Silentium

Österreich 2004 · 116 min. · FSK: ab 16
Regie: Wolfgang Murnberger
Drehbuchvorlage: Wolf Haas
Drehbuch: , ,
Kamera: Peter von Haller
Darsteller: Josef Hader, Simon Schwarz, Joachim Król, Maria Koestlinger u.a.
Natursekt, na servus!

Warmduscher

Salzburg hat touris­tisch ja soviel zu bieten. Also, nicht nur Nockerl, Mozart­haus und »Jedermann«. Auch der Mönchs­berg ist immer eine Reise wert, wenn man sich bei schöner Aussicht in den Tod stürzen möchte. Allen Sound of Music-Touren, allem Trach­ten­janker-Chic zum Trotz ist Salzburg eine beklem­mende Stadt, in der nicht nur Georg Trakl depressiv wurde. Silentium fängt perfekt ihre Düsternis und Enge ein, diesen leicht bräun­li­chen Sud aus Salzach-Dunst, Schnürl­regen und Stiegl-Bier. Und das sind noch die ange­neh­meren Flüs­sig­keiten in diesem Film – wenn erst das Blut anfängt zu tropfen, fließen, und der Natursekt, na dann servus!

Wobei Golden Shower noch immer besser ist als eine Dusche als Todes­kammer. Es ist nämlich so, dass der Brenner (Josef Hader) sich mal wieder Feinde macht und derart vom Niesel­regen in die brüheiße Traufe gerät, dass Komm, süßer Tod wie ein Kurauf­ent­halt wirkt dagegen. Weil der Ex-Bulle einer schönen Witwe nicht wider­stehen kann, die glaubt, dass ihr Mann nicht einfach von selbst vom Mönchs­berg in die Altstadt geplatscht ist.
Aber unbequeme Fragen stellen, das kann schnell ungesund werden. In einer Stadt, wo Kirche, Festspiel-Klüngel und Politik verfilzen. In einem katho­li­schen Internat, wo – »Silentium!« – das Schweigen oberstes Gebot ist und der Sport­prä­fekt (Joachim Król) neben Bibel und Tril­ler­pfeife in der Schublade eine Pistole hat. Im Fest­spiel­haus, wo ein Jung­re­gis­seur (Christoph Schlin­gen­sief) grade Mozarts Entfüh­rung aus dem Serail zum Irak-Krieg macht. Bald wirbelt dem Brenner der Kopf wie ein Tisch­fuß­ball-Männchen, und auf dem Fußball­platz wird er von einem Modell­flug­zeug gejagt – Cary Grant in Hitch­cocks North by Northwest ist nichts dagegen.

Dem Trio Haas, Murn­berger und Hader ist schon wieder eine konge­niale Film-Adaption von Haas' großar­tigen Romanen gelungen, und das ist um so höher einzu­schätzen, als diese Bücher eigent­lich gar nicht verfilmbar sind. Ihr eigent­li­cher Star ist der Erzähler mit seiner Stamm­tisch-Stimme. Im Kino wird er zur Randfigur, dafür bekommt der Brenner auch diesmal seinen Berti als Gefährten zur Seite. Und wir sehen einen der Inter­nats­zög­linge, wie er in sein Notizbuch schreibt: »Jetzt ist schon wieder was passiert,« den Eröff­nungs­satz aller Brenner-Krimis (außer dem ersten). Haas weiß, wovon er in Silentium schrieb, er war Schüler eines katho­li­schen Salz­burger Internats.

Silentium ist eine hemmungslos derbe, fies gewalt­tä­tige Satire gegen Kirche und Fest­spiele. Das eigent­lich Blas­phe­mi­sche, Brutale sitzt tiefer, dunkler drin, ist purer, tragi­ko­mi­scher öster­rei­chi­scher Exis­ten­zia­lismus: Das Mensch­sein als absurder Kreuzgang und Salzburg als Welt.