Deutschland 1996 · 86 min. · FSK: - Regie: Wolf Gaudlitz Drehbuch: Wolf Gaudlitz Kamera: Claus Langer, Rodger Hinrichs Schnitt: André Bendocchi-Alves Darsteller: Augusto Macedo, Antonio Torchiaro, Josefina Lind, Leonore Mau |
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Augusto Macedo und sein Taxi |
Lissabon – eine Stadt, in der einen leicht das Gefühl überkommt, über einen Antiquitätenmarkt zu wandern oder auch durch die Kulisse für einen Film, der zumindest um die Jahrhundertwende spielt, wenn nicht früher. Eine Stadt, in der das Alter sehr stark sichtbar ist. Da der Fortschritt das Leben in Lissabon ohnehin nicht mehr einholen kann, hat jeder hier sehr viel Zeit.
Insofern ist Augusto Macedo, der im Mittelpunkt dieses Films steht, ein typischer Lissaboner. Die Veränderungen der modernen Welt scheinen diesen fast hundertjährigen Mann gleichgültig zu lassen. Wenn Macedo anfängt zu erzählen, fühlt man sich an den Beginn des Jahrhunderts zurückversetzt. Liebevoll beobachtet ihn die Kamera, wie er sein museumsreifes Taxi durch die engen Pflastersträßchen Lissabons steuert, wie er sorgfältig sein Auto poliert oder wie er mit sparsamer Gestik aus seinem Leben erzählt. Viel gäbe es da zu erzählen, kleine, unspektakuläre Geschichten, die Macedo quasi im Vorbeifahren beobachtet und gehört hat. Doch dafür bleibt wenig Zeit, denn der Regisseur (Wolfgang Gaudlitz) hat beschlossen, diesem kauzigen alten Mann ein Sammelsurium – teilweise fiktiver – Personen hinzuzufügen: Da sind die aufdringliche Fremdenführerin und der jammernde Schuhputzer, den keiner richtig ernst nimmt, obschon sein Beruf doch offensichtlich genauso wichtig ist wie der Macedos. Da taucht ein italienischer Imbißbuden-Kleinunternehmer auf der wichtigtuerisch mit seinem Handy herumfuchtelt und jeden ausfragt, der seinen Weg kreuzt. Und die junge portugiesische Schönheit darf natürlich auch nicht fehlen. Sie hat Macedo bereits als Fahrer für ihre Hochzeit gebucht, die nie stattfinden wird.
Aber während man diesem kleinen Reigen zusieht, der nur kurzfristig von mit nostalgischer Musik (von Gerd Wilden junior) unterlegten Schwenks über die Stadt unterbrochen wird, wünscht man sich zurück zu dem sympathischen alten Taxifahrer. Man möchte mehr Geschichten hören von diesem Mann, der seit Ewigkeiten tagtäglich jeden Winkel dieser Stadt abfährt. Man möchte mehr wissen über sein Leben und über seine Familie, die nur kurz zu Wort kommt. Und man beginnt sich zu fragen, ob ein Dokumentarfilm, der eine Stadt wie Lissabon und einen Typ wie Macedo zum Thema hat, mit fiktiven Elementen aufgeladen werden muß, um zu wirken.