Simpatico

USA/F 1999 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Matthew Warchus
Drehbuchvorlage: Sam Shepard
Drehbuch: ,
Kamera: John Toll
Darsteller: Nick Nolte, Jeff Bridges, Sharon Stone, Albert Finney u.a.

Schönheit des Destruktiven

Matthew Warchus verfilmt Sam Shepards Simpatico

Die alte Geschichte: Ein Mann, noch einer, und eine Frau. Sie musste sich entscheiden, und was sie auch tat vor zwanzig Jahren konnte nur falsch sein. Jetzt holt die Vergan­gen­heit alle drei ein.

Vinnie erpreßt Lyle. Der herun­ter­ge­kom­mene Trinker (Nick Nolte) weiß etwas über den stin­k­rei­chen Renn­stall­be­sitzer (Jeff Bridges). Ein Wett­be­trug verbindet die beiden ehema­ligen Freunde noch mehr als ihre Liebe für die gleiche Frau. Lyle hatte Glück, gewann in Kentucky Geld, Einfluß und die Hand der schönen Rosie (Sharon Stone), während Vinnie in Kali­for­nien dahin­siecht. Ab und zu bekommt er Geld von Lyle, denn irgendwo versteckt er die Beweise der gemein­samen Tat. Jetzt hat er sich entschlossen, reinen Tisch zu machen, und bedroht damit die Existenz des alten, längst entfrem­deten Freundes.
Schuld und Sühne, Freund­schaft und Verrat, Rache und die Macht der Vergan­gen­heit – groß, bleiern und archaisch sind die Themen von Simpatico. Man befände sich nicht in einem Stück von Sam Shepard, ginge es hier nicht in einer Weise ums Ganze, die seltsam unzeit­gemäß anmutet, die besten­falls an Tennessee Williams erinnert, eher noch an das Wahr­heits­pa­thos aus Ibsens Stücken. Die Lebens­lüge muss zugrun­de­gehen, lautet die Botschaft, die Korrup­tion der Verhält­nisse ange­pran­gert und bestraft werden, koste es auch den höchsten Preis. Darum erinnert Matthew Warchus' Erst­lings­film auch nur in Form und Konstel­la­tion ein bißchen an einen film noir aus den 40ern, denn soviel Aufrich­tig­keit wie hier gab es dort nie. Vielmehr führten einem diese alten Filme die Macht vor, die Schein und Illusion über das Leben der Menschen haben, die Tatsache, dass es ganz ohne Schuld und Korrupt­heit kaum geht, dass ein Leben in reiner Wahr­haf­tig­keit ein Ding der Unmög­lich­keit ist – denn die Verhält­nisse, die sind nicht so. Darin lag die Moral jener Filme, die Anklage galt den Umständen, die dem Einzelnen keine Wahl lassen, außer der zwischen zwei Übeln, und in denen noch der Traum von Glück und Liebe nur zum Mittel wird, die letzte Hoffnung scheitern zu lassen.

Sam Shepard hingegen fordert die Buße von seinen Figuren. Sein Amerika ist nicht das Dickicht der bösen Städte, sondern die Weite der Prärie out there, das wüste Land neben den Auto­bahnen, wo ein Mann noch ein Mann ist, und ein Lager­feuer genügt, um ihn daran zu erinnern, worauf es wirklich ankommt. Auch die Frauen sind bei Shepard nur Metaphern, Zeichen für das, was sich ändern muss im Männer­leben und – so oder so – Bestä­ti­gung, inwiefern das geglückt ist. So war es schon 1985 in Fool for Love; und es ist nur folge­richtig, dass es diesmal eine Stunde dauert, bis man Sharon Stone zum erstenmal zu Gesicht bekommt.
Zuvor sieht man Vinnie und Lyle in all ihrer Gegen­sätz­lich­keit konfron­tiert: Der eine im Wohlstand seines Riesen­an­we­sens badend, mit genüß­li­chem Blick auf »Simpatico«, den schwarzen Hengst, der ihm bald Millionen einbringen soll. Vinnie hingegen irrt verz­ot­telt in zerris­senen Klamotten durch die Wüste eines x-belie­bigen Suburbs. Alarmiert durch dessen wirres Gefasel am Telefon, fliegt Lyle dorthin. Was er will, scheint hier noch klar, doch bald verwirrt sich das Bild. Er trifft auf Cecilia (Catherine Keeler), die ein wenig schus­selig ihrem Alltag nachgeht, und Vinnies keusche Geliebte ist. Binnen eines Tages vertau­schen sich die Rollen, während Vinnie Anzug und Kravatte anlegt und nach Kentucky fliegt, fängt Lyle an zu trinken und richtet sich in Vinnies Appart­ment häuslich ein – überdick aufge­tragen und langatmig erzählt wird dieses Wendung, nach deren psycho­lo­gi­scher Trif­tig­keit man nicht fragen sollte.
Doch auch Vinnie muss seine Illu­sionen ablegen: »Wir können nicht davon­laufen. Hier ist Endsta­tion. Du hast Deine Hölle und hier ist meine« erfährt er, als er endlich auf die einstige Geliebte Rosie trifft. Auch Lyle ruft dort noch einmal reuig an – bevor er mit dem Handy den letzten Anker zu seinem alten Leben fortwirft: »Wir haben’s versucht.«

Was bleibt von diesem Melodram sind daher nicht die Charak­tere – mögen sie noch so gediegen gespielt sein. Schon eher ist es die unter­gründig erzählte Geschichte über die (Un-)Taug­lich­keit der Mythen des Marlboro-Country. Das Spiel ist korrupt, der Hengst ist impotent, die blitzende Fassade wird herun­ter­ge­rissen; sie überlebt nur in den Träumen der Super­markt­ver­käu­fe­rinnen. Im letzten Drittel bekommt der Film plötzlich so eine Schönheit des Destruk­tiven. Aber zum Schluß traut er dieser Wendung dann doch nicht: Da sitzen dann Vinnie und Lyle, die beiden aprupt geal­terten Besser­wisser, endlich wieder heim­ge­kommen, endlich gemeinsam am Lager­feuer. Von der Sehnsucht nach der geliebten Frau sind sie befreit und freuen sich am »klaren Himmel« – noch eine Männer­phan­tasie.