USA 2022 · 138 min. · FSK: ab 18 Regie: Damien Leone Drehbuch: Damien Leone Kamera: George Steuber Darsteller: Lauren LaVera, Elliott Fullam, Sarah Voigt, Amelie McLain, Chris Jericho u.a. |
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Phänomenal, lustig, furchteinflößend, grotesk... | ||
(Foto: Tiberius Film/24 Bilder) |
Von allen Horrorclowns ist Art einer der faszinierendsten. Terrifier 2 beweist das einmal mehr. Er ist ganz auf die eigene Darstellung konzentriert, darf mysteriös und andersartig bleiben, ohne in Psychologisierungen zu verschwinden. Und: Er darf spielen! Regisseur Damien Leone hat jene schaurige Gestalt in die Welt gebracht. Terrifier 2 ist nach einigen Kurzfilmprojekten und einer Anthologie ihr zweiter abendfüllender Soloauftritt. Leones Interpretation des bösen Clowns stützt sich dabei fähig auf klassische komödiantische Praktiken.
David Howard Thornton spielt diesen Clown wieder phänomenal, lustig, furchteinflößend, grotesk und letzteres ist besonders zu betonen. Grotesk, das meint: Unpassendes, Widersprüchliches zu vereinen. Thornton vermag genau das in seiner undurchsichtigen leiblich-körperlichen Performance. Sein Clown ist stumm. Das Gestikulieren ist seine Sprache, das Spiel mit dem Schicksal und mit menschlichen Fragmenten. Mühelos schwankt er zwischen provoziertem Lachen und verstörendem Sadismus.
Terrifier 2 strapaziert gleich in den ersten Minuten die Publikumsmägen mit einem zerschlagenen Schädel und einem ausgerissenen Auge, mit dem der Clown seine Possen reißt. Alles kann sein Spielzeug werden. Derbe Späße zieht er aus geöffneten und malträtierten Körpern. Woher er kommt? Wer weiß das schon genau. Nun muss er zunächst einmal neu zusammengeflickt werden, dieser Umherreisende, der anscheinend immer und überall auftreten und entkommen kann. Selbst dem Tod hat er ein Schnippchen geschlagen: Ein Stromstoß am Ende des ersten Teils genügte und schon steht er wieder auf im Leichenhaus, um erneut die Menschheit heimzusuchen. Und man nimmt nicht zu viel vorweg, wenn man sagt: Er kann und wird wahrscheinlich auch ein drittes Mal zurückkehren. Sein (Wieder)Erscheinen hat Tradition. Aber will man ihm nach diesem zweiten Teil überhaupt noch einmal begegnen? Das ist die andere Frage.
Es gibt in Terrifier 2 durchaus solche interessanten Kippmomente, die schon eine Stärke des Vorgängers waren. Die von jetzt auf gleich disparate Stimmungen kombinieren oder schockierend verkehren. Etwa, wenn Leone seinen Clown in harmlosen Situationen mit unheilvoll gebleckten Zähnen im Hintergrund aufstellt. Oder ihn in einem musikalischen Albtraum Faxen treiben lässt, welche im Massaker gipfeln. Der erste Terrifier lebte noch allein von solchen Nummern. In kurzer Laufzeit ließ er allein seine gruselige Maskenfigur glänzen. Filmisches Grand-Guignol-Theater war das, selbstzweckhaftes Schocken. Zwischen Ernst und Spaß will und muss es nicht unterscheiden. Terrifier 2 tappt jedoch in die Falle einer Überbietungslogik und entfernt sich damit von seinem eigentlichen Können.
Wäre Damien Leone ein großer Drehbuchautor, wäre vermutlich schon Terrifier 1 ein anderer Film geworden. Er weiß das Genre effektvoll zu bespielen, ein kluger Geschichtenerzähler ist er aber mitnichten. Zu glauben, ein Sequel mit geschlagenen 138 Minuten Laufzeit mit Leben füllen zu können, ist eine selbstherrliche Anmaßung. Oder doch nur ein weiterer Witz? Terrifier 2 langweilt jedenfalls mit geschwätzigem Familiendrama: Mutter, Tochter, Sohn – sie leiden unter dem Tod des Vaters und suchen nach Wegen der Bewältigung. Der jüngste Sprössling beginnt etwa, sich für reale Verbrechen zu interessieren. Es bleibt ein ambitionierter Ansatz, der sich wie so vieles in diesem Film im Nichts verliert.
Sein simples Konzept soll mit Kontext angereichert werden und stumpfer Splatter zum verzweigten Epos taugen. Reiner Exzess verwässert im zähen Plot zur dünnen Blutsauce. Der Clown schleicht sich da als personifizierter Tod und Trauma ins Leben, vor dem man nun die Flucht ergreift. Ein gefallener Engel zieht mit magischem Schwert gegen das Böse zu Felde. Leone schnallt seiner weiblichen Protagonistin falsche Flügel um. Mit solch alberner Symbolik ist Terrifier 2 beladen. Art the Clown wird dabei mehrfach zur Randerscheinung seines eigenen Films. Sogar einen Sidekick hat man ihm jetzt verpasst: eine kleine Clownin. Die taugt anfangs noch zum Gruseln, wenn sie als Halluzination im Waschsalon sitzt. Danach erscheint sie im bloßen Überfluss.
Was Leone hingegen nicht verlernt hat, ist das kreative Ausschmücken von Gewalt: Die drastischen Morde sind zwar über die immense Laufzeit hinweg nicht allzu dicht gesät, aber mit ausufernder Härte inszeniert. Kein anderer regulärer Kinostart ging 2022 so weit, auch nicht der reißerisch beworbene Seuchenfilm The Sadness. Wobei einem auch hier vielleicht nur ein befreiendes Lachen übrig bleibt bei so viel offensiv gewolltem Krawall.
Im Kern betreibt der Film ein kaltschnäuziges, aber kindliches Spiel mit der Grenzüberschreitung, ein Bearbeiten von jederzeit als künstlich erkennbarem Material. Der Terror, den Leones Clown verbreitet, zwinkert mit den Augen. Protzend hantiert er mit Prothesen, Latex, Kunstblut, Puppen. Terrifier 2 hegt selten spürbares Interesse an wahrhaftigem Terror. Er suhlt sich allein im angerührten Matsch, freut sich, ihn zu vergießen, das Unechte genüsslich zu zerstören und mit der Haut zu ertasten. Und George Steuber, der Kameramann, gibt alles, um mit den expliziten Großaufnahmen etwas von diesem Gefühl in den Kinosaal hinüberzuretten, haptische Bilder zu kreieren. Es gelingt! Vorausgesetzt natürlich, man hat nicht schon vorher den Saal verlassen bei so viel Geschmacklosigkeit.
Schlussendlich ist dieses Werk überfrachtet, spinnert, spektakulär gescheitert. In den USA reichte es dennoch zum Kassenerfolg. Nicht zuletzt durch Meldungen über angeblich ohnmächtige, kotzende Kinobesucher. Sensationell sind jedoch nicht allein die sadistischen Schlachteskapaden, sondern es ist die demonstrierte Sinnlosigkeit. Dass Leones Clown einem so viel Lebenszeit raubt, um allein das Destruktive vorzuführen, ist sein ultimativer doppelbödiger Streich. Er stellt seine wahre Natur konsequent aus: zum Schluss, wenn es ihn in ein altes Gruselkabinett zieht. Zwischen liebevoll gefertigten Kulissen und Attrappen fühlt er sich heimisch.
Der Film hat sich zu diesem Zeitpunkt längst selbst in dieses labyrinthische Horrorhaus verwandelt. Man soll sich allein freudig in ihm verirren und die Attraktion des flüchtigen, oberflächlichen Schreckens begaffen. Leone zelebriert das Verschwenderische, das er mit einem Nonsensdrehbuch auf Überlänge dehnt. Das Reißerische seiner makabren Todesszenen lockert die Stimmung und das Kino wird wieder zum Jahrmarkt: Kommen Sie, staunen Sie! Die Kuriositäten warten bereits und jonglieren mit Altbekanntem. Sie feilen emsig an ihrem neu gewonnenen Kultfaktor. Ihr blutrünstiger Vernichtungstrieb kriecht irgendwann sinnbildlich aus dem Schoß der eigenen Wiederholungen.