Tove

Schweden/FIN 2020 · 107 min. · FSK: ab 12
Regie: Zaida Bergroth
Drehbuch:
Kamera: Linda Wassberg
Darsteller: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney, Joanna Haartti, Kajsa Ernst u.a.
Filmszene »Tove«
Finnische Freiheit
(Foto: Salzgeber)

Drang nach Freiheit

In Tove zeigt Zaida Bergroth das Leben der Künstlerin Tove Jansson aus der Binnenperspektive

Die finn­land­schwe­di­sche Künst­lerin Tove Jansson ist weltweit für ihre Schöpfung der Mumins bekannt – süßer Troll­wesen, die mit ihren großen Nasen an Nilpferde erinnern. Ihre Bücher mit den Mumins finden sich bis heute in zahl­rei­chen Kinder­zim­mern auf dem gesamten Globus. Doch eigent­lich wollte Tove Jansson eine ernst­hafte Künst­lerin sein. Mit ihrer Malerei hatte sie aber nicht den gleichen Erfolg wie mit den in zahl­rei­chen Comic­strips, Büchern, Zeichen­trick­filmen und Hörspielen bekannt gewor­denen Mumins.

Tove Jansson wurde 1914 in Helsinki geboren und starb dort 2001. Der Film Tove konzen­triert sich ganz auf den Zeit­ab­schnitt von 1944 bis 1955, also die Zeit, wo die Künst­lerin in ihren Dreißi­gern bzw. frühen Vier­zi­gern war. Am Anfang des Films zieht Tove Jansson (Alma Pöysti) in ein geräu­miges Wohn­ate­lier in der Innen­stadt von Helsinki ein. Dies ist der Ort, an dem sich die Künst­lerin die nächsten Jahre über ganz ihrer kreativen Selbst­ent­fal­tung und ihrem Drang nach persön­li­cher Freiheit widmen wird. Dabei konzen­triert sich das Drehbuch von Eeva Putro ziemlich stark auf das Liebes­leben der Künst­lerin. Dieses ist ebenso unkon­ven­tio­nell wie Janssons künst­le­ri­sche Arbeiten: Zuerst beginnt Jansson eine Affäre mit dem verhei­ra­teten sozia­lis­ti­schen Jour­na­listen, Autor und Politiker Atos Wirtanen (Shanti Roney). Später kommt noch eine Liebes­be­zie­hung zu der ebenfalls verhei­ra­teten Thea­ter­re­gis­seurin Vivica Bandler (Krista Kosonen), die aus Helsinkis Ober­schicht stammt, hinzu.

Als Tove Jansson Atos Wirtanen davon berichtet, dass sie zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen hat, reagiert dieser sehr aufgeräumt. Er fragt, ob es ein inter­es­santes Expe­ri­ment und eine Erfahrung von Freiheit war. Auch als sich bald darauf zeigt, dass es nicht bei diesem einen Mal bleiben soll, zeigt Wirtanen keinerlei Anzeichen von Eifer­sucht. Dies ist ein Beispiel dafür, wie in Tove das Leben der Boheme als Normal­zu­stand darge­stellt wird. An einer Stelle sagt Jansson zu einem Vertreter des Bürger­tums, dass in ihrer Familie immer die Menschen bedauert wurden, die selbst keine Künstler sind. Doch fügt sie schel­misch hinzu, dass sie ohne die Bour­geoisie keine Arbeit hätten. Dies zeigt den Stel­len­wert, den das bürger­liche Leben in Tove einnimmt. Tove zeigt keine frei­heits­lie­bende Künst­lerin, die gegen die Konven­tionen ihrer Zeit ankämpft, sondern eine selbst­be­wusste Frau, die sich ungeniert vom Leben nimmt, was ihr zusteht. Tove stellt das Leben dieser Künst­lerin ganz aus der Binnen­per­spek­tive dar.

Diese Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der Jansson das Boheme­leben einer Künst­lerin lebt, erklärt sich wahr­schein­lich auch daher, dass sie selbst aus einer Künst­ler­fa­milie stammt. Ihr Vater ist ein renom­mierter Bildhauer und ihre Mutter eine erfolg­reiche Grafi­kerin. Doch obwohl der Vater für Tove Jansson ein großes Vorbild ist, hat sie es nicht leicht mit ihm. Denn der Vater lehnt Janssons grafische Arbeiten – ihre Kari­ka­turen und ihre Zeich­nungen mit den Mumins – ab. Er empfiehlt seiner Tochter, sich statt­dessen auf ihre ernst­hafte Malerei zu konzen­trieren. Hierin liegt wahr­schein­lich die Ursache dafür, dass Jansson ihre Bilder mit den Mumins lange als eine reine Neben­be­schäf­ti­gung abtut, die ihr hilft, finan­ziell über die Runden zu kommen. Und selbst als sie mit den Mumins bereits so erfolg­reich geworden ist, dass ihr eine englische Zeitung einen Sieben­jah­res­ver­trag für ihre Comic­strips mit den Mumins anbietet, sagt Jansson, dass ihre Moti­va­tion für das Unter­schreiben dieses Vertrags darin liege, dass sie eine geschei­terte Künst­lerin sei.

So finden sich in Tove auch wehmütige Elemente. Aber in erster Linie ist der Film eine Feier des freien Lebens einer Künst­lerin, die sich nicht um gesell­schaft­liche Konven­tionen schert. Diese Lebens­freude kommt insbe­son­dere in zahl­rei­chen Tanz­szenen zum Ausdruck. Sei es auf Künst­ler­partys oder sei es, dass Jansson ganz alleine bei sich zu Hause ausge­lassen zu »In the Mood« tanzt. Hinzu kommen die Liebes­szenen mit Vivica. Bei diesen belässt es die finnische Regis­seurin Zaida Bergroth bei zarten Andeu­tungen. Niemals ist die Kamera von Linda Wassberg voyeu­ris­tisch. Anstatt den Akt lesbi­scher Liebe auszu­stellen, konzen­triert sich die Insze­nie­rung ganz darauf, die Selbst­ver­ständ­lich­keit darzu­stellen, mit der sich diese zwei Frauen ihre Freiheit nehmen.