Deutschland 2018 · 90 min. · FSK: - Regie: Florian Opitz Drehbuch: Florian Opitz Kamera: Andy Lehmann Schnitt: Frank Müller |
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Ich? Ein Kapitalistenschwein? |
Jahrhundertelang waren es anerkannte Prinzipien, von Kirchenkanzeln gepredigt, in Schulen und Universitäten gelehrt: Die Sonne kreist um die Erde. Adelige verdienen Privilegien, da sie von Gott auserwählt sind. Oder: Krankheiten – wie die Pest – sind Strafen für schwere Sünden. Heutzutage schüttelt man über solche Irrtümer den Kopf. Mit einer Mischung aus Mitleid und Amüsement. Ach, was waren das für finstere Zeiten!
Wie muss sich jemand gefühlt haben, dessen gesunder Menschenverstand schon damals ahnte, was heute selbstverständlich ist? Die Erde kreist um die Sonne. Die Pest ist kein göttlicher Wille. Sie wird durch ein Bakterium ausgelöst, es heißt Yersinia pestis.
Diese Gedanken ziehen einem bei einem Dokumentarfilm durch den Kopf, der untersucht, ob wirtschaftliches Wachstum die Voraussetzung ist für das Wohlergehen der Menschheit. Oder ob dieses Primat des Kapitalismus Ursache ist für ungeheuerliche soziale und ökologische Missstände. Vielleicht sogar für den Untergang des Lebens auf diesem Planeten?
Um diese drängenden Fragen zu beantworten, interviewt der Dokumentarfilmer Florian Opitz Befürworter und Kritiker des Wirtschaftswachstums. Investoren, Volkswirtschaftler, Lobbyisten und Statistiker. Analysten, Journalisten und Börsenhändler. Schweine- und Hühnerproduzenten. Industrielle, sowie Spekulanten, die in dem kaum regulierten Markt Millionen gescheffelt haben und weiterhin scheffeln.
Beim Vergleich ihrer Argumente fällt auf: Kritiker belegen ihre Einwände mit Zahlen und Beweisen. Befürworter dagegen behaupten: Wir brauchen Wachstum, weil es so ist. Weil wir keine Alternative haben. Weil es immer schon so war.
Dabei zeigt Florian Opitz bei einem Exkurs in die Geschichte: Die Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wurde erst nach dem Ende des 2. Weltkriegs zum Dogma erhoben. Als Europa in Trümmern lag und wieder aufgebaut werden musste.
Inzwischen muss der »Markt« ständig neue Sehnsüchte und Trends erschaffen, damit unsere Konsum- und Kauflust nicht nachlässt.
Könnte es sein, dass Florian Opitz absichtlich nur wenig überzeugende Befürworter des unbegrenzten Wachstums zu Wort kommen lässt?
Nun, wer das vermutet, kann die Probe aufs Exempel machen. Und mal einen BWLer, VWler oder Banker fragen, wenn ihm einer über den Weg läuft.
Ihre Antworten gleichen sich, als kämen sie alle aus denselben drei Förmchen: Wir brauchen Wachstum, weil es so ist. Weil wir keine Alternative haben. Weil es immer schon so war, usw., usf.
Die fatalen Folgen unseres Wirtschaftssystems für Menschheit und Umwelt sind offensichtlich. Trotzdem halten Politik und Wirtschaft an ihm fest. Als sei exponentielles Wachstum nicht die Ursache, sondern die Lösung für alle Probleme.
Bei der Argumentation wird immer wieder ein Mann zitiert, der die Fallstricke des Kapitalismus gespenstisch genau vorausgesehen hat: der Philosoph und Ökonom Karl Marx, der soeben seinen 200. Geburtstag gefeiert hat. Seine Theorien waren schon mehrfach beerdigt und verboten worden. Sie zirkulieren trotzdem munter weiter.
Angesichts der fortgeschrittenen Zerstörung unseres Planeten und der auseinanderdriftenden Schere zwischen Arm und Reich wäre es ein Kinderspiel, Angstgefühle zu schüren und Profiteure des Kapitalismus als Schurken anzuklagen.
Zum Glück hat Florian Opitz sich dafür entschieden, sachlich zu argumentieren. So dass sich jeder selbst ein Urteil bilden kann, ohne von Gefühlen manipuliert zu werden.