So Damn Easy Going

Så jävla easy going

Schweden/Norwegen 2022 · 91 min. · FSK: ab 12
Regie: Christoffer Sandler
Drehbuch: ,
Kamera: Nea Asphäll
Darsteller: Nikki Hanseblad, Melina Benett Paukkonen, Emil Algpeus, Shanti Roney u.a.
Filmszene »So Damn Easy Going«
Hier mal ganz unbeschwert
(Foto: Salzgeber)

Eine Romanze unter komplizierten Vorzeichen

Krankheit, Armut und lesbische Liebe: dies ist der Dreiklang des schwedischen Coming-of-Age-Films So Damn Easy Going

Die Jugend­bücher der schwe­di­schen Schrift­stel­lerin und Psycho­login Jenny Jägerfeld sind gerade angesagt: Nachdem die Regis­seurin Sanna Lenken 2021 den tragi­ko­mi­schen Roman »Comedy Queen« (2018) der Gewin­nerin des Astrid-Lindgren-Preises verfilmt hatte, adap­tierte ihr schwe­di­scher Kollege Chris­toffer Sandler 2022 den Roman »I’m Just So-o Easy Going« aus dem Jahr 2013. Von »easy going« kann bei der Prot­ago­nistin Joanna aber keine Rede sein. Die 18-Jährige wird von ADHS geplagt, der Aufmerk­sam­keits­de­fizit-Hyper­ak­ti­vi­täts­störung. Bei jedem Schub zappelt sie herum, bekommt Panik­at­ta­cken, in ihrem Kopf spielt sich ein Gewitter ab. Ein Medi­ka­ment hilft zwar, doch in der Apotheke bekommt sie wegen unbe­zahlter Rech­nungen keinen Nachschub mehr.

Ihr arbeits­loser Vater kann auch nicht helfen, er sitzt nach dem kürz­li­chen Tod seiner Frau apathisch vor dem Fernseher. Als Johanna in ihrer Not in der Schule Kondompäck­chen verkauft, lernt sie die hübsche neue Mitschü­lerin Audrey kennen und fühlt sich von ihrem selbst­be­wussten Auftreten angezogen. Umgekehrt flirtet Audrey gleich los, weil Joanna so ganz anders ist als andere Mädchen, impulsiv und verletz­lich zugleich. Aller­dings steht sich die Außen­sei­terin Joanna lange selbst im Weg, weil sie ihre Erkran­kung verschweigt.

Zwischen den Mädels entwi­ckelt sich rasch eine Freund­schaft, die in eine vorsich­tige Liebes­be­zie­hung mündet. Dabei hat Joanna bisher bei sich keine lesbi­schen Neigungen entdeckt – mit dem gleich­alt­rigen, etwas seltsamen Mitschüler Matheus trifft sie sich gele­gent­lich zum schnellen Sex. Dass zwischen den beiden Darstel­le­rinnen Nikki Hanseblad und Melina Paukkonen, die hier als Joanna und Audrey ihre ersten Haupt­rollen spielen, die Chemie stimmt, ist nicht zu übersehen. Kein Wunder, dass der charmante Coming-of-Age-Film 2022 mit dem QueerScope-Debüt­film­preis ausge­zeichnet wurde, den die Frei­burger Lesben­film­tage und die Schwule Filmwoche Freiburg gemeinsam vergeben. Zudem erhielt er den queeren Filmpreis »Echt« des Film­fes­ti­vals in Braun­schweig.

In seinem tragi­ko­mi­schen, zuweilen etwas vorher­seh­baren Spiel­film­debüt greift Sandler zu prägnanten Gestal­tungs­mit­teln, um die ADHS-Störungen von Joanna zu visua­li­sieren, aus deren Perspek­tive der Film erzählt. Wenn die Wirkung der Tablette nachlässt, hört Joanna alle Geräusche überlaut und sieht Funken und Blitze um sich. Und die Rast­lo­sig­keit der jungen Frau schlägt sich in den schnellen Schnitt­folgen des Films nieder.

Gegen die ständige Reizü­ber­flu­tung helfen ihr am besten ein paar Runden Schwimmen. Wenn sie scheinbar schwe­relos ins Schwimm­be­cken oder Meer eintaucht, verschwindet der Lärm, sowohl der aus der realen Umgebung als auch der in ihrem Kopf. Über­ra­schend leicht­füßig behandelt der 1986 geborene Regisseur zudem das Thema Armut. Im Hallenbad springt Joanna kurzer­hand über die Eingangs­sperre, um das Eintritts­geld zu sparen. Um Geld für das Medi­ka­ment und zum Füllen des leeren Kühl­schranks aufzu­treiben, schleppt sie auch einmal ein Paar Ski und einen Entsafter in die Pfand­leihe und lässt sich in ihrer Naivität auf ein dubioses Drogen­ge­schäft ein.

Trotz der psychi­schen Störungen der Tochter und der Depres­sion des Vaters versinkt der Jugend­film nicht in Tristesse oder Selbst­mit­leid, er balan­ciert vielmehr gekonnt auf der Schwelle zwischen Drama und Komödie. Im Span­nungs­feld zwischen harter Realität und traum­haften Augen­bli­cken schildert Sandler einfalls­reich, wie die sprung­hafte Prot­ago­nistin sich durch­schlägt, manchmal auch mal gegen Mitschüler ruppig wird, sich immer wieder aus Notlagen befreit. Wenn auch gele­gent­lich mit zwei­fel­haften Methoden.