USA 1972 · 88 min. · FSK: ab 6 Regie: Conrad Rooks Drehbuch: Conrad Rooks, Hermann Hesse Kamera: Sven Nykvist Darsteller: Shashi Kapoor, Simi Garewal, Pincho Kapoor, Romesh Sharma u.a. |
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Im Schatten der Zeit relaxen |
Wieso sollte man sich einen sage und schreibe 40 Jahre alten Film im Kino ansehen? Diese Frage stellt sich jeder Kinobesucher von Siddhartha spätestens dann, wenn er bemerkt, dass der Film 1972 in den USA, 1997 in Deutschland zum ersten Mal lief. Die Antwort ergibt sich während des Films von selbst: Weil schöne Filme zeitlos sind.
Siddhartha, nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Hesse, handelt von der Lebensreise eines jungen indischen Adligen. Getrieben von der Neugier und der Sehnsucht nach erfülltem Leben entflieht Siddhartha dem engen väterlichen Zuhause und schließt sich zusammen mit seinem Freund Govinda einer Gruppe indischer Wandermönche an. Doch weder die strenge Askese und das Armsein, noch das meditative Leben in einem buddhistischen Kloster erfüllen Siddhartha. Er trennt sich von seinem Freund Govinda und geht in die große Stadt, wo er die sinnlichen Seiten des Lebens endlich kennen lernen will. Die Prostituierte Kamala führt ihn in die Kunst des Liebens ein, er wird reicher Kaufmann und lebt im Wohlstand. Am Ende landet er an dem Ort, den er zeitlebens gesucht hat: an den Ufern des Lebens.
Zum 50. Todestag von Schriftsteller Hermann Hesse bringt man die Verfilmung eines seiner bekanntesten Werke, vielleicht sogar des schönsten, noch einmal ins Kino. Während Hesse beim breiten Publikum bis heute nichts an Ruhm und Beliebtheit eingebüßt hat, gehen die Meinungen der Literaturwissenschaft und der Literaturkritik nach wie vor stark auseinander. Seine berühmtesten Werke, wie »Der Steppenwolf«, »Narziß und Goldmund« oder eben auch »Siddhartha« wurden und werden oft als Trivialliteratur angesehen. Die Strahlkraft seiner Literatur liegt aber gerade in der scheinbaren Einfachheit der lebensphilosophischen Fragen, die er darin stellt: Wie soll ich leben? Wohin führt mich mein Weg? Wer bin ich und wie finde ich mich selbst?
Wer in diesen Film jedoch mit den Erwartungen kinotechnisch verwöhnten Kinobesuchers des 21. Jahrhunderts geht, der sei vorsichtig. Im Zeitalter von spektakulären 3D-Movies wird es dem ein oder anderen Zuschauer von Siddhartha entweder ein Lächeln oder einen irritierten Blick aufs Gesicht zaubern. Bei einem 40 Jahre alten Film kann es nämlich schon einmal vorkommen, dass das Bild ruckelt und flimmert, die Lautstärke der Musik stark variiert oder die Synchronstimme zeitlich nicht immer der Mundbewegung entspricht. Glücklich, wer diese kleinen Unstimmigkeiten entweder als kinohistorisch wertvoll betrachten kann, oder einfach ignoriert.
Der Film schafft es, eine poetische Atmosphäre durch die Schönheit der Bilder zu kreieren, wie wir sie heute nur noch selten im Kino sehen. Der wilde Gesang der Wandermönche, die rauchend in der sengenden Hitze der indischen Steppe sitzen, das Wandern durch die Gärten Buddhas, in denen vollkommene Stille herrscht: wer nicht schon nach Lesen des Buchs vom meditativen Charakter von »Siddhartha« überzeugt war, der ist es spätestens nach dem Film.