USA 2019 · 142 min. · FSK: ab 12 Regie: J.J. Abrams Drehbuch: Chris Terrio, J.J. Abrams Kamera: Dan Mindel Darsteller: Adam Driver, Daisy Ridley, Billie Lourd, Carrie Fisher, Mark Hamill u.a. |
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Mit Abstand das größte Verdienst der neuen Trilogie: Daisy Ridley als Rey (Bild: Disney) |
Der erste Gedanke nach dem Screening von Star Wars: The Last Jedi war: Wie zum Teufel wollen sie das befriedigend zu Ende bringen? Rian Johnson zog sein Programm, möglichst viele der Erwartungen zu unterlaufen, die von Star Wars: The Force Awakens geschürt wurden, gnadenlos durch und kappte dabei ganze Kausalketten, so dass klar war, dass Star Wars: The Rise of Skywalker ein schweres Erbe anzutreten hat: nicht nur, dass die Fanbase nach dem kontroversen Vorgänger, der einige der alten Traditionen des Star-Wars-Mythos buchstäblich niederbrannte, entzweit ist, auch musste der Film vieles neu etablieren, was im letzten Teil einer Trilogie herkömmlicherweise von den Vorgängerfilmen geleistet wird.
Dieser dritte Teil fühlt sich dann auch an wie seine eigene Trilogie. J. J. Abrams, der den künstlerisch wenig überzeugenden ersten Teil wie ein Remake des allerersten Star-Wars-Films Star Wars: Episode IV – A New Hope von 1977 anlegte, lässt seine Protagonisten auf eine überbordende Schnitzeljagd los, sie hüpfen von Schauplatz zu Schauplatz wie in den bisherigen beiden Teilen, auf der Suche nach dem x-ten MacGuffin. Es gibt Bodenkämpfe und Weltraumschlachten, wie immer Gut gegen Böse. So weit wie gehabt, doch was ist die Antwort auf die Ausgangsfrage?
J. J. Abrams löst ein unlösbares Problem, indem er einfach einige der meistkritisierten Aspekte von The Last Jedi negiert – die Liebesgeschichte zwischen Finn und Rose etwa ist wie ausgelöscht – und versucht, traditionelle Werte zu reinstallieren. Dies vollführt er, indem er im Prinzip ein Remake von Return of the Jedi, also dem dritten Teil der Original Trilogy, abliefert. Insbesondere in der Koda des Films ist dies evident. Dazu muss er den totgeglaubten Imperator als Superbösewicht wiederbeleben, um die Lücke des Antagonisten zu füllen, nachdem Rian Johnson ohne Not Snoke ausgetilgt hatte. Auch dies ist eine kontroverse und narrativ nicht fundierte Entscheidung, an der klar wird, hier erleben wir einen Filmemacher in Not, mit dem undankbarsten Job der Welt, und das bei „Star Wars“.
Abrams schafft es tatsächlich, einige der vielen, in der Luft hängenden losen Fäden auf akzeptable Weise zu schließen: Es wird erklärt, wie Leia ihre im Vorgänger überraschend etablierten „Force Powers“ erlangt, und dies wird damit verknüpft, dass sie Reys durch Luke nicht vollendete Jedi-Ausbildung weiterführt. Mehr noch als das: Bei diesem Franchise stehen neben dem elementaren Kampf von Gut gegen Böse eine archetypische Figurenentwicklung und das starke Band untypischer Freundschaften im inneren Zentrum. Es gibt in The Rise of Skywalker endlich Figurenentwicklungen, die diese Bezeichnung verdienen und sich über die gesamte Trilogie hätten erstrecken müssen. Die starke Versuchung Reys durch die dunkle Seite eröffnet ein spannendes Zwieverhältnis, vergleichbar zu Luke in „Return of the Jedi“, die Figur zweifelt endlich einmal an sich selbst und bekommt dadurch auf den letzten Drücker eine Art Bogen.
Daisy Ridley ist in diesem Film phänomenal, sie spielt mit genau dem richtigen Maß an Pathos und macht eine besonders in den vorherigen Teilen unwirklich gezeichnete Figur lebendig. Ihre Entdeckung ist mit Abstand das größte Verdienst der neuen Trilogie. Auch der Arc von Kylo Ren/Ben Solo ist konsequent zu Ende erzählt. Der arg infantile Humor von The Last Jedi ist auf ein angemessenes Level heruntergefahren, was die existenziellen Themen, die die Reihe auszeichnen, stärker hervortreten lässt. Das Thema Freundschaft wird dankenswerterweise stärker betont – anstatt, dass sich das Figurentrio in unsinnigen Nebenmissionen permanent aufsplittet, kommt es hier wenigstens in einigen Sequenzen zu den liebevoll-schnoddrigen Interaktionen, die man an der Original Trilogy so geliebt hat, und man darf Teil eines exzentrischen Zirkels sein. Wenn Poe einer alten und entfremdeten Liebschaft begegnet, kommt sogar ein Hauch des charismatischen Wesens von Han Solo auf. Man hätte sich gewünscht, in nunmehr über sieben Stunden Filmzeit deutlich mehr von alldem zu sehen.
Wo The Last Jedi eine neuen, unnostalgischen (jedoch arg verqueren) Blick in das Star-Wars-Universum warf, nimmt The Rise of Skywalker die nostalgische Perspektive von The Force Awakens wieder auf. Alte Figuren und Motive haben einen prominenten Platz, beliebte Nebenfiguren wie Chewbacca und C-3PO spielen eine relativ große Rolle. Es gibt etliche Referenzen, die für einen alten Fan rührend sind, insbesondere der taktvolle Abschied von Leia Organa, der wie eine filmisch-fiktionale Beerdigung der realen Person Carrie Fisher ist, die vor den Dreharbeiten zu diesem Film verstarb. Bis auf eine Ausnahme (diese betrifft die „Königskinder“ Rey und Ben) sind die emotionalen Höhepunkte allerdings nicht dem neuen Stoff, sondern der Original-Trilogy zuzuschreiben. Immerhin wird die Liebe und der Respekt des Regisseurs gegenüber diesen Filmen deutlich, wobei nicht jeder mit der Auflösung der „Skywalker-Saga“ zufrieden sein wird.
Abrams kann eben auch nicht zaubern, und so weist dieser Film etliche Probleme auf, die vor allem von den grundlegenden Problemen der Trilogie rühren. Um bestimmte Situationen aufzulösen, wissen sich die Autoren nicht anders zu behelfen, als der „Macht“ absurde magische Elemente anzudichten, die bisher nicht Gegenstand der Filme waren. So erfährt das biblische Lazarus-Motiv eine mehrfache „Wiederbelebung“. Das Plausibilitätsproblem um Palpatines Wiederkehr sowie die videospieleske MacGuffin-Hatz wurden bereits angesprochen, der finale Space-Battle ist seltsam antiklimatisch und der obligatorische Triumph fühlt sich nicht einmal besonders glorreich an, sondern eher wie „nochmal mit einem blauen Auge davongekommen“, was sich auf die gesamte Trilogie anwenden ließe.
Mit einer Frage begann dieser Text, und soll mit einer anderen schließen: Was wollten die eigentlich erzählen? Inwieweit hat die „Sequel Trilogy“ etwas vorangebracht? Diese Frage stelle ich bewusst unabhängig von $$$. „Star Wars“ ist das Kind von George Lucas, also der Vision einer einzelnen Person, die hier der Verantwortung mehrerer Instanzen – Produktion, „Story Group“, Regie – übergeben und in mehreren Etappen und mit signifikanten Führungswechseln unter Zeitdruck abgearbeitet wurde. Kathleen Kennedy ist nicht Kevin Feige. Es gab keinen dramaturgischen Masterplan, der sozusagen aus einer Feder stammt und – siehe die Herr der Ringe-Trilogie – an einem Stück hätte gedreht werden können, um die Geschlossenheit zu wahren. Stattdessen sollte der erste Teil so schnell wie möglich ins Kino, um die Investition zu rekapitalisieren. Was nach drei Teilen dabei herauskommt, ist eine unausgegorene Neuauflage der ersten Trilogie, mit einem spekulativen ersten, einem undisziplinierten zweiten und einem bemühten dritten Teil. Das Star-Wars-Universum wurde, anders als in der ansonsten ähnlich missratenen Prequel-Trilogy, nicht entscheidend erweitert. Man hat neue Figuren und Planeten geschaffen, die aber nicht für sich selbst stehen, weil sie nicht ausdrucksvoll genug sind. Die Dialektik wurde lediglich wiederaufgewärmt, Rebellion gegen Imperium, gute gegen dunkle Seite. Der am weitesten gehende neue Gedanke der Trilogie, nämlich dass jeder ein Jedi sein kann, wie es in The Last Jedi angelegt ist, und radikal mit den Vorstellungen von George Lucas bricht, spielt in The Rise of Skywalker plötzlich keine Rolle mehr – was fast besser so ist, denn es wurden genug mythische Aspekte trivialisiert.
The Rise of Skywalker ist ein befriedigender Abschluss, vielleicht sogar der bestmögliche, einer letztlich gescheiterten Trilogie, in der evident wurde, dass viele Köche den Brei verderben, vor allem dann, wenn er aus wirtschaftlichen Gründen zeitig auf den Tisch muss. The Rise of Skywalker hat bei weitem nicht die popkulturelle Bedeutung, die er hätte haben können und ihm als Abschluss der dritten Star-Wars-Trilogie vorgezeichnet war. Vielleicht hätte man doch die mutmaßlich in ganz andere Richtungen gehenden Story-Ideen von Lucas, welche Disney für diese Trilogie nicht berücksichtigt hat, nicht direkt in die Tonne schmeißen sollen. Bei so viel „hätte“ kommt man nur auf eine Conclusio – schade um die vertane Gelegenheit.
»Sometimes the best teacher failure is.«
Yoda
»Es kommt einem fast vor, als hätte Wim Wenders am Drehbuch mitgeschrieben.« – es war der Redakteur einer überregionalen Tageszeitung, der mir das irgendwann während der Vorführung von Star Wars: Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers zuflüsterte. Es war nach etwa einer guten Stunde, als gerade Harrison Ford erschienen war. Nur für zwei, drei Minuten, gerade genug, um ein paar schlaue Dialogsätze aufzusagen, und charismatisch-verwittert in die Kamera zu schauen.
Harrison Ford, also Han Solo war nicht der erste und nicht der letzte aus einer Art All-Star-Band, der hier auftrat, als ob sie ein letztes Mal auf Tournee geht, und jeder darf noch mal sein Solo bekommen.
Die Selbstgefälligkeit des Star-Wars-Universums, die sich in solchen Momenten zeigt, ist das Eine. Man findet sich selber wahnsinnig toll. Dann möchte man es allen recht machen: Den Generationen der über 60-jährigen, die seit der ersten Folge dabei sind, den Babyboomern, die »Star Wars« 1977 noch im prä-pubertären Halbschlaf-Bewußtsein erlebten, denen, die erst mit der zweiten und dritten Trilogie einstiegen, den Millenials, die es toll finden, dass es in »Star Wars« jetzt so viel »starke Frauen« gibt, als sei Princess Leia das nicht schon vor 42 Jahren gewesen, und der Alt-Right-Fraction die im Internet tobt »Keep Politics Out of Star Wars«, als sei »Star Wars« nicht immer schon politisch gewesen; den Nostalgikern, die seit 1977 Lucas-Jünger sind, und den Seherfahrungen einer neuen Generation, die härtere Bilder, schnelleres Erzählen und knalligere Effekte verlangen. Und allen anderen.
Nur nicht den Novizen: Denn dies ist kein Film für jeden, sondern nur einer für Kenner, für alle, die firm sind im Star Wars-Universum. Beflissen wird alles zu Ende erzählt, ohne Humor, ohne Überraschungen.
Die Schwierigkeiten zeigt bereits die klassische Einleitung: Wieder zieht sich über ein Panoramabild des Sternenhimmels ein Schriftzug, der sich nach hinten verjüngt. Aber in diesem Fall gibt es gleich drei Blöcke mit drei Erzählsträngen, die da eingeleitet werden müssen,
und man tut sich sofort schon mal schwer, sich an alles zu erinnern: Wer war dies jetzt noch mal?
Am Anfang sieht man die Hauptfigur Rey im Yoga-Schneidersitz drei Meter über dem Boden schweben und um sie herum schweben auch alle möglichen Steine im Raum – allein durch ihre Konzentration in die Luft gehoben. Sie ist auf ihrem »täglichen Trainingskurs«. Das ist zu Beginn ein fast schon ironischer Verweis auf die Ursprünge des Star Wars Stoffes aus den 70er Jahren mit ihrer Späthippie-Philosophie: Einer Mischung aus Zen-Buddhismus, Wassermannzeitalter. Taoismus –
später kommt so etwas nicht mehr vor, aber wie in allen Star Wars Filmen geht es auch hier durchaus um die Macht des Geistes und die Macht der Gefühle, um den Ausgleich von Ying und Yang.
Yoga und Selbstoptimierung gehen auch in der Welt von »Star Wars« ein perfektes (Jamaica-) Bündnis ein: Star-Wars-Helden, wenn sie nicht gerade Han Solo oder Poe heißen, sind immer auch Klassenbeste, Streber, die sie sich fortwährend verbessern wollen, an sich arbeiten, die immer unlocker
sind.
Künstlerisch ist »Star Wars« zwar ein offenes Kunstwerk im Sinne Umberto Ecos: Es gehört dem Publikum, jeder macht etwas ganz Eigenes daraus, und jeder macht etwas anderes daraus – es ist nicht festgelegt. Moderne Kunstwerke sind offen für Deutung jeder Art.
Doch das Grundprinzip ist sehr statisch: Alle Jahre wieder pünktlich zur Adventszeit Laserschwert-Kämpfe, X-Flügel-Jäger, zerberstende Raumschiffe und Dialoge, die bedeutungsvoll von »der Macht« raunen – auch
der neueste »Star Wars«-Film bietet all das, was zur Standardausstattung dieses Kino-Epos gehört. Dies ist zuerst mal ein Weltraumabenteuer, das vom universalen Kampf von Gut gegen Böse erzählt, auf der großen Ebene vom Imperium gegen die Rebellion, auf der kleinen persönlichen Ebene von der Familie: Söhne gegen Väter, Geschwister gegeneinander, Mütter gegen Söhne. Die Story vom ewigen Kampf zwischen dem totalitären »Imperium«, das sich nunmehr »Erste Ordnung« (oder »Erster Orden«,
englisch: »First Order«) nennt, und den Rebellen, deren kurzzeitig errichtete Republik längst wieder zerbrochen ist, wird auf mehreren Ebenen erzählt, in diversen Parallelhandlungen, die selten bis gar nicht zusammengeführt werden:
Ein Dutzend verschiedene Figuren steht im Zentrum, darin eine Kleinfamilie, es gibt Gute und Böse, Kinder suchen ihre Eltern, können nicht sicher sein, wer ihre Eltern sind, wachsen bei Adoptiveltern auf. Im Zentrum steht wieder die Anrufung des
Helden und eine messianische Erlöser-Figur mit magischen Kräften. Sie heißt Rey – also König auf Spanisch –, ist politisch korrekt eine Frau und pflegt offensichtlich eine besonders innige Beziehung zur »Macht«, dem alle Elemente pantheistisch verbindenden Fluidum des »Star Wars«-Universums. Im achten Teil war sie zur Jedi-Azubine geworden und hatte im Auftrag der Rebellen Luke Skywalker ausfindig gemacht – die Älteren erinnern sich: Dies war die Messias-Figur der
ersten drei »Star Wars« Teile (1977-1983), ein planetarischer John Boy Walton, der auf ewig im Schatten des charismatischen Han Solo stur seine öde Mission verfolgte. Der mittlerweile alt und grau gewordene Luke hat sich einen Vollbart wachsen lassen und auf eine karge Insel in mönchische Einsamkeit zurückgezogen.
Im Teil IX nun muss Rey weitgehend ohne Luke auskommen (im entscheidenden Moment aber doch nicht, was die emanzipatorische Botschaft gravierend schwächt).
Immer noch muss Rey sich selber finden, sich definieren und erwachsen werden.
Ein weiterer Erzählstrang bietet den besten Darsteller des Films: Adam Driver als Ben Solo, der Sohn von Han und Leia, der im siebten Film zum Vatermörder wurde, und ein neuer Darth Vader werden wollte. Doch das fällt ihm nicht so leicht, denn auch das Gute schlummert noch in irgendeinem Kerker seiner geschundenen Seele.
Und immer wenn man denkt, es geht nicht mehr dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.
Allgemein bietet auch dieser Star Wars Film das Übliche und Erwartbare: Spielereien mit faschistischer Ästhetik, Opfermythologie, Schlachten, endlose Verfolgungsjagden und Tragödien. Und immer wenn man denkt, es geht nicht mehr dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.
Das alles nach dem narrativen Muster des Samplens, Springens, Driftens. Was hat jetzt diese Figur noch mal vor? Wodurch ist jene Figur gefährdet? Die Handlung kann nie da bleiben wo man ist, muss immer an die Nebenhandlungen denken, sie verhäkeln, verknäulen, dann wieder auseinander, eins rechts, eins links, eins in die Mitte und dort den fünften Ball in der Luft nicht fallen lassen, puh!
So hastet der Film pflichtschuldigst dahin, sampelt all jene parallelen Schauplätze, die selten bis gar nicht zusammengeführt werden, neue und alte Figuren – Chewbacca, R2D2, C3PO – und Schauspieler aller Hautfarben und Generationen. Dazu kommen technologischer Fetischismus und die bekannten Eso-Dialoge – man könnte das alles ironisch nehmen, aber der Jedi-Kult um die »Macht« mit ihren hellen und dunklen Facetten ist für manche eine bierernste Weltanschauung. Die alten zentralen Musikthemen von John Williams tun ein Übriges, um das Publikum in andauernder Sicherheit über die Bedeutung der jeweiligen Szene zu halten.
Es wird nicht besser dadurch, dass es sich um lauter Verschnitte handelt: Rey ist wie auch Jyn in Rogue One: A Star Wars Story ein Princess-Leia-Verschnitt: Ein Girl, Ende Zwanzig mit braunem Haar, weil das auf der weißen Uniform besser aussieht, als Blond, und das nach hinten zu Zöpfen gebunden ist. Poe ein Han Solo Verschnitt – nur leider dann doch zu brav, zu soft, trotz schlechter Rasur. Und Ben (»Benjamin?«) Solo ein Darth Vader-Verschnitt und wie dieser ein Schurke mit Narbe im Gesicht. Auch BB-8 ist nur ein rollender R2D2. Aus derlei Nachgeäffe kann nichts Klassisches draus werden. Stattdessen erlebt man Disneyfizierung pur: Vor Experimenten hat der Konzern seit jeher Angst, darum spürt man das Motto »Zurückhaltung um jeden Preis« und »Sicherheit zuerst« überdeutlich.
Natürlich ist der Boom der Fantasy seit George Lucas Erwachen auch damit zu erklären, dass wir in einer Zeit leben, in der »Gott tot ist« (Nietzsche), in der wir unsere »transzendentale Obdachlosigkeit« (Georg Lukacs, nicht George Lucas) mit Ersatzreligionen und Ersatzmythen stillen müssen. Nach der »Spiritualität« der Jedi gibt es eine Energie, die alles durchzieht und die man durch Konzentration und durch eine gewisse Art von Selbstreinigung beeinflussen kann. Aus der man Stärke ziehen kann – das ist eine ganz populäre bis populistische Version von fernöstlichen Theorien: Taoismus, Zen-Buddhismus lernen Manager heute in Seminaren, bevor sie dann wieder in Ihrem Unternehmen die harten Kerls geben, tanken sie Energie und fühlen sich dann wie kleine Jedi-Ritter. Dies ist die unsympathische und sehr elitäre Seite der Star-Wars-Philosophie: Es gibt nur ganz wenige, die wirklich in der Lage sind, sich so unter Kontrolle zu haben, dass sie auf die höchste Stufe der energetischen Kommunikation und »die höchste Stufe der Macht« aufsteigen.
Es war schon immer Unsinn, in diesen Film eine Utopie hineinzuinterpretieren, einen ernstzunehmenden philosophischen Zukunftsentwurf – wie dieser neunte Star Wars-Film ist seine Vorgänger vor allem ein Produkt des Hier und Jetzt, keine Utopie, sondern ist ein Spiegel unserer Zeit. Er zeigt uns nicht eine Zukunft, sondern er zeigt uns die Gegenwart und den augenblicklichen Zeitgeist: In seiner Betonung von Diversität aller Art; in der Gleichberechtigung der Frauenfiguren. Aber auch darin, dass »Star Wars IX: Der Aufstieg Skywalkers« ein ganz dunkles düsteres und auch ziemlich chaotisches Szenario entwirft: Star Wars hat längst die Unschuld und den Optimismus seiner Anfänge verloren. Die Welt ist böse, Überstehen ist alles. Die Welt erscheint als Labyrinth und als Achterbahn zugleich.
Wie bei der Artus-Sage, bei Tolkien, bei den Wellness-Seminaren fürs schwarzgrüne Bürgertum ist das, was altdeutsch: »Blut«, neudeutsch: »die Gene«, postmodern verschwallt: »Körpergedächtnis« heißt, wichtiger, als alle Erfahrung, Erziehung, Bildung, Vernunft, der Kopf.
Wie im politischen Unbewussten des Westens ist auch in »Star Wars« Demokratie nur eine Behauptung, nur schöner Schein. Dahinter haben wir es mit einer höchste elitären Variante von »Dynastie« zu tun, mit der Geschichte ein paar weniger aristokratischer Sippen. Abgestimmt wird sowieso nicht, vor allem aber kann nicht jeder Jedi und Weltretter werden, sondern nur die Kinder und Kindeskinder der alten Schachteln und Säcke. Da spiegelt das »Star Wars«-Universum das amerikanische, das Land der Bushs und Clintons, und des Trump-Prinzips: Die Macht ist nicht mit Dir und mir, sondern mit den Familienbanden – wie in der Renaissance.
Auch sonst gibt es kaum Handlungsfreiheit: Die Figuren können allenfalls wollen, was sie müssen, die Geschichte ist unausweichlich vorbestimmt – aus »Star Wars« wird »Der Herr der Ringe«, statt Fortschritt droht in der Geschichte die ewige Wiederkehr des Gleichen: Ein bemerkenswertes Pop-Phänomen, das eine Zeit spiegelt, in der der Westen den Glauben an Fortschritt und unendliche Selbstverbesserung verloren hat, in der die Menschen sich »von unüberschaubaren politischen und wirtschaftlichen Dynamiken – und zum Teil auch bereits von undurchschaubaren 'Mächten' bestimmt sehen. Wie im Naturalismus oder in der antiken Tragödie kann man jetzt auch im ›Star Wars‹-Universum seiner Bestimmung, seinen Deformationen nicht mehr entkommen.« (wie die großartige Juliane Liebert es in der SZ bereits vor zwei Jahren zu Teil VIII auf den Punkt brachte).
Die Ambivalenz der Figuren ist somit nur behauptet. Ein Problem ist zudem, dass dem arg vorhersehbaren Film genaugenommen jede Spannung fehlt. Man weiß nicht nur, wie es ausgeht, sondern auch was auf dem Weg dahin passiert. Nur zwei, drei Überraschungen peppen das letzte Drittel etwas auf, ansonsten Fehlanzeige: Die Guten leben wieder mal a la Che Guevara im Dschungel, alte Schriften tauchen auf, die keiner mehr entziffern kann, Sprachen die wir nicht verstehen und nicht lesen können – alles wie in der Mittelstufe jedes zweiten deutschen Gymnasiums.
Denn wozu lernen in einer Welt, in der alles determiniert ist? Zwischen Mission und Vision irrt jeder der Charaktere herum, keiner durchschaut das Ganze – diese Welt ist eine grundsätzlich rätselhafte Wirklichkeit, der mit Aufklärung und mit Vernunft, mit Wissenschaft und Analyse nicht beizukommen ist, in der auch Kommunikation ihre Grenzen hat.
Gleichzeitig ist dies auch ein Film und auch insofern ein Zeitgeistprodukt, als es ein Film ist, der vom Verhältnis der Jungen erzählt, von der Macht der Alten über die Jungen. Alte Männer tragen hier Mönchskutten und hausen in Innenhöfen in Ruinen.
Das ganze Star-Wars-Universum baut auf Familienbeziehungen auf, auf der Behauptung, dass man seiner Herkunft nicht entkommen kann, dass man sich mit den Traditionen auseinandersetzen muss – aber auch kritisch
auseinandersetzen. Man dar sich auch von ihnen distanzieren. Gerade auch im letzten Teil wird sehr deutlich gesagt, dass »das Blut«, also die Verwandtschaft, die Familienbeziehungen, die Gene uns nicht bestimmen und nicht dominieren – sondern die Willenskraft. Man kann sich und sollte sich auch von seiner Herkunft distanzieren, von seinen Traditionen, man sollte sich seine Wahlverwandtschaft suchen: Es gibt hier für die positiven Hauptfiguren immer Ersatzfamilien und
Wahlverwandtschaften.
Das ist auch eine Botschaft für unsere Zeit: Dass man nicht allem gehorcht, was einem die Eltern und die Großeltern sagen, dass das Dasein und die Existenz des bösen Großvaters – eben keine moralische oder politische Verpflichtung ist: Rey muss nicht auf die böse Seite der Macht gehen, weil dort der Opa schon steht, sondern sie hat eine Willensfreiheit, und die Freiheit nein zu sagen. Dies ist also, wenn es eine Philosophie ist, eine Philosophie für freie Menschen. Diese Freiheit allerdings wird einem nicht geschenkt, sondern man muss sie sich auch erkämpfen. Freiheit ist nichts Leichtes.
Die Jungen sind hier die Rebellen, und sie kündigen den Generationenvertrag des Imperiums auf: Schluss! Aus! Ende! Die alten Säcke, die mit Mönchskutten in dunklen Höhlen hausen, und eine Oldschool-Machtpolitik praktizieren, die die Welt in die Selbstzerstörung führt, die wollen wir nicht mehr: Dies ist der Film zur »Extinction Rebellion« – und diese Beobachtung geht sogar so weit, dass ein X, zu dem zwei Laserschwerter gekreuzt werden, das Zeichen ist, unter dem die Rebellen schließlich siegen. Statt Familie und den Zwängen der Identität, der Tradition, des Blutes und der Gene, feiert dieser Film so zumindest am Ende die Absage an die Biologie, feiert Wahlverwandtschaften und Freiheit.
Aber alles steht unter dem Diktat der Gesamterzählung. Erzählstränge müssen geschlossen werden, rote Fäden gehalten, und jede alte Figur darf nochmal auftauchen. So überwiegt am Schluss der Gedanke: Gut dass es vorbei ist. Ab jetzt könnte in neuen Fantasy-Universen die Zukunft zurückkommen.