GB/D/E/NL 2002 · 92 min. Regie: Kaige Chen, Víctor Erice, Werner Herzog, Jim Jarmusch u.a. Drehbuch: Víctor Erice, Werner Herzog, Jim Jarmusch u.a. Kamera: Timo Salminen, Vicente Rios, Frederick Elmes, Phedon Papamichael, Chris Norr u.a. Darsteller: Markku Peltola, Kati Outinen, Marko Haavisto, Ana Sofia Liaño u.a. |
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Chloe Sevigny |
Zeit ist relativ, behaupten wir seit Einstein zu wissen. Sie ist dies, das beweist dieser Film, zumindest im Verhältnis zum Zuschauer, in der Betrachtungsweise der Regisseure. Auch Ten Minutes Older ist, ähnlich wie kürzlich 11'09''01 ein Episodenfilm namhafter, vor allem europäischer Regisseure. Doch wie anders, wie unschuldig die Perspektive dieses, bereits vor drei Jahren konzipierten Werks: Eine philosophische Reflexion über das Wesen der Zeit, verspielt zumeist, experimentell gelegentlich, brisant nur in einem, vielleicht zwei Fällen der sieben Beiträge.
Eine junge Frau, der Kleidung nach muss sie aus den frühen 20er Jahren stammen. Doch schnell begreifen wir, dass sie eigentlich eine Schauspielerin ist, in einer kurze Drehpause auf einem Filmset. Sie will Ruhe, aber sie findet sie nicht, weil immer wieder etwas dazwischen kommt, weil Ruhe vielleicht in der modernen Welt das kostbarste Gut ist – zehn Minuten, das zeigt Jim Jarmusch mit der wunderbaren Chloe Sevigny, können arg lang werden. Zehn Minuten können aber auch viel zu
schnell vorbei gehen. Spike Lee zeigt in seinem Film die Minuten, in denen Al Gore vor zwei Jahren glaubte, definitiv US-Präsident geworden zu sein. Und schildert nebenbei, wie dieser Wahlsieg »gebushwhacked« wurde, ein herrliches Wortspiel, aber unübersetzbar, weil das Wort nicht nur aus dem 19. Jahrhundert stammt (»Bushwhacker« hießen die Partisanen der Südstaatler im US-Bürgerkrieg), sondern auch mit dem Namen dessen spielt, der hier – folgt man Lees These –
Gore um die Präsidentschaft betrogen hat.
Spannend gerät auch Wim Wenders' Beitrag. Seine Reflexion über Leben und Tod ist in aller Kürze der beste Film des Deutschen seit fast zehn Jahren: Ein Autofahrer hat eine Panne, ihm ist schlecht, vielleicht weil er das Falsche gegessen hat, und er sinniert in psychedelischen Bildern zwischen Leben und Tod über den Sinn des Ganzen...
Jede der Episoden, so wollte es das Konzept, muss genau zehn Minuten füllen. Auf die Idee kam der Produzent Nicolas McClintock, der mit dem Projekt auch den Autorenfilm, seinen Geist der Zusammenarbeit beleben wollte. Das Ergebnis zeigt, in allen Ehren, doch auch, dass diese Zeiten vorbei sind, dass sich wohl – siehe Lee und Jarmusch – das Konzept retten lässt, die alten Formen und der Stil der Zusammenarbeit, schlicht gesagt: das Gefühl der Regisseure, Teil einer
internationalen Gemeinschaft zu sein, nicht so einfach zu restaurieren sind.
Das belegt nicht nur die Disparatheit der Arbeiten. Aki Kaurismäkis Film wirkt wie ein Abfallprodukt, so abgriffen skurril, so routiniert kauzig, dass es noch nicht einmal als Selbstzitat funktioniert. Und Chen Kaige, Werner Herzog und Victor Erice bieten auf ihre je eigene Weise eine kurze Stildemonstration, die filmhistorisch interessant, aber auch für ihr eigenes Werk aber belanglos
ist.