Iran 2014 · 86 min. · FSK: ab 0 Regie: Jafar Panahi Drehbuch: Jafar Panahi Kamera: Jafar Panahi Schnitt: Jafar Panahi |
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Pfiffig, selbstreferentiell & alltägliche Wirklichkeit |
»Sie drehen doch hier einen Film oder? Erzählen Sie nicht, dass Sie hier nur Taxi fahren, Herr Panahi« – eine unglaubliche Geschichte: Jafar Panahi, der iranische Filmregisseur und Dissident, tritt in seinem eigenen Film auf – nicht als Schauspieler, der à la Woody Allen eine fiktive Figur verkörpert. Sondern als er selbst, als der Regisseur jenes Films, den er im Augenblick seines Auftritts auch gerade dreht.
Man sieht ihn hinter dem Fahrersitz mit freundlichem,
fröhlichem Gesichtsausdruck, zwischendurch lauthals lachen, selten hingegen seine Gelassenheit verlieren. Man versucht diese Mimik zu deuten – ist es Sarkasmus, Spott darüber, dass es ihm wieder gelungen ist, allen ein Schnippchen zu schlagen? Oder doch nur die heitere Melancholie eines Menschen, dem schon so viel genommen wurde, dass ihn nichts mehr treffen kann?
Zudem stellt sich das Problem: Ist dieser Mann namens »Jafar Panahi«, der während der Fahrt eine kleine Kamera neben dem Fahrersitz laufen lässt, die das Geschehen im Auto aufzeichnet, und von dem man nicht genau weiß, ob es sich um einen filmenden Taxifahrer oder einen taxifahrenden Filmemacher handelt, denn überhaupt mit dem Regisseur desselben Namens gleichzusetzen? Oder spielt hier Jafar Panahi doch nur einen »Jafar Panahi« mit dem er allenfalls bedingt etwas zu tun hat?
Solche Fragen stellen sich in Taxi Teheran, dem höchst ungewöhnlichen neuen Film des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Panahi war bislang durch seine politischen Schwierigkeiten und sein Dasein als Dissident, dass ihm Haftaufenthalte und ein langjähriges Berufs- und Reiseverbot einbrachte, fast berühmter, als durch seine bisherigen Kinowerke.
Mit Taxi Teheran beweist er aber nun, dass er tatsächlich auch ein
hochinteressanter und clever-ironischer Filmemacher ist. Und wenn es nicht zynisch klänge, müsste man konstatieren: Das Berufsverbot ist das Beste, was Panahi passieren konnte. Denn der Film handelt im Prinzip von nichts anderem, als von einem Taxi, das einen Tag lang durch Teheran fährt. In diesem kleinen Rahmen gelingt Panahi aber ein überaus facettenreiches Abbild der iranischen Gegenwartsgesellschaft – und das Selbst-Porträt eines Künstlers unter schwierigen
Bedingungen.
»Sie können doch kein Taxifahrer sein. So etwas kann doch gar nicht wahr sein.«
Der »Autofahrfilm« ist seit Jahrzehnten ein besonderes Genre des iranischen Kinos: Das sind Filme, die im Auto beginnen, und bei denen die Kamera dieses Auto nie verlässt. Alles was überhaupt im Film passiert, ereignet an eben diesem Ort, vorzugsweise während der Fahrt. Durch die Scheiben allerdings sieht man auch das Leben auf der Straße, in anderen Fahrzeugen, beobachtet, und nimmt daran teil.
Dass dieser Typ Film sich ausgerechnet im Iran entwickelt hat, liegt nun aber nicht
daran, dass die Perser eine besondere Faszination für PKWs haben, es hat seine Ursache vielmehr in den besonderen und schwer verständlichen Vorschriften der iranischen Zensurbehörden, die für ein europäisches Publikum mitunter auch bizarre Züge haben: Das Auto gilt im Iran juristisch als Innenraum, also kann ein Filmemacher, der für einen Außendreh keine Genehmigung bekommen hat, dieses Verbot, indem er die Handlung ins Auto versetzt, ziemlich einfach umgehen. Merkwürdiges Land.
Man denkt ja, in einer Diktatur würde man dann halt den Innenraum mal eben zum Außenraum umdefinieren, wenn es einem besser in den Kram passt, aber so einfach geht es eben offenbar nicht.
Im Auto können Menschen (ob im Film oder im wahren Leben) daher alles Mögliche machen, was ihnen sonst verboten ist: Männer und Frauen dürfen sich dort gleichzeitig aufhalten – im Gegensatz zu öffentlichen Orten wie Cafés, Schulen, Kinos und Ähnlichem. Die Frauen und schon die kleinen Mädchen natürlich nur mit vorschriftsmäßig streng verschleiertem Haar.
Daher wird das Auto auch bei Jafar Panahi nun – wie etwa zuvor beim berühmten Abbas Kiarostami – noch ganz
anders als zum Beispiel in Hollywoods oder Europas Road-Movies zur emotionalen Druckkammer und zum Seelenerforschungsort.
Falsch ist allerdings die nun gelegentlich zu lesende Behauptung, Panahi habe sich selbst für diesen Film von seinem ehemaligen Lehrer Abbas Kiarostami un dessen Ten (2002) »inspirieren lassen« (So nachzulesen bei den Kollegen von critic.de). Es gibt mindestens 50 Filme, die zu großen Teilen oder sogar komplett in einem Auto spielen, und mit der unklaren Trennung zwischen Dokumentation und Fiktion spielen.
Taxi Teheran ist ein regelrechtes Stationendrama. Alle paar Minuten steigen neue Fahrgäste dazu, einige von Ihnen erkennen Panahi und sprechen ihn auf seine Filme an. Zum Beispiel ein Straßenfilmhändler, der Filme aus Hollywood, ob von Woody Allen oder Zombieschocker feilbietet, die im Iran theoretisch verboten, praktisch aber eben an jeder Straßenecke erhältlich sind.
Außer um das Kino drehen sich viele Gespräche um Politik oder Alltägliches wie Gewalt und die vielen Straßenräuber. Gleich zu Beginn diskutieren zwei Fahrgäste über den Sinn der Todesstrafe. Eine Anwältin erklärt die Folgen der permanenten Bespitzelung: »Deine engsten Freunde werden zu Feinden.« Zwischendurch kommt es aber immer wieder auch zu komödiantischen Szenen oder unfreiwillig komischen Momenten. Alles ist inszeniert und choreographiert – doch es bleibt viel Raum für Spontaneität und Improvisation.
Das Herz des Films sind die Gespräche mit der etwa zwölfjährigen Nichte Panahis, die in der Mitte des Films zusteigt und ihn von nun an begleitet. Denn das Mädchen möchte mit einer kleinen Digitalkamera ihren eigenen Film drehen. In der Schule hat ihr die Lehrerin die »Regeln für einen zeigbaren Film« beigebracht. Also die Vorschriften der Zensur:
»Zeigbar ist im Iran ein Film, wenn die Guten einen islamischen Namen haben, und keinesfalls eine Krawatte tragen. Ein Film darf keine
wirtschaftlichen oder politischen Themen behandeln, er soll die Realität zeigen, aber nicht, wenn sie hässlich ist.« Und so weiter.
Am schwersten wiegt der Vorwurf der »Schwarzmalerei«. Was immer das sein soll. Es kann alles und nichts sein.
So ist Jafar Panahis Taxi vor allem ein pfiffiger, selbstreferentieller Film über das Filmemachen und über Film-Zensur, im Iran, aber auch anderswo. Und es ist ein Gesellschaftsporträt, das über die Gespräche, auch über das, was man sieht, wenn man aus dem Fenster blickt, viel von der alltäglichen Wirklichkeit des Landes und den Auswirkungen der Mullah-Diktatur einfängt.
Bis ganz zum Schluss. Da wird das Bild schwarz. Zwei Männer rauben das Taxi aus, aber es sind keine Straßenräuber, sondern offenkundig Schergen des Geheimdienstes. Sie wollen die Kamera stehlen, um den Film, der wir gerade sehen, zu verhindern. Das gelingt ihnen nicht. Aber ihre letzten Worte lauten: »Wir kommen wieder!«