Sputnik

Deutschland/B/CZ 2013 · 83 min. · FSK: ab 0
Regie: Markus Dietrich
Drehbuch:
Kamera: Philipp Kirsamer
Darsteller: Flora Li Thiemann, Finn Fiebig, Luca Johanssen, Emil von Schönfels, Devid Striesow u.a.
Ein Kindertraum wird wahr

Beam me up, Erich

1957 brettert der Sputnik um den Erdball. Der sowje­ti­sche Kosmonaut Juri Gagarin fliegt später, 1961, hinterher. Das ist mutig und großartig. Die sowje­ti­sche Kosmo­nautin Walentina Teresch­kowa fliegt 1963 als erste Frau und Role Model ins All.

Es gibt die Geschichte einer Schul­klasse in der DDR, in der alle Kinder Kosmo­nau­tInnen werden wollten. Nur ein Mädchen wollte Friseurin werden. Die hatte es dann erstmal schwer. Mit ihr wurde nicht mehr gespro­chen.

Diese Begeis­te­rung für das extra­ter­res­tri­sche Flugwesen hat auch Markus Dietrich, den Autor und Regisseur des Films Sputnik, erfasst. Selbst Jahrgang 1979 lässt er sich von der Euphorie für den Kosmos anstecken. Er schreibt: »Als im Jahr 1957 der Sputnik die Erde umrundete und sein markantes Pieps-Geräusch rund um den Globus sandte, wurde nicht nur die Ära der Raumfahrt einge­leitet, sondern auch eine weltweite Begeis­te­rung ausgelöst, die die Menschen wie eine Epidemie erfasste. Alle gemeinsam starrten in den Himmel oder krochen in die Radio­geräte, um dem vorbei­flie­genden künst­li­chen Himmels­körper zuzu­ju­beln. Damals war ich noch nicht geboren. Aber der Sputnik wurde für mich zu einem Symbol, dass man mit einer verrückten Idee und ein bißchen Wellblech alles erreichen kann.«

Eine weitere gute Nachricht zum Film ist, dass der DDR-Polizist nicht von Detlef Buck gespielt wird. Auch wenn Buck für diese Rolle geradezu prädes­ti­niert scheint, Devid Striesow kann das auch sehr gut. In den ersten Szenen schwebt der grün­uni­for­mierte Geist von Buck noch ein wenig vor dem inneren Filmauge. Dann hat Striesow den Vopo voll und ganz im Griff.

Sputnik ist ein Film, der sich den Ereig­nissen rund um den 9. November 1989 in beson­derer Weise nähert. Er geht unter vielen anderen der Frage nach: Wer oder was brachte denn nun die Berliner Mauer zum Einsturz? War es SED-Politbüro-Mitglied Günter Scha­bowski mit seinem miesen Zettel-Trick? Oder war es doch der Dschun­gel­camper David Hassel­hoff? Schließ­lich hatte sein Hit »I've been looking for freedom« die Menschen in der DDR dazu gebracht, sich der dortigen Schre­ckens­herr­schaft und Diktatur bewusst zu werden. Im angel­säch­si­schen Raum wird geglaubt, dass David Hassel­hoff für einen beliebten Frei­heits­bringer im deutschen Land gehalten würde und alle alle Schall­platten, CDs und weitere Tonträger von ihm hätten.

Auch der anfangs so schüch­terne Klaus Uhltzscht könnte der Mauer den Garaus gemacht haben. Dessen Geschichte beschrieb Thomas Brussig 1995 in seinem Schel­men­roman »Helden wie wir«. Sebastian Peterson verfilmte 1999 den Stoff. Durch das Zeigen seines selbst­be­wusst und groß (→ erwachsen) gewor­denen Genitals hatte Uhltzscht die DDR-Führung überzeugt, dem Drängeln des Volks nach­zu­geben und die anti­fa­schis­tisch-sozia­lis­ti­schen Gatter zu öffnen.

Markus' Dietrich Film präsen­tiert eine andere Idee.

Im Herbst 1989 ist die DDR in großer Unruhe auf allen Seiten. Die Ängst­li­chen ducken sich. Die, die es überall aushalten, trinken sehr viele Biere und Schnäpse. Die Unge­dul­digen und Zappligen überlegen, ob ihr eigenes Leben nicht mehr zu bieten haben könnte als die sozialen Errun­gen­schaften des Arbeiter- und Bauern­staates.

Zu der letzten Grup­pie­rung gehören einige Kinder des Dorfes Malkow in Bran­den­burg. Die zehn­jäh­rige Frie­de­rike ist die mit der größten Klappe, einem großen Herz und viel Mut. Sie ist ein Trekkie der sozia­lis­ti­schen Art. Sie guckt die SciFi-Filme im Fernsehen nicht nur zur Unter­hal­tung, für sie sind es Lehrfilme für eigene Beam-Expe­ri­mente. Sie will ihren innig geliebten Onkel, der Anfang November 1989 die DDR nach West-Berlin verlässt, wieder haben. Und zwar genau hier, vor Ort, in Malkow. Dafür braucht sie viel Energie. Die eigene, die ihrer männ­li­chen Groupies und die aus der Steckdose.

Die Verwirk­li­chung dieses Traums zeigt der mit viel Sorgfalt und liebe­voller Mühe insz­e­nierte Kinder­film. Ein schöner wilder Mix mit Elementen aus Historien-, Science Fiction- und Fantasy-Töpfen.