DK/S/GB/E/D/F 2003 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: Søren Kragh-Jacobsen Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Søren Kragh-Jacobsen Kamera: Eric Kress Darsteller: Iben Hjejle, Bronagh Gallagher, Martin Henderson, Ewen Bremmer u.a. |
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In Schottland gestrandet |
Alltäglich klingt die Geschichte nicht: Marie, Streunerin mit Hang zum Alkohol, aber nicht arbeitsscheu, ist nach einer durchzechten Nacht mit Ihrer Freundin Sophie und zwei mehr oder weniger freundlichen Fremden völlig pleite. Widerstrebend lässt sie sich (mit viel Geld) überreden, für schottische Adelige Leihmutter zu werden, denn Sophie will sie unterstützen. Doch ein Schicksalsschlag wirft Marie aus der Bahn, sie flieht nach Glasgow zur Autowerkstatt Skagerrak, deren Inhaber der unbekannte Verlobte ihrer Freundin sein soll. Die Angestellten verschweigen der »vermögenden« Schwangeren den Tod des Chefs, um Scherereien zu vermeiden und an ihr Geld zu kommen. Und ein Freund der Auftrags-Eltern soll die geplante Abtreibung verhindern.
Absurde Voraussetzungen, skurrile Charaktere, dieser Film ist übervoll, aber nicht überdreht: Weder Taschentuch-Drama, noch Schenkelklopferklamauk, sondern über weite Strecken gelungener Mittelweg eine warmherzige Katastrophenkomödie. Und der überraschende Schluss biegt wieder zurecht, was in der Mitte des Films unglaubwürdig scheinen mag. Denn für eine »wahre Geschichte« ist einiges reichlich unwahrscheinlich: die bittere Armut der beiden Frauen im schottischen Küstenstädtchen, der schnelle Befruchtungs-Erfolg im herrschaftlichen Schloss und die billige Bereitschaft des Abtreibungsarztes stehen im merkwürdigen Kontrast zum harten Realismus der Depression, in die die Heldin kurzzeitig stürzt. Ein wirklich märchenhaftes es-war-einmal-Gefühl wird durch die massive Verankerung der Geschichte in dieser unserer Welt hintertrieben und sporadische Geistererscheinungen sind doch immer irgendwie erklärbar. Regisseur Kragh-Jacobsen reklamiert für seine unwirklich-wirkliche Geschichte einer widerstrebenden Frau – auf der Suche nach dem richtigen Weg zwischen Sophies Traum und Maries Leben – die Perspektive eines »magischen Realismus«.
Iben Hjejle als werdende Mutter Marie beweist packende Darstellungskunst, wie man sie auch aus ihren früheren Filmen gewohnt ist: In High Fidelity und auch in Kragh-Jacobsens vorherigem Film Mifune brillierte sie bereits als lebenskluge junge Frau, die mit verschrobenen Männer umzugehen versteht. Über ihre sympathische Charakterzeichnung vergisst man fast, sich zu wundern, dass der schottische Earl ausgerechnet eine Herumtreiberin, die er im Krankenhaus beim Alkohol-Diebstahl ertappt, zur Mutter seines Erben auserwählt. Die beste Freundin Sophie spielt wunderbar versponnen Bronagh Gallagher in einer leider kleinen Rolle, und den romantischen Gegenpart Ian alias Ken gibt Martin Henderson so überzeugend, wie die Drehbuchwirrungen nur hergeben. In einer drolligen Mischung zwischen Clowns und Weisen aus dem Morgenland zeigen Ewen Bremner als kinderlieber Gabriel, Gary Lewis als mürrischer Willy und Simon McBurney als trinkfreudiger Thomas ihr komisches Talent. Ein unterhaltsamer Film, der manch schwere Frage streift und dennoch seine Leichtigkeit nicht verliert.
Mifune hieß jene wunderbare schräge Komödie, mit der der dänische Regisseur Soeren Kragh-Jacobsen vor vier Jahren bekannt wurde – unter anderem gewann er den Silbernen Bären bei der Berlinale. Das war auf dem Höhepunkt der Dogma-Welle; mit Hilfe der strengen selbstgesetzten Regeln ihres Manifests erlebte eine ganze Reihe unbekannter Dänen plötzlich internationale Erfolge. Jetzt kommt Kragh-Jacobsens neuer Film ins Kino; wieder spielt Iben Hjejle nach zwischenzeitlichem Hollywood-Ausflug (High Fidelity) die Hauptrolle.
Doch aus Dogma ist die Luft raus, und an den Charme und die Kraft von Mifune kann Skagerrak in keinem Moment anknüpfen. Im Zentrum stehen zunächst Marie und Sophie, zwei junge Frauen, die ihr Leben mit Gelegenheitsarbeiten auf Bohrinseln und auf Fischereiinseln bestreiten. Abends in schottischen Häfen gibt es schnellen Sex und ein paar Schnapsgläser zuviel. Nachdem sie einer ihrer Gelegenheitslover beklaut, stehen sie ohne Geld da. Da macht ihnen ein anderer Zufallsbekannter einen ungewöhnlichen Vorschlag: Für 40.000 Pfund soll sich Marie vom Sohn des schottischen Adeligen schwängern lassen, damit das uralte Geschlecht nicht ausstirbt. Nach einigem Zögern nimmt Marie das Angebot der Leihmutterschaft an. Bis dahin funktioniert der Film noch recht gut, wenn auch das Verhältnis zwischen Ernst und Humor von Anfang an Schlagseite hat, und Marie (Hjejle) und Sophie (Bronagh Gallagher) gar zu unterschiedliche Typen sind, als das ihre innige Freundschaft je mehr wäre, als bloße Behauptung.
Denn auf alles, was jetzt ein spannender Stoff für Komödie wie Drama wäre – das Alleinsein Maries, ihr Verhältnis zu den arrogant-oberflächlichen Blaublütlern – verzichtet der Film zugunsten einer abstrusen Geschichte: Marie flieht nach Glasgow, gerät dort an drei völlig übertrieben gezeichnete Automechaniker, die Marie betrügen wollen, dann aber an ihr Gefallen finden. Hinzu kommt der vom Adelshaus als Detektiv entsandte Gutsverwalter, in den sich Marie verliebt... – eine absurde Wendung jagt die nächste, zusammen bildet das Ganze öde konstruierten Kitsch, der alle guten Ansätze im Keim erstickt.
Schuld daran trägt aber nicht nur der Regisseur, sondern auch ein europäisches Fördersystem, das es einem Dänen trotz internationalen Erfolgs nicht möglich macht, in seiner Heimat einen erfahrungssatten Stoff zu verfilmen, sondern ihn dazu zwingt, eine Geschichte aus Schottland zu erzählen, mit zum Teil schottischen Darstellern, in dem auch Dänen auf Englisch spielen müssen – blutleer und identitätslos, aseptischer Euro-Pudding par excellence. Schon Wilbur der Dänin Lone Scherfig, der wie Skagerrak, Mifune und so manch anderer dänischer Film von Drehbuchautor Anders Thomas Jensen stammt, scheiterte daran.
Trotz allem hat der Film immerhin ein paar gute Momente, und mit Iben Hjejle eine ebenso hübsche wie ausgezeichnete Hauptdarstellerin.