China/HK 2006 · 108 min. Regie: Jia Zhang-Ke Drehbuch: Jia Zhang-Ke Kamera: Yu Lik Wai Darsteller: Han Sanming, Zhao Tao, Wang Hong-wei u.a. |
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Über dem Yangtze |
Keine Geringere als Catherine Deneuve leitete die Jury beim Festival von Venedig, wo der erst 36jährige Chinese Jia Zhang-ke im vergangenen Jahr mit diesem Film den Goldenen Löwen gewann. Und Weltstar Deneuve ist ein erklärter Fan von Sanxia haoren wie Still Life im Original heißt. Still Life erzählt von zwei Menschen, einem Mann und einer Frau, die auf der Suche sind. Die Frau, eine Krankenschwester, sucht ihren Mann, einen Ingenieur, um sich von ihm scheiden zu lassen. Der Mann kommt aus einer fernen Provinz und sucht seine vor sechzehn Jahren entflohene Frau.
Doch das eigentliche Thema ist die Gegend, in der diese Handlung angesiedelt ist, ist das gegenwärtige Leben in der Fengjie-Provinz in der östlichen Mitte Chinas, wo derzeit der megalomane »Drei-Schluchten-Staudamm«, das größte Staudammprojekt der Welt gebaut wird – und für Unruhe bei Umweltschützern und Bürgerrechtlern sorgt. Die Regierung schlägt deren Proteste oft brutal und unter Missachtung auch chinesischen Rechts nieder. Ohne platte Parteinahmen, ohne bitteren Sozialrealismus, aber auch ohne Veredelung ins Epische zeigt Jia ein Stück Gegenwart seiner Heimat, das in dieser Form der Pekinger Regierung nicht gefallen kann. Denn Jia, der Regisseur von Pickpocket, Plattform und Sijie zeigt in – paradoxerweise – wunderbaren Szenen apokalyptische Bilder von Städten die dem Erdboden gleichgemacht und überflutet werden, Familien die aus Häusern vertrieben werden, die ihnen seit Jahrzehnten gehörten, Untergänge inmitten eines Booms, den die Welt noch nicht gesehen hat. Immer wieder sieht man irgendwo mit weißer Farbe eine Meterzahl hingepinselt, z.B.: »Stufe 2 – 129,3 Meter«. Bis hierhin wird das Wasser steigen, und alles, was wir sehen, die Straßen, die Häuser, die Geschichten und Erinnerungen werden unter unvorstellbaren Wassermassen begraben werden. Zugleich entwickelt Jia eine originelle Form, um fast dokumentarische Darstellung und Erzählung poetisch zu verbinden. Vor allem die Bilder von Jias Hongkonger Stammkameramann Yu Lik-wai (selbst auch ein Regisseur, von Love Will Tear Us Apart und All Tomorrow’s Partys) bohren sich ins Gedächtnis.
Kein anderer vergleichbarer Film drängt sich ähnlich auf, als zwei Filme Antonionis: Zabriskie Point und noch mehr Il deserto rosso (Die Rote Wüste). Ähnlich wie sie handelt Still Life – das Stilleben ebenso bedeutet, wie ruhiggestelltes, halbtotes Leben – nicht etwa von »übereilter Modernisierung« oder solchen weltlichen Dingen, sondern von der Schuld der Moderne, von Apokalypse und von der Verwüstung der Erde. Das Thema ist die Verlassenheit der Welt, ist Endzeitstimmung und Einsamkeit des Menschen.