USA 2004 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Wes Anderson Drehbuch: Wes Anderson, Noah Baumbach Kamera: Robert D. Yeoman Darsteller: Bill Murray, Owen Wilson, Cate Blanchett, Anjelica Huston, Willem Dafoe u.a. |
||
Familienausflug unter Wasser |
Ich verstehe, wie Wes Anderson fühlt. Ich hatte als Kind ein Modell der »Calypso« im Regal stehen, selbst zusammengebastelt als Revell-Bausatz. Ich glaube, das gibt es sogar noch, irgendwo verräumt und verstaubt im Keller, im Speicher.
Jacques-Yves Cousteau war einer der großen Helden jeder ‘70er-Jahre-Kindheit: Meeresforscher, Abenteurer, Dokumentarfilmer, jede Woche im Fernsehen zu bestaunen – er und sein berühmtes Schiff Ikonen, Symbole für eine Welt, die noch
voll unentdeckter Wunder war, die man sich noch erobern konnte.
The Life Aquatic With Steve Zissou ist nicht einfach eine Hommage an Cousteau, es ist erst recht keine Parodie. Es ist der komplexe Versuch, diese Welt der Kindheit mit ihren Gefühlen noch einmal auferstehen zu lassen, im vollen Wissen dessen, welche Enttäuschungen das Leben seither mit sich brachte und wie sich seine wahren Wunder und Abenteuer an ganz anderen Stellen fanden als damals geträumt.
Nicht zufällig liest die hochschwangere Journalistin Jane
Winslett-Richardson (Cate Blanchett) – an Bord der »Belafonte«, um ein Porträt des Kapitäns Steve Zissou (Bill Murray) zu verfassen – ihrem ungeborenen Kind Proust vor: The Life Aquatic ist eine Tauchfahrt zur verlorenen Zeit.
Die Welt von The Life Aquatic lässt sich nicht richtig verankern zwischen damals und heute, zwischen Realität und Fantasie. Ihr Dekor ist voller Ortungspunkte der ‘70er Jahre, aber kennt dann auch wieder moderne Gerätschaften (und Espressomaschinen). Sie ist bevölkert von Menschen, die bei aller exzentrischer Zeichnung ein sehr real greifbares Seelenleben an den Tag legen – und von einer buntstiftfarbenen Fantasie-Unterwasserfauna, die Henry
Selick (Nightmare Before Christmas) mit seinen wunderschönen Animationen zum Leben erweckt.
Es ist eine Welt der nahtlosen Koexistenz von Erinnerung und Gegenwart, Abbildung und Imagination. In der sich, »Ch-ch-ch-changes«, manches auf wundersame Weise verwandelt findet, wie die David Bowie-Songs, die auf Portugiesisch zur Akustikgitarre die Reise begleiten.
Als Cousteau-Reinkarnation Steve Zissou ist Bill Murray einmal mehr die ultimative Verkörperung unerfüllter Sehnsüchte. Er ist einer, der das Leben mit leicht amüsiertem, leicht pikiertem Abstand betrachtet, nachdem es ihn einmal zu oft enttäuscht hat. Keiner weiß besser als Wes Anderson, wie perfekt Murray so eine Rolle steht – schließlich hat er in Rushmore diese Facette des ehemaligen »Ghostbusters« als erster konsequent entdeckt und gefördert. Und Anderson ist klug genug, das jetzt nicht mehr zu forcieren. Murray ist ein mehr depressiver als manischer Ahab, sein »weißer Wal« ist ein Jaguarhai, der Zissous langjährigen Freund und Kollegen verspeist hat.
Zissou nimmt das wahrscheinlich persönlicher, als wenn der Fisch ihm selbst ein Bein abgebissen hätte. Denn wie Rushmore und noch mehr The Royal Tenenbaums ist The Life Aquatic ein Film über Familie – und darüber, dass Familie weniger ein biologisches Phänomen als ein soziales Konstrukt ist, eine ziemlich schwierige und schmerzhafte Angelegenheit, die man sich selbst zusammenbasteln und zum Funktionieren kriegen muss. Und die einem doch irgendwie wichtiger werden kann als man selbst.
Zissous »Familie« ist seine Crew – ein Häuflein exzentrischer Gestalten aller Nationalitäten und Hautfarben, inklusive eines barbusigen Skript-Girls und einer Horde Praktikanten –, ist sein Porduzent Oseary Drakoulias (Michael Gambon) seine Noch-Ehefrau Eleanor (Anjelica Huston), sind irgendwie selbst sein Erzfeind Alistair Hennessey (Jeff Goldblum) und der von der Versicherung für die Produktion angestellte Wachwastl (Bud Cort, der Harold aus Harold and Maude, an dem man sehen kann, dass die ‘70er schon lange vorbei sind).
Und dann ist da Ned (Owen Wilson), Pilot bei Air Kentucky (sic!) – ein Pilot, wie er Catch Me If You Can nicht schöner hätte entspringen können, aus jener Zeit, als Flugkapitäne noch aufrechte Männer mit sauberem Helden-Profil
waren. Ned ist womöglich Steves Sohn, und wenn er es biologisch nicht sein sollte, so wird er es doch sehr schnell von seiner Rolle her.
Wie The Royal Tenenbaums und noch mehr Rushmore ist The Life Aquatic ein Film über Vaterfiguren und Mentoren: Zissou selbst schwärmt noch immer von seinem Vorbild Lord Mandrake; sein Chefingenieur Klaus ist ihm geradezu unheimlich ergeben – und schielt womöglich insgeheim auf seine Nachfolge; der Vater von Janes Kind hingegen ist abwesend.
Wie diese Figuren ihre Beziehungen untereinander verhandeln, das gibt dem Film sein Herz. Vor allem die zentrale Beziehung zwischen Ned und Steve ist voller wunderbarer Facetten: Zissous Schwanken zwischen Stolz und Abweisung, seine rührend hilflose Versuche, der plötzlich aufgenötigten Vorbildrolle gerecht zu werden, gemischt mit seinen diktatorischen Zügen – und Neds fraglose, aber nicht gänzlich naive Bewunderung, seine Bereitschaft, in Steve einen Vater zu sehen, egal, was alles dagegen spricht. Familie, das ist bei Wes Anderson der nie endenwollende Versuch, eine Balance, einen Umgang miteinander zu finden. Was schon mit der Sprache anfängt: Über den ganzen Film hinweg sind Steve und Ned damit beschäftigt, zu verhandeln, mit welchen Namen, Kosenamen sie sich ansprechen sollen.
The Life Aquatic ist ein Film, der von der unendlichen Genauigkeit seiner Feinheiten, seiner Zwischentöne lebt; bei dem der Tonfall meist wichtiger ist als das Gesagte selbst. Dass die deutsche Synchro aus Klaus Daimler, von Willem Dafoe mit einem köstlichen deutschen Akzent gespielt, einen Schwaben macht, ist nur ihre offensichtlichste Todsünde. Mit dem Dialekt kommt eine viel zu grobe, plumpe Komiknote in den Film, und aus dem übereifrigen, stets latent angespannten und leicht weinerlichen Daimler wird plötzlich ein gemütlicher, etwas langsamer Kerl. Aber nicht minder grob werden fast alle übrigen Charaktere durch die Stimmen verfälscht, ebnet das Hochdeutsch die vielfältigen Idiome ein – Winslett-Richardsons etwas hochnäsiges, vorlautes Britisch; Neds proppere Kentucky-Art. Auf Deutsch ist The Life Aquatic ein komplett anderer Film – und ein um etliches schwächerer.
So sehr die Figurenzeichnung von unzähligen Kleinigkeiten lebt, so sehr ist auch Wes Andersons Humor eine Angelegenheit von Understatement und Präzision. Dass kann man sofort zu Beginn des Films wunderbar erleben: Die Szenen beim Filmfestival von Loquasto sind nicht komisch, weil etwas an sich komisches vor sich gehen würde. Sie sind komisch, weil sie – nicht ganz unähnlich der Komik eines Jaques Tati – das Alltägliche mit einer minimal übertriebenen Genauigkeit
wiedergeben: Der gelangweilte Hausmeister, der das Mikro rausträgt, das Wasser reinbringt; die gestaffelten Lacher des Publikums – erst die, die Englisch können, dann die, die auf die Übersetzung warten müssen.Die Komik liegt bei Wes Anderson in der leichten Distanzierheit des Blicks – und zu der gehört entscheidend, dass derzeit wohl kein Regisseur (und erst recht kein amerikanischer) einen so bewussten und kreativen Umgang mit dem Breitwand-Format pflegt. Gleich mit
der ersten Einstellung etabliert Anderson nicht umsonst den Leinwandraum zugleich als Bild-/Gemälde- und als Bühnenraum. Er ist ein Meister darin, Gruppen von Figuren so im Kader zu arrangieren, dass dies zugleich ein Abbild der Beziehungen zwischen ihnen ergibt und – durch die spürbare Künstlichkeit von Distanz und Symmetrie – eine unterschwellige Komik erhält. Er liebt es, den Bildhintergrund mit gezielten Ablenkungen zu füllen; er schiebt gerne das Geschehen, dem
eigentlich die Aufmersamkeit gilt, an den Bildrand und verlagert damit zugleich das emotionale Zentrum einer Szene. Wenn in Andersons Werken Ironie vorherrscht (und sie tut das erheblich weniger, als ihm gern vorgeworfen wird), dann liegt sie am ehesten in diesem Blick. Und dann ist sie untrennbar mit Andersons Grund-Melancholie verknüpft.
Dabei nutzt Anderson Breitwand nicht nur für seine charakteristischen Tableaus – wenn er will, kann er unauffällig elegant durch
Raumaufteilung erreichen, wofür andere Schnitte brauchen (und ist damit, zumindest in diesem Aspekt, ein Enkel von Orson Welles): Man betrachte nur die Ankunft von Steve und Ned auf Zissous Insel, die erste Begegnung mit Eleanor. In einer einzigen Einstellung ersetzen ein paar wohlchoreographierte Positionswechsel von Kamera und Darstellern mindestens vier Setups.
Es ist erstaunlich, dass ein Film, der so sehr von Mentoren und geistigen Erbfolgen handelt, zwar unzählige Einflüsse freimütig präsentiert, aber kein direktes Vorbild kennt. The Life Aquatic ist ein besonders schönes Exemplar einer extrem seltenen Spezies: Er ist ein wirklich origineller Film. Er läßt sich nicht mit wenigen Sätzen und ein paar Verweisen auf Vertrautes beschreiben.Das Wagnis, so komplett die üblichen Fahrwasser zu verlassen, die erprobten Baupläne zu missachten, bringt es mit sich, dass nicht alles immer reibungslos funktioniert. In einer längeren, actionreichen Sequenz mit einem Piratenüberfall kommt der Film für meinen Geschmack mal eine Weile aus dem Tritt. Aber das finde ich so vernachlässigbar wie eine vereinzelte schwächere Arie bei einer begnadeten Opernsängerin in einer genialen Interpretation einer Partie – zumal wenn sie die Partie uraufführt.
Freilich lassen sich durchaus ein paar Grundzüge eines Stammbaums für The Life Aquatic ausmachen. Der streckt seine Wurzeln allerdings weit zurück: Wenn Zissous Forschungsschiff als Kulisse im Längsschnitt präsentiert wird, sind wir wieder bei Georges Méliès, dem frühen Kino-Zauberer und seinen Bürgern auf Abenteuerfahrt. Die Magie der essentiellen Tricks des Mediums liegt Anderson merklich am Herzen. Cousteau ist nicht zuletzt als Filmemacher ein Held für ihn; Zissous rudimentäres Bord-Studio ist mit Absicht eine reine Bastelkammer, ein Experimentierstüberl, in dem mit einfachsten Mitteln und kindlicher Freude Bilder und Töne zusammenmontiert werden. The Life Aquatic ist ein Plädoyer für Lo-Tech, eine Feier des Filmemachens als wahres Abenteuer.
Bei aller Sehnsucht nach der verlorenen Zeit, bei aller Nostalgie ist Andersons Film in letzter Konsequenz nicht rückwärtsgewandt. An seinem wirklich tief bewegenden Höhepunkt trifft The Life Aquatic die Erkenntnis, dass man manchmal all die offenen Rechnungen der Vergangenheit über Bord werfen muss und die Augen aufmachen für die Wunder der Gegenwart. Dass die beste Waffe gegen das Gefühl von Verlust schlicht und einfach das Loslassen ist.
Ist eigentlich ein Film schon allein deswegen lustig, weil Bill Murray mitspielt? Nur eine Frage zum Anfang. The Life Aquatic With Steve Zissou ist, das muss erstmal klar sein, sowieso ein ungemein lustiger Film. Und das, obwohl Cate Blanchett auch mitspielt, die nicht gerade als Komödiendarstellerin bekannt ist, trotz ihres ungemein, außerordentlich und sagenhaft witzigen überkandidelten Englisch als Katherine Hepburn in der Originalversion von The Aviator. Aber nicht der, sondern The Life Aquatic With Steve Zissou war diesmal der übliche Cate Blanchett-Film zur Berlinale. Über Cate Blanchett, und darüber, warum es allmählich nervt, dass sie in jedem zweiten Hollywood-Film mitspielt, und warum ich irgendwie zur Zeit eigentlich keine Cate-Blanchett-Filme mehr sehen möchte, schreibe ich ein andermal. Denn diesmal geht es um The Life Aquatic With Steve Zissou und der ist nun wirklich ein wahnsinnig lustiger Film, allein schon, wegen seines sonderbar barocken Titels, den wir jetzt trotzdem als The Life Aquatic abkürzen wollen – wir schinden ja hier schließlich keine Zeilen. Außerdem natürlich, weil wie gesagt Cate Blanchett mitspielt, und weil sie, man kringelt sich da förmlich vor Lachen, in dem Film auch noch schwanger ist, und – hohoho! – ihrem ungeborenen Kind Marcel Prousts gesamte A la Recherche du Temps Perdu vorliest.
Ein Feuerwerk an Lustigkeit
Natürlich ist The Life Aquatic auch sonst wirklich lustig. Das einzige, was fehlt ist ein Gagometer, so eine Anzeige, die bei jedem Gag mitzählt, oder zum Beispiel in roter Comicschrift kurz »Gag!« einblenden würde. Aber wahrscheinlich wäre dann die Leinwand nur noch rot. Denn The Life Aquatic With Steve Zissou, nein, pardon: The Life Aquatic wimmelt nur so von Gags, wie das Meer von Fischen.
Lustig ist, nur zum Beispiel, dass die meisten Figuren – Achtung Gag! – mit roter Matrosenmütze herumlaufen, dass sie außerdem – Achtung Gag! – ziemlich oft Schlafanzüge anhaben, obwohl es heller Tag, und sie erwachsen und nicht krank sind. Willem Dafoe, der übrigens einen Deutschen spielt, der – Achtung Gag! – Klaus Daimler heißt, trägt – Achtung Gag! – auch Boxershorts. Und Owen Wilson läuft fortwährend mit einer – Achtung Gag! – Tasche von der – Achtung Gag! – »Kentucky Air« herum. Dann gibt es – Achtung Gag! – einen Gitarristen, der David-Bowie-Songs – Achtung Gag! – auf Brasilianisch singt, einen Hund, der – Achtung Gag! – nur drei Beine hat, und – Achtung Gag! – bunte Quallen, – Achtung Gag! – noch buntere Krabben und – Achtung Gag! – Seepferdchen. Das Schiff heißt übrigens »Belafonte« und warum das ein besonders origineller Gag ist, verraten wir jetzt – Achtung Gag! – einfach mal nicht.
Lustig ist der Film auch, weil er von Wes Anderson stammt. Der wurde von vielen schon seit seinem Erstlingsfilm, der bizarren Satire Rushmore vom Nobody zur viel versprechenden Regiehoffung mit Kultpotential befördert. Nach Die Royal Tenenbaums ist The Life Aquatic nun ein weiteres Mal der gleiche Film mit ziemlich den gleichen Schauspielern – Bill Murray, Owen Wilson, Anjelica Huston – und natürlich wie immer: wahnsinnig lustig! Außerdem unglaublich eigenwillig, fantastisch schräg und und – mit Cate Blanchett.
We all live on a yellow submarine
Im Mittelpunkt steht der berühmte Meeresforscher Steve Zissou (Murray), der ziemlich plump, aber dadurch eben unübersehbar Jacques Cousteau nachempfunden wurde, der mit seinen TV-Sendungen in den 70er-Jahren Jung wie Alt in Bann schlug. Anderson macht sich über Cousteau und den Stil seiner Sendungen unübersehbar lustig. Aber warum eigentlich? Er lässt diese Welt nicht wieder auferstehen, er liebt sie nicht, sondern hat zu ihr das gleiche Verhältnis wie die Retro-Shows im Fernsehen. Wer sie liebt, wer sich nach der eigenen Kindheit sehnt, der wird The Life Aquatic etwas abgewinnen können. Zissous Erfolge liegen schon eine Weile zurück, aber als eines Tages sein langjähriger Mitarbeiter von einem – endlich mal wieder: Achtung Gag! – »Jaguarhai« gefressen wird, macht er sich auf eine letzte Fahrt, jagt wie Käptn Ahab in Moby Dick das mysteriöse Tier, das zur fixen Idee geworden ist, und setzt dabei seine ganze Existenz inklusive seiner Familie aufs Spiel.
Doch The Life Aquatic ist kein Drama, sondern eine mehr skurrile, als schwarze Komödie. Weniger der lange Atem, als der kurzatmige Witz gibt den Ton an. Von Sketch zu Sketch hangelt sich der Film. Der Stil hat sich gegenüber den früheren Filmen Andersons kaum geändert: Schnell geschnitten, überdreht, schrill; kunterbunte, gewollt unsinnige und »originelle« Räume und Kostüme, wirkt alles insgesamt oft wie Großaufnahmen aus der Puppenstube. Kino als Setzkasten.
Und der Regisseur dahinter hinterlässt den Eindruck eines Kontrollfreaks, dessen Film alles ist, aber nicht verspielt, wie er behauptet.
Anderson errichtet einen privaten, sehr egozentrischen Kosmos. Kein Problem. Was aber folgt aus allem über blöde Unterprimaner-Gags – der Schiffsname Jacqueline ist durchgestrichen – hinaus? Wenig Pointen werden ausgelassen, oft wirkt alles aber so, wie wenn einem ein Freund etwas erzählt, was nur er selbst ungemein lustig findet
– man selber lacht eher aus Höflichkeit, als aus Begeisterung.
Natürlich ist der Film nicht nur lustig, sondern auch voller tieferer Bedeutung. Allein, wie alles schon losgeht: Es beginnt mit einer tollen Filmpremiere. Mensch Meier, wie selbstreflexiv. Bestimmt zitiert irgendeine kluge Filmkritikerin, deren Nachname mit N beginnt, dazu noch einen französischen Poststrukturalisten, damit wir wirklich kapieren, wie reflexiv hier die Reflexion wirklich ist. Dann wackelt das Bild wie auf einem Homevideo aus den 70er-Jahren, was uns noch mal mit der Nase draufstößt, dass das alles, was wir sehen, ja auch nur ein Film ist. Au weia, hätten wir fast vergessen! Später dann sagt Zissou: »Keiner weiß, was da draußen passiert, und wir filmen das, das ist das ganze Konzept.« Dafür gibt es bestimmt auch noch ein Franzosen-Zitat, und natürlich zeigt uns dieser lustige Satz, dass es mit den großen Erzählungen und der ganzen Aufklärung endgültig zuende gegangen ist – jaja, seufz. Wenn Menschen zu Verbrechern werden, ist die Gesellschaft schuld, wenn Kino in der Bedeutungslosigkeit meandert, dann liegt es an der Aufklärung, wenn Regisseure aus der Unfähigkeit oder dem Unwillen (was ist schlimmer) zum Epischen Ausweichmanöver ins Episodische unternehmen, ist das Ende der großen Erzählungen schuld. Und so, blubb-blubb, blabla, zerschellt die Titanic am Eisberg.
Zeitvernichtung
Ich kanns nicht ändern, mir gehen die ganzen schlaumeiernden Anspielungen auf die Nerven, die Pose des kindisch-seins und dann doch nicht, weil man ja weiß, dass man kindisch ist. Das hier ist reiner Manierismus: Form, die sich nur auf sich selbst bezieht, aber nicht auf Realität. Damit etwas wirklich witzig ist, braucht es aber diesen Bezug zur Realität (man denke zum Beispiel an den auch nicht »realistischen« aber eben doch realistischen Humor von Dr. Strangelove). The Life Aquatic aber ist ein Patchwork-Film über eine Patchwork-Familie in einer Patchwork-Welt. Wen interessiert das Baby von Cate Blanchett? Wen interessiert der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Bill Murray und Owen Wilson? Wen interessiert hier irgendwas?
Bleibt dieser Stil selbst. Wenn sich Anderson schon für die Story und fürs Storytelling nicht interessiert, so doch fraglos für Technik und Ästhetik. Aber sind seine Bilder noch etwas anderes, außer originell? Ich bin sicher: Wenn sie wollten, könnte viele Filmemacher die typische Wes Anderson-Einstellung imitieren: Man nehme Bill Murray oder Owen Wilson oder natürlich Cate Blanchett, stecke sie in stylische Retro-Klamotten mit möglichst bunten Sixties-Farben, ein paar Pastelltönen
dazu, in die Mitte des Bildausschnitts. im Hintergrund lässt man irgendwelche ungewöhnlichen Dinge passieren, bunte tiere oder Schwarze in weißen Klamotten langgehen. Oder eine Animation, die zum Beispiel ein längs aufgeschnittenes technisches Gerät zeigt. Eine Linse vor die Kamera, die die Entfernung zwischen Hintergrund und Vordergrund verkürzt, damit alles comichaft zweidimensional wirkt.
Vergessen wir nicht die Schauspieler. Bei Anderson sind sie ja sooooo
aaaaaaaanders. Sie kommen überhaupt erst eigentlich zu sich selbst können das tun, was sie schon sooooo lange tun wollten. heißt es. Merken tut man davon wenig. Stattdessen steht in der Zeit, man sähe »Einen Film, dessen berühmte Darsteller sich für nichts weniger interessieren als ihren Glamour, die von ihrer eigenen Präsenz gelangweilt scheinen und mit liebenswerter Demut eingehen ins große Gaga-Ganze, kann man wohl als Anti-Starfilm bezeichnen. Vielleicht sogar als
Anti-Festivalfilm.« Hörthört.
Die Stars interessieren sich nicht für ihren Glamour? Sind von ihrer eigenen Präsenz gelangweilt? Du meine Güte. Erstens will ich keine Stars sehen, die schon von sich selbst gelangweilt sind, weil sie dann auch mich langweilen. Zweitens sind Stars für Glamour da, für was denn sonst? Und drittens könnte man über The Life Aquatic genausogut sagen, dass wir lange schon nichts eitleres und manierierteres im Kino gesehen haben, wie die Auftritte von Bill Murray und Cate Blanchett in diesem Film. Und zu einem Film voller Stars, der tut, als wäre er ein Anti-Starfilm – da fällt mir nur der gute alte Spruch ein, der mit »Fighting for peace« anfängt.
Vielleicht The Life Aquatic einfach nur ein Film für Filmkritiker, die ihr Beruf längst langweilt, und sie deshalb diese Langeweile und Ödnis auf der Leinwand gespiegelt sehen wollen, weil sie das ganze Leben für ein Zeitvernichtungsunternehmen halten. Vielleicht habe ich einfach noch nicht genug Filme gesehen, vielleicht bin ich nicht lang genug Filmkritiker, um das genauso zu sehen. Vielleicht muss ich Fan sein, um mich hier zu kringeln, oder ein Nerd. Ich gestehe: ich habe nie ein Modell der »Calypso« als Revell-Bausatz selbst zusammengebastelt. Sorry. Wenn man das tun muss, um diesen Film zu mögen, verzichte ich gern. Vielleicht ist The Life Aquatic With Steve Zissou aber auch wirklich nur ein unendlich langweiliger Film ohne Linie, leblos, im schlimmsten Sinne ein rationalistisches zerklügeltes Filmchen, pseudoironisch, eiskalt und wichtigtuerisch. Aber halt wahnsinnig lustig.