Thor

USA 2011 · 115 min. · FSK: ab 12
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: , ,
Kamera: Haris Zambarloukos
Darsteller: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Anthony Hopkins, Idris Elba, Ray Stevenson u.a.
Ganz schön öde: Thor auf Camp Erde

Kampfstern Galactica mit Hörnern am Helm

Götter­häm­me­rung bei Marvel

Ein Held, blond wie Siegfried, unschuldig wie Achill, muskel­be­packt wie Hector. Eine Frau, klug wie Athene, schön wie Helena und tapfer wie Padmé. Dazu ein alternder Götter­vater, ein Bruder­zwist, böse Fros­triesen, eine ziemlich kompli­zierte Welt – genau: an was, wenn nicht an das Late-Seventies Trash-Spektakel Kampf­stern Galactica muss man hier denken. Und außer, dass die Fros­triesen etwas mensch­li­cher wirken als die Zylonen, fehlen eigent­lich nur ein Hammer und ein paar Wikin­ger­helme – und fertig ist Thor, das neueste Comic-Super­helden-Verfil­mungs-Spektakel, das jetzt ins Kino kommt.

Es war einmal ein alter weiser Vater, der hatte zwei Söhne... Nein, man muss diesem Schmarrn alles Pathos austreiben, schließ­lich ist diese Story dünn wie Elfenhaar: Im Götter­himmel Asgard ist die Hölle los. Weniger, weil sich nach Jahren des kalten Friedens die bösen Fros­triesen von Jotunheim erheben, und – vergeb­lich – versuchen, Odin zu bestehlen, als weil Heißsporn Thor (perfekt-muskulös als tumber blonder Hüne: Chris Hemsworth) nicht kühl kalku­liert, sondern mit den Fros­triesen den Kampf sucht. Nicht nur, dass er nicht auf seinen Bruder Loki hört – »We should not be here« –, sondern schlimmer dass er sich einfach saudumm benimmt, und seinem Vater Odin Frech­heiten an den Kopf wirft, die dieser sich nicht gefallen lassen will: »You are an old man, and a fool.« Also beraubt ihn Odin seiner Super­kräfte, wirft den Super-Thor-Hammer weg, und schickt den Buben zur Umer­zie­hung aufs Camp-Erde, um dort Selbst­kritik zu üben und von den Erdlingen zu lernen. Ob es dafür richtig war, ihn ausge­rechnet in den US-ameri­ka­ni­schen South-West, ins Border-Country von New Mexico unserer Tage zu senden, sei dahin­ge­stellt. Aber immerhin begegnet er auf diese Weise einer von Natalie Portman gespielten Wetter- und Außer­ir­di­schen­for­scherin, die ihm ein wenig unter die Arme greifen kann. Erst am Ende kann der junge, arrogante Held, wenn er demütig geworden ist, und sich das Recht, aus dem Exil nach Hause zurück­zu­kehren, erst verdienen musste, auch tatsäch­lich auf den Thron.

Nachdem’s im ersten Akt ordent­lich geschep­pert hat, beginnt nun ein viel zu langes, lang­wei­liges Zwischen­ge­la­bere und -getue, das eh keinen inter­es­sieren wird, der frei­willig in den Film geht. Dann, im letzten Viertel schep­perts wieder schön, mit vorher­seh­barem Ausgang.
Die größte Über­ra­schung bei der Verfil­mung des Marvel-Super­hel­den­co­mics »Thor«, der 1962 erstmals erschienen ist, ist der Regisseur: Von Kenneth Branagh (Henry V, Hamlet, Fran­ken­stein), bekannt als Schau­spieler (Harry Potter und die Kammer des Schre­ckens, Kommissar Wallander), und Regisseur eher unele­ganter, unin­spi­rierter Shake­speare-Verfil­mungen – nein: »Fran­ken­stein« ist nicht von Shake­speare! –, hätte man nicht gerade einen Film fürs Massen­pu­blikum erwartet, und erst recht nichts über den eher gedan­ken­armen nordi­schen Hammer­gott. Tatsäch­lich erinnert Thor wenn hier Fami­li­en­pro­bleme am Götter­himmel ausge­tragen werden, ebenso in einzelnen Figuren an den größten Drama­tiker der Moderne: Vor allem Odin, gespielt von Anthony Hopkins wirkt wie ein Kind Lear der Sagenwelt. Dazu Branagh: »Die zentrale Geschichte handelt von einem Prinzen und davon, ob er einen guten König abgeben wird oder nicht. Das weckt Erin­ne­rungen an Henry V. Die Frage nach der Thron­folge stellt sich auch in Hamlet. Außerdem bedient sich Shake­speare alter Mythen anderer Völker. Shake­speare hat die Griechen und die Römer benutzt.«

Was man hier aller­dings völlig vermissen wird, ist Shake­speares Street-Credi­bi­lity, seine Volksnähe und sein Humor. Dies ist ein Film, der sich in Figuren und Dialogen schreck­lich ernst nimmt, der ungemein pathe­tisch ist, und dem genau darum jede echte Tragik völlig fehlt.

Branagh muss natur­gemäß erstmal anderer Ansicht sein:
»Manche Leute meinten am Anfang: 'Ist da nicht zuviel Augen­wi­scherei und Fantas­terei in der Marvel-Welt? Das ist nicht gut'. Ich sagte: Hört mal, in Hamlet dreht sich alles um den Besuch eines Geistes. Macbeth hängt am über­sinn­li­chen Wirken von drei Hexen, die Marvel wieder für seine Thor-Geschichten klaut und eigent­lich aus der nordi­schen Sagenwelt stammen. Elfen fliegen um die Welt im 'Mitsom­mer­nachts­traum'. Hier habe ich endlich eine Leinwand, auf der ich ein bisschen davon zeigen kann.«

Konter­ka­riert wird das öde Götter­spießertum vor allem durch das Set Design: Voller Pomp und Stil­brüche, voller Über­trei­bungen und Geschmacks­ver­wir­rungen wirkt das Ganze eher wie ein islän­di­sches Bordell, als wie ein Super­hel­den­film, der sich ernst nimmt: Es gibt hier kris­tal­li­sche Regen­bo­gen­brücke, es gibt Rüstungen wie bei Roller­ball, es gibt retro­fu­tu­ris­ti­sche Bauwerke, und ein bisschen Flash Gordon-Atmo­s­phären.

Ansonsten ist auch dieser durch Vater­pro­bleme und Bruder­zwist ein wenig psycho­pa­tho­lo­gisch beschwert, aber doch vergleichs­weise ein Leicht­ge­wicht. Das einzig Schwere an Thor ist der Hammer. Er heißt Mjolnir, und kommt wie ein Bummerang immer wieder zum Werfer zurück. Aber nur Thor selbst kann ihn aufheben. Irgend­wann schafft er das, derweil Loki sich zum Tullius Destruk­tivus der Comic-Serie entwi­ckelt.

Es geht um nicht weniger, als um eine Neue Mytho­logie: Was einst die Götter waren, sind heute, ins post­m­e­ta­phy­si­sche, konsum­ge­sell­schaft­liche umge­bro­chen, die Super­helden. Und der neue Götter­himmel heißt Marvel Comics. In diesem Universum wurden die neuen Götter zu Dutzenden geboren. Und hier setzte die Invest­ment­bank Merrill Lynch ihr Casino-Geld (500 Millionen Dollar) mal eben »alles auf Zehn«: Auf zehn Super­helden, zehn Filme. Was man wollte war Geld und Götter, und so hämmerte Marvel Projekte aus seinen Erfin­dungen immer neue Filme. Ein ebenso faszi­nie­rendes, wie provo­zie­rendes Projekt; eine Erkundung in Ethik und Ästhetik. Und ein großes Wieder­ver­zau­be­rungs-Programm. Die aufklä­re­ri­sche Über­zeu­gung von einer notwen­digen, aber eben möglichen Huma­ni­sie­rung der mensch­li­chen Lebens­ver­hält­nisse ist verschwunden. Branaghs Weltsicht, wenn man sie denn ernst nehmen will, ist die einer »Zwei­ein­heit«: Alles bedeutet zugleich sein Gegenteil.

Fazit: Ein Film, der besser ist, als erwartet, aber was erwartet man schon? Der also ganz schön öde ist, der mitunter schnell und oft bombas­tisch daher­kommt, aber weder filmisch, noch als kultu­reller Text irgend­etwas zu bieten hat. Einfach nur ein Symptom für Filmö­ko­nomie. Und die 3-D-Tech­no­logie gibt allem mal wieder den Rest. Also wenigs­tens nach Möglich­keit auf 2-D gucken!