USA 1996 · 96 min. · FSK: ab 12 Regie: Doug Liman Drehbuch: Jon Favreau Kamera: Doug Liman Darsteller: Jon Favreau, Vince Vaughn, Ron Livingston, Patrick Van Horn u.a. |
Sicher ist es ungerecht, daß die großen Hollywood-Studios für ihre qualitativ zumeist eher mäßigen Sommer-Blockbuster Summen ausgeben, die das Bruttosozialprodukt der meisten afrikanischen Staaten locker übersteigen, während jede Menge innovativer unabhängiger Filmemacher am Rande des Existenzminimums dahinkreuchen und Jahre benötigen, um sich die bescheidene Finanzierung für ihre Werke zu sichern. Aber so sehr man sich wünschen mag, daß dieser Zustand der Filmwirtschaft baldmöglichst einem faireren weichen möge, muß man doch auch immer wieder beobachten, daß es Independent-Filme gibt, denen man es notfalls per Gesetz verbieten sollte, auch nur einen Pfennig mehr Geld aufzutreiben. Und das ist jetzt ganz und gar nicht böse gemeint, nein, im Gegenteil: von Zeit zu Zeit erlebt man Glücksfälle, in denen es gerade die finanziell erzwungene Beschränkung der Mittel ist, die einem Film dazu verhelfen, zu etwas Besonderem zu werden.
Siehe Swingers.
Swingers ist das stark autobiographisch geprägte Projekt des Drehbuchautors Jon Favreau, der auch die Hauptrolle übernommen hat. Im Mittelpunkt steht Mike (Favreau), der vor sechs Monaten seine Freundin in New York verlassen hat, um als Stand-up Comedian nach Hollywood zu gehen. Dort wohnt er nun noch immer im Motel, schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben, und kommt beim besten Willen nicht über die
Trennung hinweg. Der Film begleitet Mike und seinen Freundeskreis auf den Touren durch die Partys und Clubs von Hollywood und der Suche nach Glück und Liebe – für eine Nacht oder fürs Leben.
Der Film hat ganze $250.000 gekostet, was in etwa der Portokasse für James Camerons Titanic entsprechen dürfte. Bei der Besetzung hat man völlig auf bekannte Gesichter verzichtet (was sich im Fall von Vince Vaughn allerdings durch The Lost World bald ändern wird); die meisten der Darsteller sind jene real life-Freunde von Jon Favreau, auf denen auch ihre Charaktere basieren. Das hat den erfreulichen Effekt, daß die Chemie und das Timing perfekt stimmen – und daß beim Zusehen das distanzierende Bewußtsein fehlt, einen Star bei der Arbeit zu beobachten.
Das hervorragende Drehbuch lebt von seinem flotten Dialogwitz, seinen genau gezeichneten Charakteren und seiner Fähigkeit, bei aller pointierter Zuspitzung in jeder Szene das Gefühl aufkommen zu lassen, daß das alles wie vom wahren Leben geschrieben ist.
Mit Regisseur und Kameramann Doug Liman hat man einen »Außenseiter« engagiert, der nicht zum originalen Freundeskreis Favreaus gehört, und der somit den Film vor der möglichen Gefahr der Selbstverliebtheit und Unzugänglichkeit bewahrt, die bei autobiographischen Werken ja immer naheliegt.
Durch die geringe Höhe des Budgets mußten alle Aufnahmen on location entstehen; Liman hat sich daher für eine leichte, mobile Kamera entschieden und zumeist sogar nur mit dem vorhandenen
Licht gearbeitet.
All das verleiht dem Film eine Authentizität, von der er sich mit jedem weiteren Budget-Dollar nur zunehmend entfernt hätte. Die Frischheit und Unvermitteltheit, das stete Gefühl des »Genau so ist es«, verdankt Swingers eben dem erzwungenen Verzicht auf gewisse Standards technischer und ausstatterischer Professionalität. Was nun nicht heißen soll, daß dem Film die Aura des Amateurtums anhaftete – alle Beteiligten legen Leistungen an den Tag, die nichts zu wünschen übrig lassen. Nur eben hat sich durch die Produktionsbedingungen noch viel von der wirklichen Welt (oder was sich dafür dieser Tage ausgibt) in die fiktive des Films gerettet – und dazu Herzblut, Begeisterung und persönliches Engagement, wie sie leider selten anzutreffen sind, sobald die Arbeit beim Film in erster Linie den Zweck der Kapitalmehrung hat.
Ob Swingers jedoch sein Potential in hiesigen Gefilden so ganz entfalten können wird, muß sich erst zeigen. Es mag sein, daß zuviel seiner Wirkung eben darauf beruht, daß das Publikum erkennt, wie hundertprozentig treffend ³das Miliöh² geschildert wird – wer das Leben in L.A. nicht aus erster Hand kennt, hat sicher weniger von dem Film.
Und bei einem Film, der so sehr von seiner genau abgelauschten Umgangssprache lebt, wird sich eine Synchronisation wahrscheinlich mal wieder desaströs auswirken. (Nachdem Der Synchronisator zuletzt die unerreichte Spitzenleistung ablieferte, in Donnie Brasco »Forget about it« mit »Mann, piß die Wand an« zu verundeutschen, kann man nur mit Grausen darauf harren, welch Schicksal dem in Swingers ähnlich ubiquitären »You're so money« beschieden sein wird.) Andererseits ist Swingers zu einem Gutteil auch dadurch so sympathisch, daß er Beziehungsprobleme, Liebesleid und Liebesfreud schon fast schmerzhaft lebensnah auf die Leinwand bringt – und wen gäbe es, der oder die nicht auch hierzulande mit diesen Dingen zu Genüge vertraut wäre.