USA 2008 · 103 min. · FSK: ab 12 Regie: Scott Derrickson Drehbuch: David Scarpa Kamera: David Tattersall Darsteller: Keanu Reeves, Jennifer Connelly, Jaden Smith, John Cleese, John Hamm u.a. |
||
Gefriergetrockneter David Bowie: Alien Keanu Reeves |
The Day The Earth Stood Still- so heißt ein Klassiker des Science-Fiction-Genres aus dem Jahr 1951. Er stammt von Robert Wise, zuvor Orson-Welles-Cutter, später als Regisseur einer der vielseitigsten Routiniers aus Hollywoods postklassischer Ära. Sein Film erzählt mitten in der Hochzeit des Kalten Kriegs, in der »Marsmenschen« und andere Aliens normalerweise als Kommunistenmetapher – der »rote Planet« – herhalten mussten, zur Abwechslung einmal von friedlichen Außerirdischen, die als eine Art extraterrestrische Blauhelmtruppe zur Erde gekommen waren, um in bester peacenik-Manier vor dem Atomtod zu warnen. Damit wurde der Film zum Meilenstein des Alien-Genres und Anreger vieler nachfolgender Regisseure. Jetzt hat, passend zum Amtsantritt Barack Obamas, Hollywood den Klassiker neu verfilmt: In Scott Derricksons Remake spielt Keanu Reeves den Abgesandten vom anderen Stern, und statt einer Friedensbotschaft bringt er diesmal aber puritanischen Öko-Tugend-Terror. Die Welt soll wieder ein einzig Auenland werden.
Manche Bilder sind wunderhübsch apokalyptisch: Die Geburt jener bissig-verfressenen kleinen Metallkreaturen etwa, die bald darauf als stählerner Heuschreckenschwarm über die Zivilisation herfallen. Sie schälen sich aus einem Bohrkopf, mit dem die dummen Menschen tatsächlich glauben, jenen merkwürdig archaischen Riesenroboter, den sie aus dem Central Park ins Labor haben schleppen lassen, anbohren zu können. Ein armer Techniker, der wohl gerade Schicht hatte, entdeckt die kleinen Biester plötzlich, doch da fressen sie sich schon durch seinen Schutzanzug, und die lieben Kollegen draußen, hinter der gläsernen Sicherheitswand haben schnell die Schutztür geschlossen, in der – vergeblichen – Hoffnung, sich so retten zu können, und überlassen den Kollegen seinem Schicksal. Da ist der Film schon eine Stunde alt, und geht langsam los.
Auch nach außerirdischer Logik macht es nicht wirklich Sinn, dass die fremden Besucher sich soviel Zeit lassen und alles unnötig verkomplizieren – zumal gerade diese Aliens ansonsten sich als Meister des Gradlinigen und direktmöglichsten Wegs zeigen. Aber es sieht halt schön aus, ähnlich wie das menschenleere Football-Stadion der New York Giants, das der Heuschreckenschwarm dann bald heimsucht und verfuttert.
»Sind Sie unser Freund?« – »Ich bin ein Freund der Erde.« Keanu Reeves hat den Charme von Al Gore und die Coolness eines Shaolin-Mönches, besonders, wenn der von David Carradine gespielt wird. Das Starre, Statische von Reeves, seine Buster-Keaton-Haftigkeit kommt in diesem Fall dem Film zugute, spielt er doch einen Mann vom anderen Stern, der mit seiner Film in der Regel in Form pragmatisch-präziser Oneliner kommuniziert, die in ihrer Mischung aus moralisierendem Kommentar und Besserwisserei immer etwas Altkluges haben: »You treat the world, as you treat each other.«
Leidenschaftslos wie ein gefriergetrockneter David Bowie zur Zeit von dessen Auftritt als The Man Who Fell to Earth wandert Reeves, immer noch mit dem seit Matrix angenommenen Gesichtsausdruck eines neutestamentarischen Messias, diesmal aber mit Namen Klaatu, durch die zum Untergang verdammte Menschenwelt. Ohne Humor, aber sehr gütig macht er alles, was er kaputtgemacht hat, schnell wieder ganz und bleibt stets schön aufmerksam für alles Lebendige – als gälte es, Fleißblümchen für ein Erstklässlerzeugnis zu sammeln.
Jennifer Conelly, ja – die wäre doch alleine eigentlich Grund genug, die Welt zu retten. Aber irdische Begehren sind nicht die Sache dieses Films. Es muss schon überirdisch sein, ums Große, Ganze gehen, hübsch politisch korrekt, sehr puritanisch und erfüllt von mehr als nur einem Hauch von Tugendterror – ein kleiner Vorausschein womöglich auf die gerade erst beginnende Ära eines US-Präsidenten Obama.
»Cheesy« ist, vorsichtig ausgedrückt, der Anfang: Ein Studio in Los Angeles, das »Indien 1928« simulieren soll, eine »Schneelandschaft« wie aus einem Film der späten 20er, das Sounddesign macht »phiffffffphiffff« und man glaubt fast die schlechtbezahlten Helfer zu sehen, die hinter der Kamera die Windmaschinen steuern und »Schnee machen«. Indien also, im Jahr 1928. Ein Bergsteiger, nicht erkennbar von spezifischer ethnischer Zugehörigkeit, krabbelt des Nachts im Schneesturm aus seinem Zelt als ob ihn eine unsichtbare Macht gerufen hätte. Ein, zwei Minuten dauert es, bis er eine kleine Felswand emporgekrakselt ist, dann sehen wir was, was er auch sieht: Eine geschätzte vier, fünf Meter große Riesenkristallkugel, die lindgrün leuchtet und in deren Inneren sich irgendwas bewegt. Nach kurzem Anglotzen und Tasten macht der bescheuerte Bergsteiger etwas, was seinesgleichen nur im Film tun: Mit seiner Spitzhacke hackt er auf dem Kristall herum und ein Loch hinein. Noch ein Blick ins Innere, dann wird er ohnmächtig und wacht ein paar Stunden, offenkundig selber überrascht, dass er noch nicht den Erfrierungstod gestorben ist, wieder auf.
Schnitt. Wir sind in der Gegenwart, Jennifer Connelly lehrt an der Uni, und wenige Sekunden lehren uns, dass sie ebenso genial ist wie beliebt bei Jung und Alt. Zuhause hat sie einen schwarzen Sohn namens Jacob, und der Film braucht einige schwerfällige Dialogzeilen, um uns dieses ethnische Figuren-Design plausibel zu erklären. Jedenfalls ist Connelly, die im Film Helen Benson heißt, Kriegerwitwe, Jacobs Stiefmutter und außerdem eine Expertin in »Astrobiologie«. Dieses Know How führt dann zu ungebetenem Besuch: Ein Haufen Regierungsbeamter, die schon selbst fast aussehen wie Aliens und sich auch so benehmen, holen sie ab, Widerstand ist zwecklos. Einzige Erklärung: »Hier geht es um die nationale Sicherheit.« »Darunter verstehen Sie doch, was Sie wollen«, antwortet Helen – die erste von mehreren offenen Kommentaren zur gegenwärtigen US-Politik, die aus The Day the Earth Stood Still, einen Oppositionsfilm machen.
Im Folgenden findet sich Helen mit anderen hochkarätigen Wissenschaftlern in einem Armeehubschrauber wieder. Beim ersten Zwischenstopp erfährt sie von einem unbekannten, meteorähnlichen Flugobjekt, das sich auf direktem Kurs Richtung – mal wieder! – Manhattan bewegt, »Impact, in 78 minutes«. Im Film dauert es nur zwei und eine kurze Toilettentelefonpause Helens – in der sie Jacob rät, doch besser in den Keller zu gehen – und das Ding landet ganz sanft im Central Park. Es ist zwar wesentlich größer, sieht sonst aber genauso aus wie der grüne Kristall aus dem indischen Hochgebirge. Jetzt erinnert der Film für ein paar Minuten an Close Encounter und E.T.
Dann wird zum ersten Mal geballert, der dem Raumschiff entstiegene Alien ist verwundet, rote Blutspritzer auf der Maske vor Connellys hübschem Antlitz, und es dauert nur Sekunden, da sind wir in einer ER-Folge und irgendein Chirurg operiert am Alien herum. Connelly ist empathisch – später erfahren wir, dass ihr Mentor den Nobelpreis in »atruistischer Biologie« gewann – und lässt sich im Gegensatz zum Rest der Welt auf den fremden übermächtigen Besucher ein. Der will grob gesagt die gute Erde retten, indem er die böse Menschheit vernichtet. The Day the Earth Stood Still ist also vor allem ein feuchter Traum aller Ökofundamentalisten und Puritaner und der ideale Weihnachts-Film für ein Europa, das sich in diesen Tagen damit beschäftigt, alle Glühbirnen zu verbieten.
Es gibt immer wieder wirklich hübsche Szenen in dem Film – die Flucht Klaatus, die Momente in denen Kathy Bates die US-Verteidigungsministerin als Mischung auch Richard Cheeny und Hilary Clinton spielt, in den Klamotten von Madeleine Albright. Ärgerlich aber sind das unverhohlene Product Placement und die aufdringlichen christlichen Motive: Ein Heuschreckenschwarm bringt den Untergang, eine Sintflut bedroht die Menschen als Strafe für ihre Sünden, eine Arche wird gebaut, und ein Erlöser kommt auf die Erde. In Zeiten, in denen über Intelligent Design ernsthaft debattiert wird, ist das wenig witzig. Und mit dem Original hat es nichts zu tun.
Im Jahr 1951 erzählte Robert Wise von einem friedlichen Alien. Der Außerirdische, der auf der Erde landet, und von dem Militär und Bevölkerung zunächst das Schlimmste befürchten, entpuppt sich im Film als sympathisch, neugierig, dabei überlegen. Vielleicht war das subversiv, vielleicht war es nur Zufall. The Day the Earth Stood Still wurde zum Anreger von Steven Spielberg und angeblich Ronald Reagan, der in seinen Genfer Gesprächen mit Michael Gorbatschow angeblich den Film zitierte. Zur Zeit des Korea-Kriegs und nur sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Angesicht des atomaren Wettrüstens war der Film ein Aufruf zum Frieden und zur Unterstützung der »Vereinten Nationen«.
Robert Wise' Film ist aus heutiger Sicht filmisch avantgardistisch und ungeheuer einflussreich, ein Vorläufer von Werken wie Invaders From Mars, The Thing, It Came From Outer Space und The War of the Worlds. Inhaltlich ist er aber in seinen groben Plädoyers ziemlich fanatisch und unangenehm messianisch, in seiner unverhohlenen Vernichtungsandrohung außerdem ein Kind seiner Zeit und mindestens ungemein naiv.
Das Remake ähnelt nun auch einer TV-Serie wie Auf der Flucht, weil der Außerirdische kaum je zur Ruhe kommt. Aber auch hier funktioniert der Alien als Lupe, die die Sensibilitäten und Borniertheiten der Menschen deutlicher zum Vorschein bringt, zeigt, dass das Gegenwartsamerika in darwinistischem Denken und Militarismus gefangen ist.
Trotzdem wird Klaatu natürlich bekehrt. Zunächst von einem klugen, alten Chinesen, der ihm erklärt: »Sie sind zerstörerisch, und keine vernünftige Rasse. Aber sie spüren, was aus ihnen werden wird. Und es gibt noch eine andere Seite: Ich liebe die Menschen.« Dann trifft er das Physikgenie Barnhardt (gespielt von John Cleese, den man leider auch hier nicht ganz ernst nehmen kann). Man schreibt komplizierte Formeln auf eine Tafel, und Barnhardt sagt: »Ich möchte Ihnen so viele Fragen stellen.« Er stellt dann aber keine einzige – dafür wäre auch kaum Zeit.
Am wichtigsten aber ist Bach, Johann Sebastian. Denn im Hintergrund klimpern die Goldberg-Variationen. Klaatu lauscht, offenkundig irritiert. Connelly sagt: »Das ist Bach.« Klaatu: »Das ist wunderschön.«
So vollendet der Öko-Terrorist Klaatu sein Werk nicht, stattdessen wird auch von Regisseur Scott Derrickson The Exorcism of Emily Rose die US-Kleinfamilie gerettet, auf einem Soldatenfriedhof mit Gräbern aus – subversiv, subversiv – Vietnam und Irak. Alles in allem ist dies also, wenn auch leidlich unterhaltsam, aber doch ein Schwachsinn von kosmischem Ausmaß und eine überdimensionierte Akte X-Folge.