USA 1997 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Boaz Yakin Drehbuch: Boaz Yakin Kamera: Adam Holender Darsteller: Renée Zellweger, Christopher Eccleston, Glenn Fitzgerald, Allen Payne u.a. |
Sonia hat ein schweres Leben: Von kindlichen Erinnerungen an den Tod ihres kleinen Bruders geplagt, muß sie sich in einer traditionelllen jüdischen Gemeinschaft behaupten. Das ist alles andere als leicht, haben doch Frauen eine fest zugewiesene Rolle und sehr beschränkte Entfaltungsmöglichkeiten. Pflichten, keine Rechte. Ihr Mann, ein praktizierender Rabbiner, nimmt seinen Beruf und vor allem seinen Glauben sehr ernst. Also: Sex unter Eheleuten ist verboten und wird gleich mit dem passenden Ausdruck untermauert (»Making Love To Your Wife Is Indecent«). Da ist die nach Zuneigung suchende Sonia ein gefundenes Fressen für den durchtriebenen Schwager, der ihr einen Job als Verkäuferin offeriert. Dem kurzen Aufblühen ihres Lebens folgt jedoch eine ungemein heftige Reaktion: Die unvermutete Selbständigkeit wird von ihrem Mann und auch den Bekannten und Verwandten als etwas Fremdartiges empfunden und entschieden abgelehnt. Die Gemeinschaft stößt sie aus und entzieht ihr sogar das Recht, ihr Kind zu sehen.
Boaz Yakins (Fresh, Sundance Winner 1994) zweite Regiearbeit ist weder thematisch »in« noch visuell innovativ, vielmehr verwendet sie einfach altmodisches Geschichtenerzählen. In zurückhaltender Ästhetik, dunklen Farben, wenig Lichteinfall und einer ebenso unauffälligen musikalischen Begleitung schildert er den Ausbruchversuch aus dem Gefängnis der Zwänge. Ihre Handlungen werden beflissentlich kontrolliert, die stoische Kamera läßt keinen Raum zur Ausflucht. Einzig die Erinnerungen an ihren verstorbenen Bruder, der sie tröstet, sind ein Ort, der ihr allein gehört. Dort taucht auch der titelgebende Edelstein auf. Die unsichtbaren gesellschaftlichen Ketten der Tradition beeinträchtigen Sonias Leben so stark, daß sie sogar einen Asthma-Anfall verursachen. Doch es gibt auch hoffnungsvolle Aspekte: Als sie wegen ihrer Symptome zu einem alten Rabbi geschickt wird, löst sie bei ihm Ungewöhnliches aus: er sagt seiner Frau, daß er sie liebt – zum ersten mal seit zwanzig (!) Jahren. Als er am nächsten Tag stirbt (!!), bedankt sich seine Frau bei der konstanierten Sonia für die vergangene Nacht. Das ist Woody Allen pur – und sicher nicht die einzige Ähnlichkeit zu dessen Filmen.
In besonderem Maße unangenehm sind hingegen die sexuellen Aspekte, durch die sich Sonias Persönlichkeit in die richtige, couragierte Richtung entwickelt, denn sie haben einen mehr als starken Abgewöhnungseffekt. Daß ihr Mann zum Vorspiel ein Gebet spricht und sie dann dabei vollkommen bedeckt bleibt, wirkt lustig, bei einem Zehn-Sekunden-Quickie mit ihrem Schwager bleibt der Humor dann wirklich auf der Strecke.
Die jüdische Gesellschaft stellt sich als einer in traditionellem Glauben verbohrter, äußerst rigider Verein dar, bei dem unter der Oberfläche einiges schiefläuft. Sie wird wie eine alles kontrollierende Sekte hingestellt. Von dieser oberflächlichkeit Schwarz-Weiß-Zeichnung mal abgesehen, hat Yakin nicht den Mut, Sonia ihre Religion verwerfen zu lassen. Sie kämpft, wie schon viele Frauen vor ihr, um die Gewährung ihrer Rechte. Dabei spielt Renee Zellweger, die bereits in Love & a 45 und Liar mitwirkte, ihren Part als Sonia, die sehnsüchtig ein anders Leben führen will (»I´m Tired To Be Afraid«), mit Bitterkeit und Zerbrechlichkeit. Ihre Gefühle werden – ohne die Möglichkeit zur Entfaltung – immer gereizter. Die anderen einzelnen Charaktere sind ebenso ausgeprägt gezeichnet: Jeder zeigt seine Beweggründe nachvollziehbar auf und entkommt so dem drohenden Klischee. Besonders
Christopher Eccleston als ihr Mann Sender wirkt trotz seiner unsympatischen Rolle wohlwollend und hilflos.
Nicht ganz rational erklärbar ist hingegen, daß Sonia mehrmals einer alten Bettlerin begegnet, wobei unklar bleibt, ob sie – wie ihr verstorbener Bruder – nur in ihrer Vorstellung existiert, oder wirklich lebt. Diese mystischen Ansätze führt die Regie leider nicht weiter aus und so wirken sie letztendlich unsicher und zu zaghaft. Doch obwohl ein solches Thema
durchschnittlich alle zwei Jahre verfimt wird, besitzt A Price Above Rubies einige starke Szenen und bleibt trotz einem zu langen Endes ein interessantes und bewegendes Erlebnis.