USA 2005 · 81 min. Regie: Noah Baumbach Drehbuch: Noah Baumbach Kamera: Robert D. Yeoman Darsteller: Jeff Daniels, Laura Linney, Jesse Eisenberg, Owen Kline, Halley Feiffer u.a. |
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Selbstironisches Porträt eines Lebensabschnitts |
Alle sind schwierig. Nur will es keiner zugeben. So ist das eben in Familien, es gibt eigentlich keine Phasen, die nicht kompliziert sind. Die Kinder sind präpubertär, pubertär und postpubertär; die Erwachsenen sind zwischendrin ziemlich lange verheiratet und in der midlife crisis. Das war gestern und heute so, morgen wird es nicht anders sein.
Die Familie Berkman im New Yorker Stadtteil Brooklyn der achtziger Jahre ist in diesem Sinne eine ganz normale Familie. Mutter Joan, Vater Bernard, zwei Söhne von zwölf und sechzehn Jahren, Frank und Walt. Bernard unterrichtet kreatives Schreiben an der Universität, die jungen Studentinnen hängen an seinen Lippen, trotzdem bekommt er für seine eigenen Manuskripte von den Verlagen eine Absage nach der anderen. Er ist ein richtiger Klugschwätzer und Angeber, bezeichnet Kafka als einen seiner Vorläufer und übt sich im permanenten literarischen namedropping. Ganz anders seine Frau: Nachdem die Söhne vermeintlich aus dem Gröbsten raus sind, hat sie gerade ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht – ohne Bernards eitle Verbesserungsvorschläge berücksichtigt zu haben.
Der erste Satz, der im Film fällt, kommt von Sohn Frank und richtet sich an seinen Bruder: »Mutter und ich gegen Vater und dich.« Es geht um ein Tennis-Doppel, dessen Fronten nahtlos ins Leben übertragen werden: Bernard und Joan beschließen, sich scheiden zu lassen und, ganz fortschrittlich, das Sorgerecht zu teilen – eine Abmachung von etwas affiger, leicht hysterischer Akribie, die auch den wöchentlichen Wohnungswechsel der gemeinsamen Katze einschließt. Ganz so fortschrittlich machen die Söhne das nicht mit, Walt bewundert den Vater maßlos, während Frank ihn unerträglich findet – also entscheidet sich jeder für eine Partei.
Regisseur Noah Baumbach verarbeitet in Der Tintenfisch und der Wal die eigene Jugend als Sohn einer Kritikerin und eines Schriftstellers in Brooklyn. Die Dialoge sind von tragikomischer Wirklichkeit und Lebensnähe, die Figuren sind gleichzeitig messerscharf und liebevoll gezeichnet, ihre Beziehungen und Motivationen werden vielleicht entlarvt, aber nie verraten. Baumbach entscheidet sich nicht für eine Partei: Sympathien und Aversionen sind sensibel und gerecht verteilt. Das Drehbuch war für den Oscar 2006 nominiert.
Seine Qualitäten als Autor und seine Vorliebe für Meeresgetier stellte Baumbach schon zuvor unter Beweis: Als Koautor von Wes Andersons Die Tiefseetaucher. Wo Die Tiefseetaucher überdreht und satirisch ist, zeichnet Der Tintenfisch und der Wal das selbstironische Porträt eines Lebensabschnitts und einer Ära – der achtziger Jahre. Allerdings werden die Achtziger hier aus einer Perspektive betrachtet, die jenseits von Discoglamour und Schulterpolstern, Fame und Pretty Woman, also jenseits der Eckdaten dieses Jahrzehnts liegt. Entscheidend ist der subjektive Blick eines Sechzehnjährigen: Eine Akademiker-Familie, Scheidung, Pubertätswirren und dazu spielen Pink Floyd.
Der in Taiwan aufgewachsene Regisseur Ang Lee hat diese Innenperspektive, etwas bissiger, düsterer, exemplarischer und mit naturgemäß größerer Distanz, in Der Eissturm für die amerikanischen Siebziger versucht: Ein ähnlich normales, gehobenes Milieu, Eltern in der midlife crisis und auf Partnertausch-Partys, die Kinder ziemlich auf sich allein gestellt beim Erwachsen werden.
Am tragischen Ende von Der Eissturm sitzt der Junge Mikey Carver alleine in der dunklen, eisigen Winternacht und erlebt, als er staunend das Feuerwerk der reißenden Starkstromdrähte über ihm betrachtet, eine Art Initiation. Auch Walt wird so ein Erlebnis haben – bei ihm ist es der Kampf des Tintenfischs mit dem Wal.