USA/GB 2017 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Martin McDonagh Drehbuch: Martin McDonagh Kamera: Ben Davis Darsteller: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell u.a. |
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Komplex, berührend & erleichternd |
»This is putting end to shit, you fucking retard, this is just the fucking start! Why don’t you put that on your good-morning-Missouri fucking wake-up-broadcast, bitch?«
Mildred, in Three Billboards
Eine Frau in einer Welt aus Rassisten und Machos, in den Südstaaten der USA. Sie heißt Mildred. Im Vorjahr ist ihre Tochter brutal vergewaltigt und ermordet worden. Die Polizei tappt im Dunkeln, aber das liegt vielleicht auch nur daran, dass sie zu wenig tut und den Fall längst zu den Akten gelegt hat. Zumindest nach Mildreds Ansicht.
»My Daughter Angela was murdered seven months ago. It seems to me, the police department is too busy with torturing black folks, than solve actual crime.« Also wählt die Mutter die brutale Methode: Sie mietet drei riesige Werbetafeln am Ortseingang, wo auch der Ort des Verbrechens liegt und lässt sie mit provokanten Slogans plakatieren, um den örtlichen Sheriff aus der Reserve zu locken. Das gelingt, aber doch nicht so, wie sie denkt. Der Sheriff zeigt Verständnis und seine menschliche Seite.
Diese Geschichte wird ganz und gar mit den Augen von Mildred erzählt. Sie ist eine Hauptfigur, die keineswegs durchgängig sympathische Seiten hat: Sie ist mitunter ungerechnet, sehr harsch zu Menschen, die ihr wohl wollen und sie flucht wie ein Rohrspatz: Eine Frau die Opfer ist, sich aber nicht auf diesen Opferstatus festlegen lassen will. Das gilt auch für den populären Sherrif Willoughby, der durchaus Sympathien für ihr Anliegen hat, allerdings auch gerade mit seiner eigenen
Krebserkrankung kämpft.
Über seine Mitarbeiter macht sich der Polizeichef überhaupt keine Illusionen: Als Mildred ihm sagt, die Typen sollten mal besser den Mörder ihrer Tochter ermitteln, »statt Schwarze zu foltern«, antwortet er kühl: »Wenn ich alle Rassisten rausschmeißen würde, hätte ich nur noch drei Cops übrig, und die sind Schwulenhasser.«
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (also wörtlich etwa: drei Werbetafeln vor Ebbing, Missouri) ist ein sperriger Titel für einen ganz und gar nicht sperrigen Film. Dieser wütende Neo-Western ist, trotzdem es um eine Mörderjagd geht und ein grausamer Mord den Hintergrund von allem bildet, eine feine Mischung aus sozialer Kritik und bewegendem Drama, in erster Linie jedoch eine grandiose Komödie. Es ist ein pechschwarzer Humor, der hier dominiert, ein sarkastischer Witz, der aus ohnmächtiger Wut kommt. Mal fein gesponnen, mal grob und derb entfaltet sich eine vielschichtige Kleinstadtdynamik, in der auch die Nebenfiguren – etwa Mildreds Ex-Mann und dessen 19-jährige Freundin, eine Radioreporterin, Mildreds Arbeitskollegin – prägnant und wichtig gezeichnet sind, nie zum Klischee werden.
Vielleicht gelingt das alles so gut, weil der Regisseur kein Amerikaner ist, sondern Ire: Der Dramatiker Martin McDonagh (der als Filmregisseur bereits mit den schwarzen Komödien Brügge sehen... und sterben? (2008) und 7 Psychos (2012) Erfolge feierte) inszeniert diese sehr amerikanische Geschichte.
McDonaghs Blick auf das ländliche Amerika und dessen zivilisatorischen Bruchstellen ist manchmal fast etwas zu wohlwollend und vielleicht nicht immer gnadenlos genug. So, wenn eine der unangenehmsten Figuren am Ende eine doch sehr weit hergeholte Wendung zum Guten vollzieht.
Aber seine Dialoge sind präzise und lakonisch. Sie verbinden großen Schmerz und trockenen Humor, beißende Kritik an politischen Korrektheiten mit einem scharfen Blick auf gesellschaftliche Abgründe.
Und die Schauspieler sind schlechthin großartig: Francis McDormand und Woody Harrelson, beide voller Coolness und Empathie, aber auch Sam Rockwell verblüffen. Zusammen mit Abbie Cornish (als Frau des Sherrifs), Caleb Landry Jones (als Angestellter einer Werbeagentur) und Peter Dinklage (»Game of Thrones«), als Mildreds märchenhafter Verbündeter bilden sie ein tolles Panorama an Schauspieltypen. Das unterstützt Carter Burwells wunderbare, Morricone-inspirierte Musik. Die Filmsprache ist unambitioniert, also ohne alles Bemühen um Stil und expressive Bilder. Aber sie ist fehlerfrei und genau: Abbildungskino, das die starken Dialoge und eine zwingende Story in Bilder umsetzt. Zudem ist dieser Film vollkommen frei von allem Pathos, das einem Hollywood oft verleiden kann.
Natürlich geht es auch um Trump’s Amerika. Um White Trash, um eine Welt aus Deppen und Machos. Um Hass, Gewalt, Rassismus in Amerika und die Dummheit der Mainstream-Medien. All die komplexen Themen dieses Amerika werden hier zu einem berührenden und erleichternden Ensemble-Drama mit starken Darstellern verdichtet. Die Wut dieses alles in allem hervorragenden Films und das klammheimliche Vergnügen an der Selbstjustiz ist einfach befreiend.