Sieben verdammt lange Tage

This Is Where I Leave You

USA 2014 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: Shawn Levy
Drehbuch:
Kamera: Terry Stacey
Darsteller: Jason Bateman, Tina Fey, Jane Fonda, Adam Driver, Rose Byrne u.a.
Beglückend traurig, beklemmend schön

Die Welt wie eine beschwipste Putze

die welt fährt wie eine beschwipste
putze mit dem schrubber
unter
die konven­tionen und enthüllt...

(e.e. cummings)

Shawn Levy gilt gemeinhin als Meister des unre­flek­tierten, eindeu­tigen Main­streams. Seine Filme haben weltweit mehr als zwei Milli­arden Dollar einge­spielt. Von leichten und harmlosen Komödien wie Just Married und Night at the Museum bis zum knall­harten Science Fiction Real Steel ist so ziemlich alles dabei, was die Kassen klingeln lässt. Ein wenig über­ra­schend war es deshalb schon, als Levy bekanntgab, Jonathan Troppers Best­seller »This is where I leave you« (dt. Sieben verdammt lange Tage) verfilmen zu wollen; eine alles andere als eindeu­tige Geschichte: nach dem Tod des Vaters verkündet dessen Frau ihren erwach­senen Kindern, dass der letzte Wunsch ihres an sich nicht gläubigen Mannes die Bitte gewesen sei, dass die Familie nach seinem Tod das jüdische Schiv’a-Ritual begeht – was nichts anderes für den engeren Fami­li­en­kreis bedeutet, als eine Woche in einem Haus gemeinsam verbringen zu müssen, Freunde und Verwandte zu empfangen und dem Toten zu gedenken.

Schon Troppers Roman ist eine faszi­nie­rende grup­pen­the­ra­peu­ti­sche Versuchs­an­ord­nung, mit über­ra­schenden Spitzen gegen gesell­schaft­liche Konven­tion und einem gnaden­losen, aber doch humor­vollen Blick auf die Qualen, die lang­jäh­rige Bezie­hungen bereiten können. Ein Geschichte ohne Eindeu­tig­keit, statt­dessen eine der Zweifel und reflek­tie­render Momente.

Es kommt deshalb einer fast undenk­baren Symbiose von Autoren wie etwa Dan Brown und Karl Ove Knausgard gleich, einen Regisseur und Produ­zenten wie Shawn Levy mit der Verfil­mung von Troppers Roman zu beauf­tragen. Doch das noch viel undenk­ba­rere ist passiert: die Symbiose funk­tio­niert.

Nicht nur gelingt Levy es den ambi­va­lenten Grundton des Buches in eine ebenso komplexe filmische Fami­li­en­ge­schichte zu trans­for­mieren, sondern sie außerdem mit einer komö­di­an­ti­schen Leich­tig­keit zu würzen, die an die besten Bezie­hungs­komö­dien von Woody Allen erinnert, beglü­ckend traurig und beklem­mend schön. Levy bedient sich dafür kongenial bei der fast traum­wand­le­ri­schen Qualität eines schau­spie­le­ri­schen Ensembles, das bis in die letzte Rolle perfekt besetzt ist. Von der über­ra­genden Jane Fonda als Mutter Hillary Altman bis zu den vier Geschwis­tern Judd (Jason Bateman), Wendy (Tina Fey), Philip (Adam Driver) und Paul (Corey stoll) und der alten Jugend­liebe Penny (Rose Byrne) werden feinste Zwischen­töne ebenso atem­be­rau­bend getroffen wie grober Witz und delikate Grup­pen­in­sze­nie­rungen.

Was Sieben verdammt lange Tage aber zusätz­lich vom Main­stream ähnlicher Produk­tionen so wohltuend abhebt, ist die spie­le­ri­sche Selbst­ironie, mit der insze­niert wird. Nicht nur darf Jane Fonda sich wohltuend dekon­stru­ieren, sondern wird auch einem bril­li­anten Schau­spieler der zweiten Reihe wie Adam Driver die Möglich­keit geboten, das enge Korsett seiner bishe­rigen Rollen zu verlassen.

Viel­leicht braucht es also wirklich manchmal einen Regisseur, der seine heimat­li­chen Gefilde zu verlassen, der zu Gren­züber­schrei­tungen und Risiken bereit ist, um eine derartig uner­war­tete Fusion zu meistern – in der Leich­tig­keit und Witz gleich­be­rech­tigt stehen neben einer uner­träg­li­chen Schwere und uner­mess­li­chen Trau­rig­keit, in der uner­müd­lich um die Auflösung persön­li­cher und fami­liärer Traumata gerungen wird und ohne Ende und ohne Angst, selig beschwipst die Büchse der Pandora eins ums andere Mal geschüt­telt und geöffnet wird, nur um sie im nächsten Moment mit Gummi­bär­chen gefüllt, wieder zu verschließen.