USA 2006 · 154 min. · FSK: ab 12 Regie: Bryan Singer Drehbuch: Michael Dougherty, Dan Harris Kamera: Newton Thomas Sigel Darsteller: Brandon Routh, Kate Bosworth, Kevin Spacey, James Marsden, Parker Posey u.a. |
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Gutmenschen sind ja so irre langweilig |
Gott ist tot, aber so richtig wohl ist uns offenbar nicht ohne einen Retter, einen Erlöser, einen Macher eben. Den Übermensch, den Mann, den Über-Mann. Gott ist tot, es lebe Superman.
Es ist eine Auferstehung, ganz konkret zunächst mal: Superman Returns. Fünf Jahre sind verstrichen über dem Heimaturlaub des Helden auf dem Planet Krypton, und 13 Jahre gar in der Echtzeit, seit Christopher Reeve das rote Cape abgeworfen hat. Die Welt hat sich weitergedreht inzwischen. Metropolis sieht aus wie Manhatten und wenn sich die Kamera an der skyline entlang hangelt, sucht man unwillkürlich nach der Silhouette der Twin Towers. Bewusst oder unbewusst: 9/11 ist immer und überall. Man fragt sich, ob Superman gerade zur falschen Zeit im Urlaub war, ob er irgendwie den Anschluss verpasst hat. Seine bessere Hälfte, Lois Lane, ist inzwischen Pulitzerpreisträgerin, ausgezeichnet für eine journalistische Brandrede mit dem Titel: »Why the World Doesn’t Need Superman«.
Zaghaft, fast ein wenig verschämt probiert dieser wieder auferstandene Superman immer wieder den Gestus des Messias. Es gibt auch, ganz konkret, noch einmal die Stimme von Supermans Vater (Marlon Brando war das, ein Gott wahrhaftig) aus dem Off. Der Übervater ruft uns in Erinnerung, dass er seinen Sohn für das Menschenrettungs- und Erlösungsgeschäft zur Verfügung gestellt hat. Und immer wieder wird Superman ins All hinaus schießen und sich quasi in Kreuzigungspositur bringen (was auch auf dem Filmplakat schön zu überprüfen ist).
Die Lois Lane des Jahres 2006 ist allein erziehende Mutter und kriegt Kind und Karriere ganz pragmatisch geregelt. Ihr neuer Lebensabschnittsgefährte wirkt mit seinem wie aus Plastilin gemeißeltem Gesicht ungefähr so asexuell wie Barbies Ken (im Übrigen war ich den ganzen Film lang und noch ein bisschen darüber hinaus felsenfest der Meinung, es mit demselben Darsteller zu tun zu haben, der seinerzeit den Serienmörder in Kiss the Girls spielte. Die Recherche ergab: dem ist nicht so. Dennoch beschleicht mich der Verdacht, dass meine hartnäckige Überzeugung, Lois Lanes Neuer habe sich in einem früheren Leben Frauen in einem unterirdischen Verlies gehalten, trotzdem irgendetwas zu bedeuten hat).
Lois Neuer (der Name ist mir entfallen und diese Tatsache scheint mir so symptomatisch für die Figur, dass ich bewusst jetzt nicht nachforsche) ist nun auch ein ganz
Netter und Verbindlicher. Es wird also kein Fanal der Eifersucht entfacht, es wird überhaupt überhaupt nicht persönlich, als aus heiterem Himmel (sic!) der Rivale zurückkehrt, Superman (immerhin doch: SUPER-MAN!).
Ehrlich gesagt habe ich persönlich ein schwieriges Verhältnis zu Superman. Ich mag nur Batman. Dem Styling wegen, ganz in Schwarz, nachtaktiv, dann die Fledermäuse, und sowieso. Ich hätte mich, zugegeben, damit anfreunden können, wenn Nicholas Cage Superman geworden wäre und eine Zeitlang sah es ja auch mal wirklich danach aus. Gut, weil Cage immer irgendwie manisch rüberkommt und eine Portion (Selbst)Destruktivität mitbringt, die ausgerechnet diesem Charakter eine schöne Würze verpasst hätte. Brandon Routh, der am Ende das Rennen gemacht hat, wirkt so glatt, so unbeschrieben und erinnert dann rein optisch doch wieder an den jungen Christopher Reeve. Natürlich, so merkwürdig es klingt, eben jene Gesichtslosigkeit ist in diesem speziellen Superman Returns-Kontext schon wieder stimmig (und trotzdem kann ich mir Brandon Routh wirklich gut eigentlich nur vorstellen in einer Ralph Lauren Männermode-Werbung. So eine von der Sorte, wo ein Modell – das ungefähr so aussieht wie Brandon Routh – im Pseudo-Safari-Outfit, Preis auf Anfrage, mit einem riesigen rassigen Windhund an der Seite und einem Glas Whiskey in den manikürten Händen lässig an der Brüstung der Veranda des Sommerhauses in Südafrika lehnt. Der Whiskey schimmert golden, die Veranda dunkelmahagoni, der Windhund ist in Eierschale).
Superman ist jedenfalls durch und durch anständig und rechtschaffen. Und Gutmenschen sind ja so irre langweilig. Die bösen Jungs haben von jeher mehr Profil. Weswegen es vielleicht kein Zufall ist, dass auch hier eigentlich nur Lex Luthor wirklich Stil hat. Superman, Lois Lane, Lois Neuer, sie bleiben so blass, so ungreifbar. Lex ist einer mit Hobbies, mit Vorlieben, mit Geschmack. Lex ist auch altes Europa. Er hört klassische Musik, liest Bücher, kleidet sich wie ein englischer Landadliger in den 1930ern. Ist das nun dem amerikanischen Unbehagen mit allzu viel Bildung, allzu viel Kultur – der europäischen zumal – geschuldet? Oder ist Lex Luthor jetzt, da die Karten so ganz neu gemischt sind, eigentlich gar nicht mehr wirklich DAS Böse? Vielleicht kann einer wie Lex Luthor im Zeitalter des Terrorismus und seiner Bekämpfung als Gentleman-Gauner durchgehen.
Lex Luthor und die rothaarige Kitty Kowalski samt Schoßhund sind überhaupt wunderbar anachronistisch. Aus einer anderen Welt scheinen sie zu kommen, einer Superheldenwelt, die sich das eine oder andere Requisit stibitzt, am liebsten aus den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: die Mode, die Frisuren, den ganzen Habitus. Das sind wahre Superheldenschurken, irgendwie zugleich larger than life und dennoch geerdet, die einzig realen, greifbaren Charaktere weit und breit. Deplaziert wirken sie, was ganz im Rahmen ist, ganz zum Gesamteindruck dieses Films passt.
Um es deutlich zu sagen: Superman Returns ist nicht schlecht, ist nicht misslungen. Es ist ein Film, der geprägt ist von einer ganz großen Ratlosigkeit. An einer Stelle wird das wunderbar deutlich, auf eine Art, die fast prophetisch über die reine Handlungsebene des Films hinausreicht. Da entwirft der Daily Planet in Ermangelung harter Fakten schon mal zwei Titelstories, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, zwei Schlagzeilen: »Superman is dead« lautet die eine, »Superman lives« die andere.
Brauchen, wollen wir den Retter, den Guten, den, der keinerlei Leichen im Keller hat? Vor allem: passt er überhaupt noch in diese Welt? Eine Welt die, auch hier in diesem Film, immer wieder etwas unsagbar Trostloses, Apokalyptisches hat. Metropolis wirkt fast menschenleer, unbewohnt in mancher Einstellung und auch der Kontinent, diese Neue Welt, die Lex Luthor aus dem Meeresboden stampft, ist eigentlich recht unwirtlich anzusehen. Eine seltsame Apathie liegt über allem und allen, etwas Resignatives, Endzeitstimmung.
Lex Luthor möchte, das ist der Plan, den amerikanischen Kontinent kaputt machen. Und hier kommt dieser Film dann endlich ganz zu sich, so als ob alles auf diesen einen Moment hingearbeitet hätte: die Zerstörung von Metropolis. Mit morbider Fiebrigkeit ist das hier in Szene gesetzt, geradezu lustvoll die Zerstörungsarbeit. Und wenn Superman das eine oder andere Leben retten darf, oder mal ein Auto im freien Fall abfangen, dann wirkt das wie ein mickriger Trostpreis für den Mann, der doch nichts weniger als die ganze Welt retten könnte und sollte.
Einer übrigens ist verlustig gegangen in dem ganzen Trubel: Clark Kent, Supermans normalsterbliches alter Ego, seine Tarnung. Damit wir uns nicht missverstehen: Clark kehrt zurück, zusammen mit Superman, denn freilich gibt es sie nur im Doppelpack – aber präsent ist er nicht. Sein Auftauchen in der Redaktion des Daily Planet gleicht einem Cameoauftritt. Superman feat. Clark Kent. Dabei ist Kent der sympathischere von beiden in seiner Tölpelhaftigkeit, Tollpatschigkeit, Feigheit. In den alten Superman-Filmen hatte Christopher Reeve mit seinem komödiantischen Talent der Persona Kent wunderbar Leben eingehaucht. Clark, wir brauchen dich, komm doch zurück!