Deutschland 2023 · 95 min. · FSK: ab 6 Regie: Thomas Stuber Drehbuch: Thomas Brinx, Anja Kömmerling Kamera: Conrad Lobst Darsteller: Elisabeth Bellé, Lale Andrä, Noèl Gabriel Kipp, Sophie Lutz, Katja Preuß u.a. |
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Die Geister, die wir riefen... | ||
(Foto: farbfilm) |
Zu Neujahr 1979 strahlte das DDR-Fernsehen erstmals die siebenteilige Kinderserie Spuk unterm Riesenrad nach einer Buchvorlage des Autors Claus Ulrich Wiesner aus, die zum Publikumshit wurde und sich vor allem im Osten Deutschlands noch heute einer gewissen Beliebtheit erfreut. Nach diesem Erfolg wurde das Filmmaterial zu einem zweiteiligen Kinofilm zusammengeschnitten (Teil 1: Die Ausreißer, Teil 2: Eine Burg in Gefahr), der auch in den Kinos der Bundesrepublik gezeigt wurde. Der Regisseur Günter Meyer entwickelte sich dadurch zum Kindergruselspezialisten und inszenierte zwischen 1982 und 2001 fünf weitere Filme mit »Spuk« im Titel.
45 Jahre nach der Erstausstrahlung der Serie hat sich die Erfurter Produktionsfirma Mideu Films an eine Neuinterpretation des märchenhaften Stoffes gewagt. Die Regie vertraute sie Thomas Stuber an, der nach starken Filmdramen wie In den Gängen oder Herbert hier seinen ersten Film fürs Familienpublikum vorlegt. Das Drehbuch schrieb das Duo Die Köbris (Anja Kömmerling und Thomas Brinx), das mit dem Kinderfilm Winnetous Sohn bereits Erfahrung mit Erzählungen für das junge Publikum gesammelt hat. Sein Skript greift einige Eckpunkte der alten Serie auf, verpasst dem Stoff aber eine durchgreifende Modernisierung.
Kurz vor dem 40. Jubiläum seines Freizeitparks in Bernburg wollte sich der alte Jackel (Peter Kurth) endlich mit seinen beiden Töchtern Simone (Sophie Lutz) und Britta (Katja Preuß) versöhnen, um den maroden Rummelplatz zu retten. Doch daraus wird nichts: Der knorrige Patriarch bricht tot am Klavier zusammen. Doch dank eines Blitzschlags fährt sein Geist in ein gepunktetes Pony und kommentiert fortan mit leiser Ironie aus dem Off das Geschehen. Ein weiterer Blitz erweckt zudem die hölzernen Geisterbahnfiguren Hexe (Anna Schudt), Riese (Moritz Fühmann) und Rumpelstilzchen (David Bennent) zum Leben.
Zur Beerdigung reisen Simone mit ihrer 13-jährigen Tochter Tammi (Elisabeth Bellé) sowie Britta mit ihren Kindern Umbo (Noèl Gabriel Kipp) und Keks (Lale Andrä) an. Während die Schwestern noch darüber streiten, was aus dem Erbe werden soll, findet Tammi den Rummelplatz öd, zumal sie dort keinen Handy-Empfang an. Dabei nimmt sie gerade an einer wichtigen Challenge teil und war kurz davor, mit ihrer Mutter nach Formentera zu fliegen, von wo sie ihren Instagram-Followern spektakuläre Fotos schicken will. Mit Cousin und Cousine, die sie kaum kennt, kann sie wenig anfangen, doch dann begegnet sie den Geistern, die das Mädel als ihre »Mutti« betrachten, und erkennt deren Potenzial für ihre Reisepläne. So stellt das Geistertrio in ihrem Auftrag allerlei Unfug an und vertreibt einen Investor, den die geschäftstüchtige Keks zum Freizeitpark eingeladen hat. Als Tammi ihre Intrige bereut, sind die Geister außer Kontrolle geraten und stellen die nächste Kleinstadt auf den Kopf.
Die Neuverfilmung des Stoffes bemüht sich, die heutige Jugend in deren Lebenswelt abzuholen. So klebt Tammi an ihrem Smartphone und fast nur noch eine Challenge auf Instagram im Kopf. Die angehende Influencerin unbedingt so viele Likes wie möglich ergattern, um ein Treffen mit ihrem Idol Azzo zu gewinnen. Zugleich signalisieren rote Herzchen-Symbole und Pfeile im Bild, dass wir uns in der Jetzt-Zeit der sozialen Medien befinden. Angesichts der aktuellen Beliebtheit von Gruselfilmen wie der Netflix-Serie Stranger Things bei Teenagern bringt Stuber wohl nicht zufällig auch eine Anspielung auf die Ghostbusters-Filme an.
Im Vergleich dazu wirkt die ramponierte Geisterbahn altmodisch, der ganze Rummelplatz renovierungsbedürftig. Kein Wunder, dass das altkluge Organisationsgenie Keks, die als 13-Jährige schon Businessplänen aufstellen kann, sofort mit den Planungen für eine Umwandlung des Areals in einen coolen Monsterpark beginnt. Allerdings wirkt diese Mini-Ausgabe einer renditeorientierten Unternehmensberaterin ebenso typisiert und überzogen wie der Instagram-Junkie Tammi.
Die geradlinige, von leichter Ostalgie geprägte Inszenierung setzt über weite Strecken auf Slapstick-Nummern, die bei den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern zumindest hin und wieder für Heiterkeit sorgen dürften. Das zeigte sich beim 30. Kinolino-Filmfest für junges Publikum in Dresden, wo der Film 2023 den Publikumspreis und den Preis »Goldener Hecht« der Kinderjury für den »lustig-gruseligsten Film« erhielt.
Allerdings wirken einige Späße des Fantasyfilms allzu altbacken, etwa wenn ein Geist das Riesenrad, in dem der Investor und seine Familien Platz genommen haben, mit Zauberkraft in grotesker Manier vor- und zurückrasen lässt. Auch bei manchen Erwachsenenfiguren greift die Regie zu unnötigen Übertreibungen, etwa wenn sie wie zwei Lokalpolizisten zu Witzfiguren stilisiert.
Während die Kinderdarsteller ihre Sache ordentlich machen, sind die prominenten Geister-Darsteller kaum hinter ihren unförmigen Masken, Frisuren und Kostümen zu erkennen. Weitere Erwachsenenfiguren wie Jackels Töchter bleiben zu statisch, als dass Katja Preuß oder Sophie Lutz nennenswerte Entfaltungsmöglichkeiten bieten könnten. Und dem großartigen Peter Kurth, ein Stammgast ist Stubers Filmen, ist leider nur ein Kurzauftritt als Jackel vergönnt.
Insgesamt hält sich der Unterhaltungswert des Films trotz der Modernisierung in Grenzen. Meist bleibt er bei oberflächlichen Gags stehen und verschenkt die Möglichkeit, angerissene Konflikte wie den Erbstreit, die Nachfolgefrage bei Familienunternehmen oder Tammis Rollenumkehr als »Mutti« dramatisch oder komisch zu vertiefen. Auch das Potenzial der VFX-Effekte wird etwa bei den herkömmlichen Streichen der entfesselten Geister zu wenig genutzt. Das glühende Elektrokabel, das sich nach dem Blitzeinschlag wie eine Gespensterschlange über den Rummelplatz windet, beweist anschaulich, was möglich gewesen wäre.