti­vieren.

Die dementspre­chende Dramatik liegt hier natürlich auf der Hand, die aller­dings durchaus mit subtilen Über­ra­schungen und Anspie­lungen auf die Musik­in­dus­trie und internen Verwer­fungen wie altge­stan­dene Tanz­lehrer, Kritiker und Hier­ar­chien delikat garniert wird.

Was Sing 2 dann aber zu einer wirklich positiven Über­ra­schung und einem gene­ra­ti­ons­ü­ber­grei­fenden Spaß (d.h. einem gelun­genen Fami­li­en­film) macht, ist die Musik (Joby Talbot), das Musical im Musical, das hier insze­niert wird; sind es die Choreo­gra­fien genauso wie die Songs selber, sind es die aber­wit­zigen, fast schon anar­chi­schen Ideen, die nicht nur musi­ka­lisch, sondern in ihrer Eigen­wil­lig­keit und Exzentrik auf ganzer Linie über­zeugen. Und zusammen mit den Anspie­lungen auf all die toxischen Elemente in inzwi­schen jeder­manns Leben sogar Leos Carax' Annette in einen ganz und gar unrühm­li­chen Schatten stellen.

Doch auch im Kleinen gibt es immer wieder Momente des Staunens: Allein die Neben­schau­plätze wie die Einbe­zie­hung der Mäuse als Stepp­tänzer, das pädago­gisch unkon­ven­tio­nelle Coming of Age von Jimmy Crystals Tochter Porsha, die Tanz­schulszenen für Johnny, den Gorilla, sind derartig filigran und liebevoll auser­zählt, dass die gesamte erzäh­le­ri­sche Patch­work­decke dieses Films kaum einen Moment bietet, der nicht ein zweites Hinsehen lohnen würde.

Und dann ist da natürlich das Hinhören, denn wie schon im ersten Teil (und den großen Anima­ti­ons­filmen an sich) sind die Stimmen und Songs aus einem Best-of-Pool aus Schau­spie­lern und Sängern geliehen, der zumindest bei dem einge­sun­genen Material auch in der deutschen Fassung bewahrt bleibt, wir also zumindest gesang­lich Matthew McCo­n­aughey (Buster Moon), Reese Withers­poon (Rosita), Scarlett Johansson (Ash), Taron Egerton (Johnny), Bobby Cannavale (Jimmy Crystal), Pharrell Williams (Alfonso), Halsey (Porsha) und Bono als Clay Calloway (im Duett mit Scarlett Johansson) lauschen dürfen, die allesamt ihren Teil dazu beitragen, dass dieser Zerr­spiegel mensch­li­cher Untiefen tatsäch­lich überzeugt, zum einen einlullt, zum anderen aufweckt.

Das funk­tio­niert auch mit den deutschen Sprechern exzellent, da auch hier die erste Sprecher-, Schau­spieler und Sänger­riege versam­melt ist, wir Ash von Silber­mond-Sängerin Stefanie Kloß, Karen Crawley von Katharina Thalbach, Nooshy von der Influen­cerin Julia Beautx und Jimmy Crystal von Wotan Wilke Möhring inter­pre­tiert hören. Nur die Rolle des alten, gebro­chenen Sängers Clay Calloway wirkt mit Peter Maffays Stimme vor allem dann deplat­ziert, wenn der große Calloway-Song von Dialog-Sentenzen umrahmt wird, da hier doch der Unter­schied zwischen Bonos Gesangs­stimme und Maffays Sprech­stimme einfach zu groß ist.

Was bleibt, ist eine wirkliche Musical-Über­ra­schung, die erheblich gegen­wär­tiger ist als Spiel­bergs 1950er-Jahre-Aufguss der West Side Story, dann aber durch das Genre Musical zumindest erzäh­le­risch die eng gesteckten Grenzen nicht erweitern kann, und moralisch komple­xere Anliegen, wie sie etwa in der anthro­po­mor­phen Tierwelt von Zoomania verhan­delt werden, hier nur in Ansätzen bedient werden können.