USA 2004 · 129 min. · FSK: ab 0 Regie: Steven Spielberg Drehbuch: Andrew Niccol, Sacha Gervasi, Jeff Nathanson Kamera: Janusz Kaminski Darsteller: Tom Hanks, Catherine Zeta-Jones, Stanley Tucci, Chi McBride u.a. |
![]() |
|
Tom Hanks |
»America is closed« heißt das Mantra dieses Films – Amerika hat seine Pforten geschlossen. Seit 11/9/01 spielt es Festung. Pech für Viktor Navorski (Tom Hanks – in Cast Away der in der Fremde verschollene Amerikaner, nun der in Amerika gestrandete Fremde): Er landet am New Yorker Flughafen – und muss feststellen, dass ihm während des Flugs seine Heimatnation durch einen Putsch abhanden gekommen ist. Seine Einreisepapiere gelten nichts mehr, Viktor kann weder vor noch zurück. Notgedrungen richtet er sich im Flughafen-Terminal häuslich ein. Unermüdlich das Ziel vor Augen: Seinem Widersacher vom Heimatschutzministerium (wie üblich große Klasse: Stanley Tucci) die Öffnung der Türen ins gelobte Land abzutrotzen.
Doch hier liegt die zentrale Finte des Films. In Wirklichkeit ist Viktor längst mitten in Amerika angekommen. Das Terminal ist das perfekte Abbild des Lebens in der spätkapitalistischen, westlichen Welt: Ein Wartesaal zum versprochenen, nie greifbaren Glück (mit deutlichen Untertönen des christlichen Limbus, jenem Zwischenreich für ungetaufte Seelen); ein Ort ohne lokale Verankerung, gepflastert mit den in aller Welt gleichen Franchise-Läden; das ganze Dasein eine Zwischenstation, voll totalmobilisierter Menschen, die nur hin und wieder der Zufall zu Wegstückgefährten macht.
Fixpunkte in dieser Welt sind nur die Ordnungskräfte und Hilfsarbeiter. Das Terminal hat seine eigene Ökonomie, und bald macht Viktor clever auf Ich-AG, findet immer bessere Verdienstmöglichkeiten, lebt den amerikanischen Traum vom Aufstieg.
Diese erste Stunde des Films, die den realen wie metaphorischen Raum etabliert, seine Architektur und Soziologie vorstellt, gehört zum Brillantesten, was dieses Jahr im Kino zu sehen ist: Regisseur Steven Spielberg ist, gerade wenn er sich so entspannt und heiter gibt wie hier, wenn er nicht vom eifernden Glauben bessesen ist, einen »wichtigen« Film zu machen, immer noch einer der großen Erzähler des US-Kinos.
Leider muss St. Spielberg dann aber auch wieder den großen Versöhner geben: Die Liebe schlägt zu, in Gestalt der Stewardess Amelia (Catherine Zeta-Jones), die Farbtemperatur der Bilder steigt beständig, und am Ende öffnen sich selbstverständlich doch noch die Tore ins Paradies, in ein güldenes Stückchen Traum-Amerika aus längst verlorener Zeit. (Und danach verabschiedet sich der Fremde wieder brav aus Amerika, damit auch ja keiner Kontaminationsängste bekommen braucht.) Das ist schade, nicht weil es kitschig ist (an anderer Stelle, wo das Terminal zur Liebesgrotte wird, treibt der Film wunderbar Kitsch an die Schwelle zum Sublimen) – sondern weil es nicht zusammenstimmt mit dem Vorangegangenen, weil es eine falsche und langweilige Ausflucht ist.
Das wahre Leben ist sowieso weniger gnädig: Inspiriert wurde der Film von Mehran Karimi Nasseri, genannt »Sir Alfred« Mehran. Seit 16 Jahren lebt der im Pariser Flughafen, gefangen in einem bürokratischen Schachmatt. Er hat zusammen mit Andrew Donkin ein Buch über seinen Fall veröffentlicht, welches spüren lässt, dass man so eine Geschichte nicht ohne tiefere seelische Schrammen übersteht. Auch »Sir Alfred« hat kapiert, dass die Welt draußen nichts fundamental anderes zu bieten hat als sein Zwischenreich. Was er am meisten vermisse, wird er in dem Buch mal gefragt. Das Kaufhaus Marks & Spencer, behauptet er. Sein Terminal hätte keine gute Auswahl an Läden.
Stilistisch wie ein Kammerspiel wirkt diese Geschichte eines Mannes osteuropäischer Herkunft, der durch eine Laune des Schicksals auf dem New Yorker-Airport eingeschlossen wird – rein darf er nicht, weg will er nicht. So bleibt er einfach wo er ist, wie im tatsächlichen Leben der Iraner Merhan Nasseri, der wirklich seit 16 Jahren auf dem Pariser Flughafen lebt.
Schnell wird Viktor, so die von Tom Hanks gespielte fiktive Hauptfigur zum guten Mensch des Flughafens. Er ernährt sich von Flugzeugessen, hilft allen und jedem, repariert mit dem Geschick, das schon wieder ein Osteuropaklischee ist, findig Wasserhähne, und bleibt bei alldem so brav, wie sich dies jede Einwanderungsbehörde der Welt nur wünschen kann: Kriminellen Versuchungen widersteht er genauso standhaft, wie der Chance, illegal ins Land seiner Träume zu kommen – ein Stoiker der Ohnmacht. Mit dieser Haltung erlebt Viktor dann wie zur Belohnung bald doch noch seinen höchstpersönlichen amerikanischen Traum, indem er, wenn auch am Rande des Gesetzes, mit Fleiß, Mut und guter Laune sein kleinkapitalistisches Glück macht – und beinahe noch Stewardess Catherine Zeta-Jones abbekommt, sozusagen als Sahnehäubchen.
Mit Terminal erweist sich Spielberg wieder einmal als der große Liberale des Mainstreamkinos. Deutlich in der Tradition eines Frank-Capra-Klassikers hat er ein modernes Märchen gedreht, ein sympathisches Rührstück, das das (US-)Publikum daran erinnert, dass Fremde meistens keine Terroristen sind, sondern Menschen wie Du und ich, weswegen man dem Film seine oft schlichten Mittel gern verzeiht. Freilich ist der Fremde hier einer, der – passenderweise aus Sicht aller Einwanderungsgegner – am Ende wieder geht, und insofern die (doch nicht so) offene Gesellschaft vor keine ernsthaften Probleme stellt. Dies relativiert dann wieder Spielbergs intelligente Grundidee: Dass ausgerechnet der Einwanderer aus Old Europe die kalte amerikanische Bürokratie an die Werte der US-Gründerväter, an Humanität und Anstand erinnert und den vermeintlich uramerikanischen Glauben an das Gute in jedem Menschen verkörpert.
Ein künstlerischer Glanzpunkt ist dieser Spielbergsche Heimatfilm jedenfalls gewiß nicht, eher ein Nebenwerk des Regisseurs. Einfach zu simpel und kitschig sind die Mittel, zu sehr in jedem Augenblick Hollywood-Mainstream und ein bisschen ideologisch ist die Behauptung, dass ein Einzelner letztendlich doch gegen jeden noch so großen unmenschlichen Apparat Erfolg haben kann. Seit Capras Zeiten sind eben über 60 Jahre vergangen – zuviel, um ganz ungebrochen an ihn anknüpfen zu können. So wirkt der mit viel Product Placement – von Burger King bis Starbucks – garnierte Terminal selbst wie ein aufdringlicher Werbefilm – für den american way of life, für ein Gelobtes Land in dem aller Ungerechtigkeit zum Trotz am Ende doch das Gute siegt. Da hat man auch aus Hollywood schon klügere und subtilere Verteidigungen des american dream gesehen.
Brüchig ist nur eines in Terminal: Die Verkörperung der Bürokratie in dem Homeland-Security-Beamten Frank Dixon. Stanley Tucci spielt den staubtrockenen Ehrgeizling grandios. Nerven kann den Zuschauer hingegen Tom Hanks, der sich inzwischen nur noch selbst zitiert, und einmal mehr Neuauflagen seiner Rollen in Forrest Gump und Cast Away bietet, diesmal garniert mit allen denkbaren Manierismen eines undefinierbar osteuropäischen Hollywood-Dialekts. Am Schluß dieses E.T. für Erwachsene stammelt er dann auch wie einst der Außerirdische: »I want to go home.«