Deutschland 2013 · 94 min. · FSK: ab 6 Regie: Reinhard Klooss Drehbuch: Reinhard Klooss Musik: David Newman Kamera: Markus Eckert |
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Ich Tarzan, du Jane |
Genau vier Wochen ist es her, dass eine einfältige Fantasy-Weiterentwicklung der »Frankenstein«-Geschichte weltweit die Leinwände erzittern ließ und die schamlose Gier der Filmindustrie nach wiederverwertbaren Stoffen offen zur Schau stellte. Das neueste Opfer dieser nicht enden wollenden Tendenz ist ein alter Bekannter: Edgar Rice Burroughs' Dschungelheld Tarzan, der 1912 in einem Pulp-Magazin das Licht der Welt erblickte und seither als Inspirationsquelle für unzählige Filme und Fernsehbeiträge herhalten musste. Etwas mehr als 100 Jahre nach ihrer »Geburt« erfährt diese ikonische Figur in einem animierten 3D-Film aus deutscher Produktion nun eine abermalige Neuinterpretation.
Vom technischen Standpunkt aus betrachtet, ist dieses Unterfangen für hiesige Verhältnisse sicher beeindruckend. Schließlich errichteten die deutschen Produzenten mitten in den Bavaria-Filmstudios eines der größten Motion-Capture-Sets der Welt, in dem Bewegungen realer Schauspieler zur digitalen Umwandlung aufgenommen wurden. Großen Aufwand lassen auch die fertigen Animationen des afrikanischen Dschungelpanoramas erkennen, selbst wenn sie vielleicht nicht ganz an Hollywood-Maßstäbe heranreichen. In visueller Hinsicht ist dem bunten Abenteuerspektakel eigentlich nur vorzuwerfen, dass die Mimik der Figuren seltsam unterentwickelt wirkt. Emotionen und Reaktionen sind nur andeutungsweise zu erkennen, was einer realistischen Gestaltung zuwiderläuft.
Bestünde ein Unterhaltungsfilm allein aus schön anzuschauenden Bildern, könnten sich die Macher rund um Regisseur Reinhard Klooss halbwegs beruhigt zurücklehnen. Dummerweise braucht ein solches Werk, das sich explizit an ein Familienpublikum richtet, aber auch eine fesselnde Geschichte, die den Zuschauer in die fiktive Welt hineinzieht. Was Tarzan 3D hierfür aufbietet, ist schlichtweg abenteuerlich, und das im allernegativsten Sinne. Wild und unkontrolliert mischt der Animationsfilm unterschiedlichste Genrestile und Erzählmuster, ohne seine Handlung, die sich an Burroughs' Ursprungsroman anlehnt, auch nur annähernd in den Griff zu bekommen.
Am Anfang steht ein geheimnisvoller Meteorit, der vor vielen Millionen Jahren über dem zentralafrikanischen Dschungel niedergegangen ist und in der Gegenwart Tarzans Vater John Greystoke, einen reiselustigen Unternehmer, magisch anzieht. Während er und seine Frau auf der Suche nach dem Gestein ums Leben kommen, hat ihr Sohn Glück im Unglück. Nahezu unverletzt wird er von einem Gorillaweibchen aufgestöbert und kurzerhand in seine Familie aufgenommen. Jahre später trifft der mittlerweile durchtrainierte und vollkommen akklimatisierte Dschungelbewohner auf die hübsche Umweltaktivistin Jane Porter, die den zwielichtigen Manager William Clayton nach Afrika begleitet. Angeblich interessiert er sich für ihre Stiftung, doch in Wahrheit plant er die systematische Ausbeutung des Meteoriten, der unerschöpfliche Energiereserven bereithält.
Wie unschwer zu erkennen ist, spannt der Film einen erstaunlich großen Bogen, der, anders als bei Burroughs, von den Dinosauriern bis zur heute dringlichen Frage nach der Gewinnung von Energien reicht. Ausflüge in die Gefilde des Katastrophen- und Monsterfilms sind dabei ebenso zu finden wie Anleihen bei James Camerons 3D-Epos Avatar – Aufbruch nach Pandora. Angereichert ist das bunte Treiben mit einer absehbaren zart-romantischen Note, oberflächlichen Seitenhieben auf die Auswüchse des Kapitalismus und einigen rasant-verspielten Actionpassagen. Dass all dies nur schwer unter einen Hut zu bringen ist, offenbart die recht elliptische und holprige Handlungsführung, die ein Erzählerkommentar verschleiern soll, jedoch erst recht zum Vorschein bringt. Immer dann, wenn ungelenke Plot-Entwicklungen zusammengefasst oder erklärt werden müssen, greift eine übergeordnete Stimme ein und sorgt für den nötigen Durchblick. Eine Strategie, die mitunter sogar unfreiwillig komische Ausmaße annimmt, da der Erzähler aktuelle Befindlichkeiten der Figuren geradezu schwülstig expliziert. Auch wenn dieses Stilmittel den jungen Zuschauern den Zugang zum Geschehen erleichtern soll, wirkt es in letzter Konsequenz wie ein schlechter dramaturgischer Witz.
Inmitten des unausgegorenen Potpourris an Versatzstücken bleibt der titelgebende Held leider allzu oft auf der Strecke. Freilich darf er sich immer wieder athletisch von Liane zu Liane schwingen und gefährliche Urwaldbewohner bändigen. Die entscheidende Annäherung an Jane und die Wiederentdeckung der eigenen (menschlichen) Identität sind jedoch nicht mehr als Standardsituationen, die das fahrige Drehbuch abklappert, ohne an tiefergehenden Aussagen interessiert zu sein. Trotz optischer Ausrufezeichen bleibt die Modernisierung der »Tarzan«-Geschichte eine große Enttäuschung, die einmal mehr starke Argumente gegen eine fortlaufende Plünderung des popkulturellen Erbes liefert. Die Filmindustrie selbst zeigt sich davon betont unbeeindruckt, versprechen etablierte Marken doch satte Gewinne. Kein Wunder also, dass die nächste »Tarzan«-Version bereits für 2016 angekündigt ist. Zu hoffen bleibt in diesem Fall nur, dass sie in erzählerischer Hinsicht nicht an die aktuelle Neuauflage anschließt.