USA 1999 · 141 min. · FSK: ab 16 Regie: Spike Lee Drehbuch: Victor Colicchio, Michael Imperioli, Spike Lee Kamera: Ellen Kuras Darsteller: John Leguizamo, Adrien Brody, Mira Sorvino, Jennifer Esposito u.a. |
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Zwei Freunde, Vinnie und Richie. Beide stammen aus dem Italo-Milieu der New Yorker Bronx. Man kennt das aus Scorsese-Filmen: Gutkatholische Doppelmoral beherrscht das Leben nicht weniger als der Pate des Viertels, zum Essen gibt es Pasta, die Töchter sind Prinzessinnen, solange sie sich anständig aufführen, und die Söhne wachsen langsam in die Rollen der Väter hinein. Von den Eltern sieht man hier allerdings so gut wie nichts. Sie tauchen nur am Rande auf, wie der Vater Dionna (Mira Sorvino), dessen Restaurant gerade den Bach runter geht. Oder die Mutter von Richie, die auch endlich ihr Leben genießen will.
Indem Lee vom Alltag dieser beiden sehr ungleichen Freunde erzählt, porträtiert er zugleich das New York des Jahres 1977: Vinnie (Joe Leguziamo) ist der Integrierte; er lebt von Samstag zu Samstag; wie die proletarische, also realistische Ausgabe des John Travolta aus Saturday Night Fever wirft er sich in Schale und darf König sein für eine Nacht. An seiner Seite ist Dionna, seine Frau, die er hemmungslos betrügt, und die erst allmählich lernen wird, ihre eigene Macht zu gebrauchen. Richie (Adrien Brody) hingegen ist der Rebell. Er hat den Punk für sich entdeckt, übt Cockney-Akzent und trägt Igelfrisur.
Ein Serienkiller, der historische »Son of Sam« (eine Name, den sich die Vietnam-Veteranen gaben, und der natürlich auch noch als eine ironische Anspielung auf 'Uncle Sam' gelesen werden muss), wird zum Katalysator aller hier versteckten Konflikte: sein Vorhandensein öffnet die Verhältnisse, spitzt zu, doch bewirkt es auch das Gegenteil: Die Fronten werden geschlossen, Grenzüberschreitungen unmöglich gemacht.
Spike Lees Summer of Sam ist ein bewundernswert intelligenter Film voller Überraschungen. Eine der größten ist natürlich die, dass Lee hier zum ersten Mal einen Film gedreht hat, der nicht in der »black community« spielt. Die Themen Freundschaft und Verrat, Moral und Verbrechen, die Integrations- und Ausschlussmechanismen im heutigen Amerika und die Genese der Gewaltsind zwar dieselben. Dennoch: der Bruch, auch stilistisch, ist unübersehbar. Schnell und doch rythmisch sanft wird erzählt, dem Regisseur gelingt mit diesem Quasi-Kostümfilm ein souveräner epischer Grundton, den man von ihm bisher nicht kannte, der anknüpft an das ganz große klassische Kino Amerikas.
Zum ersten Mal zeigt Lee nichts, das thematisch dann doch irgendwie in der Ethno-Nische des schwarzen US-Kino angesiedelt ist, sondern ein Panorama Gesamtamerikas. Doch lassen wir uns nicht täuschen: Summer of Sam ist politischer als vieles, das wir von ihm kennen. Es ist sein bester Film geworden, allerhöchstens Do the Right Thing reicht da heran. Alles stimmt hier. Einfach hervorragend, einer der großen Filme des Jahres!