USA 2014 · 120 min. · FSK: ab 12 Regie: Wally Pfister Drehbuch: Jack Paglen Kamera: Jess Hall Darsteller: Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany, Morgan Freeman, Kate Mara u.a. |
||
Suche nach der Künstlichen Intelligenz |
Transzendenz – der Titel bezeichnet in der Philosophie das vollkommene Jenseits unserer Welt und des Denkens. Im Fall des Science-Fiction-Films Transcendence aus Hollywood geht es dann aber doch eher ums Dieseits unserer Gegenwart, beziehungsweise einer sehr nahen Zukunft, die dieser Gegenwart zum Verwechseln ähnlich sieht.
Im Zentrum steht ein genialer Wissenschaftler namens Will Caster, der von Johnny Depp gespielt ein bisschen verschroben ist und am Liebsten zuhause bleibt, alte Schallplatten hört und nebenbei geniale Dinge austüftelt. Zum Beispiel Neues aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz: Ein universales Bewusstsein, das die Intelligenz aller Menschen zusammenführen könnte. Mit seinen Erfindungen provoziert er konservative Fortschrittsfeinde und religiöse Sektierer. Eines Tages verübt einer von ihnen ein Attentat auf den Forscher, der vermeintlich Gott ins Handwerk pfuscht – Will wird dabei so schwer vergiftet, dass er nur noch ein paar Wochen zu leben hat. Mit dieser Ausgangslage geht der Film erst richtig los, denn nun – wir sind immerhin im Science-Fiction-Genre – nutzt Will die ihm verbleibende Zeit dazu, um gemeinsam mit seiner ebenfalls recht begabten Frau und einem befreundeten Neurobiologen seine Persönlichkeit auf eine Festplatte zu laden, und sich so das ewige Leben zu schenken.
Philosophie a la Hollywood: Vor ein paar Wochen erst kam Spike Jonzes Film Her ins Kino, bei dem sich ein einsames Scheidungsopfer in sein Betriebssystem verliebte, das glücklicherweise mit der erotischen Stimme von Scarlett Johannsson ausgestattet war. Ähnlich wie dort geht es auch hier um die fraglos ernste und sehr komplizierte Frage, was eigentlich den Mensch von der Maschine unterscheidet? Jedenfalls, wenn diese Emotionen technisch perfekt simuliert? Wenn sie Erinnerungen komplett speichert? Was ist eigentlich der Geist, wenn er vom Körper völlig losgelöst ist?
Hochaktuelle und komplizierte Fragen also, die jeden angehen, auch wenn er nicht hunderttausende Datenpartikel in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken hinterlässt und seine Persönlichkeit bereits zu Algorithmen kondensiert bei den Werbeagenturen der Welt gespeichert ist. Wie nun aber beantwortet sie der Film?
Intelligenz ist eine Bestie, hochbegabt zu sein, etwas Schlechtes, so sagt uns der Film, »Gott zu spielen« erst recht. Auch wenn es sich bei Wills universaler Intelligenz im Grunde um nichts anderes handelt, als das, was die Philosophen Leibniz und Spinoza bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert beschrieben haben. Man soll sich laut Hollywood doch bitte anpassen, nicht zuviel nachdenken und sich so benehmen wie alle anderen – nur keine Abweichung vom Gewohnten. Exzentriker, Genies, hochbegabte Wissenschaftler und Intellektuelle – die sind im Hollywood-Film irgendwann Verbrecher, Tyrannen oder zumindest Zauberlehrlinge, die mit ihren Einfällen den Normal-Menschen, die wie Hobbits im Bergwerk des Lebens schuften Unglück bringen und ihr Leben durcheinanderwirbeln.
So wie der Geist, wenn er nur groß genug ist, im Wertesystem der Hollywood-Industrie gefährlich und böse ist, so kann der Körper offenbar gar nicht groß genug sein. Wo es nicht körperlich zugeht, da droht Gefahr – so lautet eine weitere jener Weisheiten des Films, die sich im Unterschied zu seinen Fragen dann doch auf dem eher seichten Niveau schlichter Ratgeberliteratur bewegen.
Durch seinen Entwurf einer erschreckenden Welt, in der die Menschlichkeit unterzugehen droht, weil Facebook, Google und die Geheimdienste uns ausspionieren und das nicht zu unserem Nutzen, ist Transcendence aber verführerisch klug, als Unterhaltungsfilm ist er spannend. Neben Johnny Depp spielen Rebecca Hall Paul Bettany, Cillian Murphy, und Morgan Freeman tragende Rollen.
Transcendence erfült auch sonst die insgesamt hohen
Erwartungen. Schließlich handelt es sich um das Regiedebüt des als Kameramann bereits oscarprämierten Wally Pfister – der ist zwar als Regisseur ein Debütant, als Kameramann von Christopher Nolan war er aber bereits für dessen drei Batman-Filme und den Bewusstseinsthriller Inception verantwortlich. Transcendence wirkt dabei
ruhiger und klarer. In besonders guten Momenten reicht das an Klassiker des Wissenschaftshorrors wie Frankenstein heran. Pfister gelingt es gleichzeitig auf die Gefahren des Fortschritts hinzuweisen, ohne den Fortschritt als solchen zu verdammen. Das ist in unseren, die Vereinfachung liebenden Zeiten, eine ganze Menge.