USA/GB 2015 · 108 min. · FSK: ab 16 Regie: Burr Steers Drehbuch: Burr Steers u.a. Kamera: Remi Adefarasin Darsteller: Lily James, Sam Riley, Jack Huston, Bella Heathcote, Douglas Booth u.a. |
||
Übung in britischer Zurückhaltung |
Wir schreiben das Jahr 1811: In England tobt die Zombie-Apokalypse. London wurde bereits von den fauligen Rotten überrannt und auch auf dem Land treiben sich immer mehr der untoten Hirnfresser herum. Doch Mrs. Bennet hat andere Sorgen: Sie besitzt fünf Töchter im heiratsfähigen Alter, die es unter die Haube zu bringen gilt. Eine von ihnen ist die hübsche Liz (Lily James), die sich ausgerechnet zu dem arroganten Zombiejäger Mr. Darcy (Sam Riley) hingezogen fühlt.
Stolz und Vorurteil & Zombies ist gewiss einer der lustigsten Filmtitel des Jahres. Es ist auch einer der bisher witzigsten Filme im Jahre 2016 – gerade weil er die an solch einen Titel geknüpfte Erwartungshaltung immer wieder konsequent unterläuft. Denn bei diesem handelt es sich mitnichten um eine mit britischen Humor gewürzte Zombie-Splatter-Komödie vom Schlage eines Shaun of the Dead (2004), sondern um eine Adaption des berühmten Romans von Jane Austen aus dem Jahre 1813, die ihren Humor gerade aus der Tatsache heraus bezieht, dass sie ihre Vorlage weitestgehend ernst nimmt.
Wie man auf solch eine absurde Idee kommen kann? Schwer zu sagen. Jedenfalls geht die Frage weniger an den Regisseur und Drehbuchautor Burr Steers (IGBY, 2002), als an den Autoren der Buchvorlage, Seth Grahame-Smith. Jener hatte bereits die literarische Vorlage für den aberwitzigen Film Abraham Lincoln Vampirjäger (2012) geliefert, der zeigte, dass der 16. Präsident noch einer heute in Vergessenheit geratener Nebentätigkeit nachging.
In Stolz und Vorurteil & Zombies jagt Abraham Lincoln zwar keine Vampire, dafür jedoch Sam Riley Zombies. Hierbei geht Riley mit ähnlich ernsthafter Mine und stoischer Haltung, wie in dem grandiosen Alpenwestern Das finstere Tal (2014) vor. Schreiend komisch ist es bereits, wenn der von ihm gespielte Zombiejäger Mr. Darcy in einer der ersten Szenen in den Speiseraum eines Landhauses seinen speziellen Zombie-Detektor mitbringt – ein kleines Gläschen mit Fliegen – und die angeekelte Miene einiger feiner Damen mit dem trockenen Spruch quittiert: »Das Herumfliegen dieser kleinen Geschöpfe sollte Ihnen keine Sorgen bereiten. Sie sollten sich erst anfangen Sorgen zu machen, wenn diese aufhören zu fliegen.«
Es ist jedoch nicht so, dass in dieser alternativen Realität alle Frauen schreckhafte Geschöpfe wären, die bereits vor einer kleinen Fliege Angst haben. Gerade die jüngeren Damen, wie die fünf Töchter von Mrs. Bennet sind in der Regel äußerst patent. So besitzen diese unter ihren wallenden Röcken nicht nur sexy Strümpfe und Strumpfhalter, sondern ebenfalls an jene angepasste Gürtel, die tödlich spitze und scharfe Messer beinhalten. Wenn diesen hübschen Nymphen also ein fauliger Untoter zu nahe kommen sollte, machen sie diesen noch kälter, als er ohnehin schon ist. Denn keineswegs umsonst haben sie bei chinesischen Shaolin-Mönchen deren Kampfkunst erlernt.
Allerdings ist diese Ausbildung dem hochnäsigen Mr. Darcy zufolge nicht ganz das Gelbe vom Ei. Schließlich lernt die gesellschaftliche Crème de la Crème ausschließlich bei den Japanern. Dies zeigt, dass die berüchtigten Standesdünkel der britischen Oberschicht bis in die zu bevorzugende Technik zur Zombie-Abschlachtung hineinreichen. Genau hier zeigt sich der äußerst trockene Humor, der den außergewöhnlichen Reiz von Stolz und Vorurteil & Zombies ausmacht.
Dies bedeutet jedoch ebenfalls, dass dieser Film einen Großteil der potenziellen Zuschauer, die sich von seinem grotesken Titel angezogen fühlen werden, komplett verprellt. Denn auch in Hinblick auf Blutfontänen und Eingeweide-Geschmodder übt sich Stolz und Vorurteil & Zombies durchaus in britischer Zurückhaltung.
»To succeed in polite society, a young woman must be many things. Kind... well-read... and accomplished. But to survive in the world as WE know it, you'll need... other qualities. ... I shall never relinquish my sword for a ring.«
Elizabeth Bennet in Pride and Prejudice and Zombies
Schon, wenn man zu Beginn die sanfte Klaviermusik hört, die Vögel zwitschern, und wir auf der Leinwand eine weite englische Hügellandschaft erblicken, die gar nicht so fern an die Bilder Thomas Gainsboroughs erinnert, dann wissen wir: It’s Jane Austen-Time. Wir atmen noch einmal tief durch – dann werden die Korsetts enger geschnürt, Hüte zurecht gerückt, Menschen sagen Sätze wie »More tea dear?« und beurteilen einander anhand der Zahl der jeweiligen Dienstboten.
In den 1990er Jahren begann im Kino eine regelrechte Jane-Austen-Welle. Das Publikum sehnte sich nach der Welt von Vorgestern, den Liebes-Herz-Schmerzdramen des englischen Landadels, in denen sich alles darum drehte, wen man wann heiratet, und wie man trotz gesellschaftlichen Drucks glücklich wird. Gütige Tanten fungierten als Beziehungsconsultants, schüchterne junge Männer brachten das Publikum zum Glucksen, böse Tanten und falsche Verehrer sorgten für Spannung – Jane Austen bot konservative Sinnlichkeit mit Sinnerfüllung für die Bildungsbürger.
Natürlich wurde dann noch betont, wie modern all diese Stoffe doch eigentlich seien, wie subtil die soziale Analyse, und wie anspielungsreich und boshaft noch die banalsten Dialoge, wenn man sie nur zu dekodieren verstünde. Und tatsächlich kamen einige der besten Filme der Jahre 1994 bis 2005 aus dem Jane-Austen-Kosmos. Die Welle ebbte erst ab, als jeder Jane-Austen-Roman mindestens einmal verfilmt war.
Doch jetzt ist es soweit, und ein neuer Austen-Film kommt ins Kino: So in etwa zumindest »Stolz und Vorurteil«, der berühmteste Austen-Roman wurde hier mit dem Zusatz »Und Zombies« versehen. Was ist das denn? Nun ja... Zombies, das zur Erinnerung an die auf Hochkultur fixierten Gentlemen, sind die Untoten des Kinos. Sie kommen, meist in amerikanischen Horrorfilmen schlurfend und schmatzend, in ihren Bewegungen so lahm wie konsequent.
Mancher Austen-Leser wird zugeben, dass ihn gewisse Romanfiguren in ihrer steifen Art schon immer an Zombies erinnert haben. In Burr Steers Verfilmung haben die Zombies aber auch etwas mit dem Anderen der britischen Gesellschaft zur Zeit Napoleons zu tun, mit Enthemmung und Triebentladung. Steer kümmert sich nicht darum, Austen im Wortlaut gerecht zu werden, er spielt, meist virtuos, mit dem Zusammenprall der Kinokulturen und grellen Kontrasten. Mashup – dies ist das neueste Wort für ein seit jener gattungsübergreifend gebräuchliches Verfahren: Zwei sehr unterschiedliche Tendenzen, Stile, Materialien werden bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt und verbunden. Hauptneuerung der Story: Es gibt eine Zombieplage auf dem britischen Land, die klugen Väter schicken ihre höheren Töchter zum Kampfkunstlernen.
Die Hauptfiguren aber stammen aus dem Roman: Darcy und Elizabeth Bennet, die wie ihre vier Schwestern endlich unter die Haube soll, und der fiese Wickham, der auch um Elisabeth wirbt.
Dazwischen fahren die Gefühle Achterbahn, auch beim Publikum, und es kommt zum kuriosesten Heiratantrag der Literatur- wie Film-Geschichte:
»Miss Bennet, although I do know many consider you to be desidedly inferior as a matter of your birth, your familiy and your circumstances, my feelings will not be repressed. In vain I have struggled. I've come to feel for you a most ardent admiration and regard, which has overcome my better judgment. I aske you most fervently to end my turmoil and consent to be my wife.«
Dieser Antrag verwandelt sich aber in einen grandiosen Martial-Arts-Liebeskampf, der an beste US-Musicals ebenso erinnert wie an fernöstliche Schwertkampffilme.
»Please forgive me, and accept my best wishes for your health and happiness.« Am Schluß bekommt Elisabeth natürlich auch dann doch noch hier den Richtigen – zuvor aber werden einige Zombies erlegt, und mit ihnen das Böse und Hässliche in der Gesellschaft.
Stolz und Vorurteil & Zombies ist also eine Rachewunschphantasie, und zwar eher eine aus der Perspektive der Etablierten, der Ästheten: Dies ist ein anarchistischer Film, aber die anarchistische Machtkritik richtet sich in diese, Fall gegen die Macht der Moral und des Gutmenschentums. Es geht um Ausschaltung der Hässlichkeit.
Auch Intrige und Humor kommen nicht zu kurz. Umgekehrt gibt es zwar gelegentlich Blutlachen auf dem Salonteppich, doch muss man in diesem Film keine Angst vor übermäßig ekeligen Szenen haben. Es geht vielmehr um ein Spiel mit dem Wissen des Zuschauers und mit Verweisen darauf, um ein kurzweiliges Spektakel, und einigen Tiefgang.
Wer bisher der Ansicht war, dass Jane Austen der Biss fehlt – hier haben wir ihn. Und wem all dies der Respektlosigkeit zuviel ist, dem könnte man erwidern, dass man genau diesen Vorwurf einst auch Jane Austen gemacht hat.