Deutschland 2005 · 93 min. · FSK: ab 12 Regie: Rolf Peter Kahl, Miriam Dehne, Esther Gronenborn, Irene von Alberti Drehbuch: Miriam Dehne, Esther Gronenborn, Irene von Alberti Kamera: Dirk Heuer, Felix Leiberg, Patrick Waldmann Darsteller: Richard Kropf, R.P. Kahl, David Scheller, Inga Busch u.a. |
Es gibt viele Möglichkeiten, um seinen Körper immer weiter aufzutunen, damit die Ware Mensch so richtig gut läuft. Und in den letzten Monaten konnte man vor dem Fernseher live mitverfolgen, wozu Männer und Frauen bereit sind, nur um ein wenig Erfolg einzuheimsen. Selbst wenn er nur fünfzehn Minuten hält.
Auch Marlon (Richard Kropf), Lizzy (Inga Busch) und Ohboy (David Scheller) versuchen das beste aus ihrem Körper herauszuholen. Gerade in ihrem Beruf als Schauspieler ist der Körper existentiell. Er wird für die jeweilige Produktion an den Regisseur verliehen, der ihn wiederum mit Bedeutung füllt. Besonders Lizzy muss dies am eigenen Leib erfahren als sie während der Proben dem Regisseur eine Interpretation ihrer Rolle anbietet: Wie ein kleines Kind wird sie von ihm sachte aber bestimmt in die Schranken gewiesen, woraufhin sie sich hilflos schmollend in ihre Ecke zurück zieht. Und genau jene Rolle annimmt, die ihr vom Regisseur zugewiesen wird.
Der Episodenfilm Stadt als Beute ist in Berlin angesiedelt. In der größten Baustelle unserer Republik. Dort führen die drei Regisseurinnen Gronenborn, Dehne und von Alberti den Zuschauer zu einer weiteren Baustelle: in den Probenraum im Prater der Berliner Volksbühne, wo René Pollesch gerade Stadt als Beute inszeniert und in dem Marlon, Lizzy und Ohboy die Hauptrolle spielen. Die Kamera folgt den dreien nach Beendigung der Probe, lässt erst Marlon, dann Lizzy und zuletzt Ohboy durch die angeranzten Straßen der deutschen Hauptstadt ziehen. Alle drei sind auf der Suche nach ein wenig Orientierung in dieser Häuserwüste, die durch die ihre Vielfalt an Möglichkeiten den Blick auf das Wesentliche versperrt.
Marlon ist neu in der Stadt und ist froh, wenn er den Weg zur Volksbühne kennt. Das Tempo, dass ihm die anderen Schauspieler bei den Proben vorgeben, ist ihm noch völlig fremd. Lizzy hingegen weilt schon länger in Berlin, sie hat sich der Stadt und ihrer Geschwindigkeit angeglichen. Im Gegensatz zu Ohboy ist sie noch davon überzeugt, dass es eine Möglichkeit gibt sich in diesem Wust an Angeboten zurecht zufinden. Sie weiß, wie wichtig es ist ihren Körper zu inszenieren, damit sie begehrenswerter ist. Ohboy hingegen kann von Glück reden, wenn er es schafft rechtzeitig zu den Proben zu erscheinen. Doch meisten ist er viel zu spät. Was alle Beteiligten außer Pollesch maßlos aufregt, denn ständig müssen andere seinen Text übernehmen.
Sehr sachte und langsam beginnt Irene von Alberti die erste Geschichte über Marlon zu inszenieren, um den Widerspruch zwischen seinem Tempo und der Schnelligkeit der Stadt zu verdeutlichen. Die Diskrepanz zwischen der Begeisterung für das Neue und der Angst nicht mithalten zu können wird hier insbesondere durch die unaufdringliche Inszenierung deutlich, die sich keiner plakativen Bilder bedient, sondern ganz zu recht auf das Spiel von Hauptdarsteller Richard Kropf verlässt.
Ganz anders wiederum ist dies in der zweiten Episode über die extrovertierte Schauspielerin: Der Hauptteil der Geschichte ist in einem zwielichtigen Berlin-Club angesiedelt, in dem Lizzy auf den überaus gutaussehenden Callboy Julian (Stipe Erceg) und das lethargische Pornosternchen Babe (Julia Hummer) trifft. Doch anstelle die Ähnlichkeit zwischen der Pornoqueen und Lizzy aufzuweisen, präsentiert Regisseurin Miriam Dehne lieber langweilige Knutschereien, die aus jedem beliebigen R'N'B' Video stammen könnten. Dabei hätte sie ruhig auf das hippe Interieur verzichten können und sich auf die schauspielerischen Leistungen ihrer Hauptdarstellerin Inga Busch alias Lizzy verlassen können.
Die dritte Episode von Esther Gronenborn knüpft in ihrer Schlichtheit wieder an die erste an und setzt den Akzent lieber auf die Handlung als auf ein aufwendiges Setting. Insbesondere in einer der letzten Sequenzen, in der Ohboy in den Brunnen des Sony Centers springt, nur um mit den umstehenden Menschen in Kontakt zu treten, wird die verzweifelte Suche nach Annerkennung und Geborgenheit deutlich, die allen drei Figuren zu eigen ist.
»Ich hab keine Ahnung, was das hier ist, diese Beute in der ich lebe. Was ist das denn für eine Beute in der ich lebe«, schreit Lizzy während der Proben ihren Text hinaus. Auch die drei Regisseurinnen scheinen auf diese Frage keine Antwort zu haben, nicht zu wissen, wie man sich gegen die Anwendung des Kapitalprinzips auf den menschlichen Köper wehrt. Was bleibt ist ein Schwarzbild am Ende des Films.